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Neutronensterne sind eine sehr spezielle Klasse von Sternen; es
handelt sich hierbei um die kompaktesten Sterne, die die stärksten,
jemals beobachteten Magnetfelder besitzen. Sie sind der Endpunkt der
Entwicklung massereicher Sterne, d.h. sobald der Fusionsprozess in der
Mitte eines solchen Sterns zum erliegen kommt, explodiert der Stern
als Supernova und hinterlässt einen Neutronenstern als kompakten
Überrest. Trotzdem sind diese Sterne nicht "tot". Ganz im Gegenteil,
sie zeigen große Aktivitäten aufgrund ihrer starken Magnetfelder: Man
beobachtet in dieser Sternklasse die stabilsten elektromagnetischen
Pulse (Radiopulsare) und wiederholte Ausbrüche von Röntgen- und
Gammastrahlung (sog. „Soft Gamma-ray Repeater“, SGR oder
Magnetare). Sie sind daher von großem Interesse für Astrophysiker.
Während man die Eigenschaften der festen Kruste von Neutronensternen
aus Experimenten auf der Erde bereits stark einschränken kann, ist nur
wenig über den Zustand der Materie im Inneren der Sterne
bekannt. Verschiedene Theorien sagen dazu ein unterschiedliches
Verhalten voraus. Weil Neutronensterne durch sehr starke gravitative
Kräfte zusammen gehalten werden, ist ihr Inneres so dicht, dass man
diese Bedingungen im Labor auf der Erde nicht reproduzieren
kann. Beobachtungen von Neutronensternen sind deshalb die einzige
Möglichkeit für uns, die komplexe Kernphysik sehr dichter Materie zu
verstehen. Dabei ist das Zusammenspiel der Elementarteilchen unter
diesen Bedingungen von besonderem Interesse.
"Sternbeben" von Neutronensternen mit extrem starken Magnetfeldern
(Magnetare) können uns einen kleinen Einblick in ihre exotische
Innenstruktur gewähren (siehe Highlight).
In den vergangenen Jahren wurden zwei riesige Ausbrüche bei
Neutronensternen beobachtet: SGR 1806-20 (2004) und SGR1900+14
(1998). Die Gammastrahlung dieser Quellen war mit verschiedenen
Frequenzen moduliert. Einige der niedrigsten dabei entdeckten
Schwingungsfrequenzen entsprechen in etwa den Frequenzen der
magneto-elastischen Schwingungen eines Magnetars. Diese Pulsationen
der Neutronensterne entstehen durch die Wechselwirkung des
Magnetfeldes im Kern mit elastischen Scherschwingungen in der festen
Kruste, die unseren Erdbeben sehr ähnlich sind. Allerdings konnten in
diesem magneto-elastischen Modell die höchsten der beobachteten
Frequenzen nicht erklärt werden.
Mit den neuesten Computersimulationen von Forschern am MPA, der
Universität von Valencia und der Universität Thessaloniki ist es nun
gelungen, sowohl niedrige als auch hohe Frequenzen durchgehend als
magneto-elastische Schwingungen oder "Sternbeben" zu identifizieren.
Die entscheidende Neuerung, um alle Beobachtungen gleichzeitig zu
erklären, ist eine weitere exotische Eigenschaft des Kerns:
Suprafluidität. In diesem Zustand zeigt die Flüssigkeit keine
Viskosität und besitzt eine unendlich hohe Wärmeleitfähigkeit. Auf der
Erde kann Suprafluidität nur bei extrem niedrigen Temperaturen und nur
für ein paar wenige Elemente, wie flüssiges Helium, beobachtet werden.
Berücksichtigt man also suprafluide Effekte in Neutronensternmodellen,
so stellt sich heraus, dass nur einen Bruchteil der Materie (vor allem
nicht-suprafluide Protonen und Elektronen) an den magneto-elastische
Schwingungen teilnehmen. Diese Entkopplung führt dazu, dass die
Schätzungen der Magnetfeldstärke eines Magnetars mit dem
Schwingungsmodell besser mit alternativen Schätzungen
übereinstimmen. Außerdem tritt eine neue Familie von Schwingungen auf,
die für die vollständige Interpretation der beobachteten Frequenzen
von entscheidender Bedeutung ist: eine Hochfrequenz-Schermode in der
Kruste (die in früheren Modellen ohne Suprafluidität gedämpft wurde)
schwingt in Resonanz mit einer hohen Obertonwelle der
Alfvén-Schwingungen im Kern. Alfvén-Schwingungen sind
magneto-hydrodynamische Wellen, bei denen das Magnetfeld als
Rückstellkraft wirkt. Außerdem sollten diese suprafluiden
magneto-elastischen Schwingungen eine längere Lebensdauer haben als
die von früheren Modellen beschriebenen Oszillationen, was für deren
Beobachtbarkeit sehr wichtig ist.
In Zukunft könnte das neue Modell dazu verwendet werden, den
Materiezustand in Neutronensternen generell stärker einzuschränken und
insbesondere seine suprafluiden Eigenschaften besser zu verstehen.
M. Gabler (MPA, Valencia), E. Müller (MPA), P.Cerdá-Durán (Valencia),
T. Font (Valencia) und N. Stergioulas (Thessaloniki)
Originalveröffentlichung
Michael Gabler, Pablo Cerdá-Durán, Nikolaos Stergioulas, José A. Font, and Ewald Müller,
"Imprints of Superfluidity on Magnetoelastic Quasiperiodic
Oscillations of Soft Gamma-Ray Repeaters",
Phys. Rev. Lett. 111, 211102 (2013)
http://de.arxiv.org/abs/1304.3566
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