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  Aktuelle Forschung :: Januar 2014 Zur Übersicht

Suprafluide Effekte in Schwingungen von Neutronensternen

Der Materiezustand von Neutronensternen ist weitgehend unbekannt. Allerdings erlauben "Sternbeben" von Neutronensternen mit extrem starken Magnetfeldern einen indirekten Blick auf ihr exotisches Innenleben. Neue Computersimulationen von magneto-elastischen Schwingungen von Neutronensternen geben deutliche Hinweise darauf, dass die flüssige Materie im Inneren, welche größtenteils aus extrem verdichteten Neutronen und einigen Protonen und Elektronen besteht, sich in einer suprafluiden Phase befindet. Wenn die Wissenschaftler Suprafluidität in ihre Modelle integrieren, ergeben sich bessere Vorhersagen als ohne: die vorhergesagten Frequenzen der Schwingungen stimmen besser mit Beobachtungen überein und die magnetischen Feldstärken der Modelle passen zu denen alternativer Schätzungen. Darüber hinaus wird erwartet, dass die Schwingungen in diesem Fall eine längere Lebensdauer haben als in Modellen ohne Suprafluidität.

Abb 1: Der Neutronenstern SGR1900+14 ist von einem Ring aus Materie umgeben, die bei der Sternexplosion des kollabierenden Sterns ausgestoßen wurde.
Credit: NASA/JPL-Caltech

Abb 2: Struktur eines Neutronensterns: Ein feste Kruste mit einer Dicke von etwa 1 km umgibt einen flüssigen Kern von etwa 10 km Radius, dessen Materiezustand weitgehend unbekannt ist.
Credit: Illustration von Cassiopeia A: NASA/CXC/M.Weiss

Abb 3: Diese Simulationen zeigen eine neue Familie von Schwingungen, die in suprafluiden Modellen (links) vorhanden sind, dagegen bei nicht-suprafluiden Modellen (rechts) fehlen. Die neuen Oszillationen entstehen aufgrund von Resonanzen zwischen einer Hochfrequenz-Schermode in der Kruste und einem hohen Oberton von Alfvén-Schwingungen im Kern.

Neutronensterne sind eine sehr spezielle Klasse von Sternen; es handelt sich hierbei um die kompaktesten Sterne, die die stärksten, jemals beobachteten Magnetfelder besitzen. Sie sind der Endpunkt der Entwicklung massereicher Sterne, d.h. sobald der Fusionsprozess in der Mitte eines solchen Sterns zum erliegen kommt, explodiert der Stern als Supernova und hinterlässt einen Neutronenstern als kompakten Überrest. Trotzdem sind diese Sterne nicht "tot". Ganz im Gegenteil, sie zeigen große Aktivitäten aufgrund ihrer starken Magnetfelder: Man beobachtet in dieser Sternklasse die stabilsten elektromagnetischen Pulse (Radiopulsare) und wiederholte Ausbrüche von Röntgen- und Gammastrahlung (sog. „Soft Gamma-ray Repeater“, SGR oder Magnetare). Sie sind daher von großem Interesse für Astrophysiker.

Während man die Eigenschaften der festen Kruste von Neutronensternen aus Experimenten auf der Erde bereits stark einschränken kann, ist nur wenig über den Zustand der Materie im Inneren der Sterne bekannt. Verschiedene Theorien sagen dazu ein unterschiedliches Verhalten voraus. Weil Neutronensterne durch sehr starke gravitative Kräfte zusammen gehalten werden, ist ihr Inneres so dicht, dass man diese Bedingungen im Labor auf der Erde nicht reproduzieren kann. Beobachtungen von Neutronensternen sind deshalb die einzige Möglichkeit für uns, die komplexe Kernphysik sehr dichter Materie zu verstehen. Dabei ist das Zusammenspiel der Elementarteilchen unter diesen Bedingungen von besonderem Interesse.

"Sternbeben" von Neutronensternen mit extrem starken Magnetfeldern (Magnetare) können uns einen kleinen Einblick in ihre exotische Innenstruktur gewähren (linkPfeil.gifsiehe Highlight). In den vergangenen Jahren wurden zwei riesige Ausbrüche bei Neutronensternen beobachtet: SGR 1806-20 (2004) und SGR1900+14 (1998). Die Gammastrahlung dieser Quellen war mit verschiedenen Frequenzen moduliert. Einige der niedrigsten dabei entdeckten Schwingungsfrequenzen entsprechen in etwa den Frequenzen der magneto-elastischen Schwingungen eines Magnetars. Diese Pulsationen der Neutronensterne entstehen durch die Wechselwirkung des Magnetfeldes im Kern mit elastischen Scherschwingungen in der festen Kruste, die unseren Erdbeben sehr ähnlich sind. Allerdings konnten in diesem magneto-elastischen Modell die höchsten der beobachteten Frequenzen nicht erklärt werden.

Mit den neuesten Computersimulationen von Forschern am MPA, der Universität von Valencia und der Universität Thessaloniki ist es nun gelungen, sowohl niedrige als auch hohe Frequenzen durchgehend als magneto-elastische Schwingungen oder "Sternbeben" zu identifizieren. Die entscheidende Neuerung, um alle Beobachtungen gleichzeitig zu erklären, ist eine weitere exotische Eigenschaft des Kerns: Suprafluidität. In diesem Zustand zeigt die Flüssigkeit keine Viskosität und besitzt eine unendlich hohe Wärmeleitfähigkeit. Auf der Erde kann Suprafluidität nur bei extrem niedrigen Temperaturen und nur für ein paar wenige Elemente, wie flüssiges Helium, beobachtet werden.

Berücksichtigt man also suprafluide Effekte in Neutronensternmodellen, so stellt sich heraus, dass nur einen Bruchteil der Materie (vor allem nicht-suprafluide Protonen und Elektronen) an den magneto-elastische Schwingungen teilnehmen. Diese Entkopplung führt dazu, dass die Schätzungen der Magnetfeldstärke eines Magnetars mit dem Schwingungsmodell besser mit alternativen Schätzungen übereinstimmen. Außerdem tritt eine neue Familie von Schwingungen auf, die für die vollständige Interpretation der beobachteten Frequenzen von entscheidender Bedeutung ist: eine Hochfrequenz-Schermode in der Kruste (die in früheren Modellen ohne Suprafluidität gedämpft wurde) schwingt in Resonanz mit einer hohen Obertonwelle der Alfvén-Schwingungen im Kern. Alfvén-Schwingungen sind magneto-hydrodynamische Wellen, bei denen das Magnetfeld als Rückstellkraft wirkt. Außerdem sollten diese suprafluiden magneto-elastischen Schwingungen eine längere Lebensdauer haben als die von früheren Modellen beschriebenen Oszillationen, was für deren Beobachtbarkeit sehr wichtig ist.

In Zukunft könnte das neue Modell dazu verwendet werden, den Materiezustand in Neutronensternen generell stärker einzuschränken und insbesondere seine suprafluiden Eigenschaften besser zu verstehen.


M. Gabler (MPA, Valencia), E. Müller (MPA), P.Cerdá-Durán (Valencia), T. Font (Valencia) und N. Stergioulas (Thessaloniki)


Originalveröffentlichung

Michael Gabler, Pablo Cerdá-Durán, Nikolaos Stergioulas, José A. Font, and Ewald Müller, "Imprints of Superfluidity on Magnetoelastic Quasiperiodic Oscillations of Soft Gamma-Ray Repeaters", Phys. Rev. Lett. 111, 211102 (2013) linkPfeilExtern.gifhttp://de.arxiv.org/abs/1304.3566



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Letzte Änderung: 11.12.2013