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Die hohe Kunst, ein exquisites Sternmenue zu kochen

Bei Sternen wie der Sonne brodelt die Oberfläche regelrecht. Die Energie, die im Innern des Sterns durch Kernfusion erzeugt wird, gelangt durch Konvektion an die Oberfläche - das gleiche Phänomen wie in einem Topf mit kochendem Wasser. Das von Astronomen beobachtete Sternenlicht entspringt dieser „stellaren Suppe“. Um dieses Sternenlicht richtig zu interpretieren und z. B. die Temperatur, Größe, Masse und die chemische Zusammensetzung des Sterns daraus abzuleiten, ist es äußerst wichtig, die physikalischen Prozesse und konvektiven Bewegungen in den Oberflächenschichten der Sterne zu verstehen: die stellaren Atmosphären. Jetzt haben Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik einen wichtigen Durchbruch erzielt, indem sie die Oberflächenschichten für viele Sterntypen in realistischen 3D-Simulation mit leistungsstarken Supercomputern modellierten. Diese neuen Computer-Modelle werden in beträchtlichem Ausmaß von Astronomen eingesetzt werden, nicht nur bei der Analyse von Sternen sondern auch für Studien über die Milchstraße oder zu Planeten um andere Sterne.

Fig. 1: Dieser Film zeigt das von der Sonne ausgestrahlte Licht mit seinem typischen Granulenmuster.

Fig. 2: Ein vertikaler Schnitt durch die Sonne (die Farbkodierung zeigt die Temperatur an); darüber ist das Geschwindigkeitsfeld aufgetragen (Pfeile). Siehe auch die linkPfeil.gifAnimation.

Die größte Herausforderung bei der Modellierung von Sternen und ihren Atmosphären ist, wie man die konvektive Wärmeübertragung und deren Zusammenspiel mit der emittierten Strahlung des Sterns richtig simuliert. Traditionell werden theoretische eindimensionale (1D) Atmosphären Modelle verwendet, bei denen angenommen wird, dass sie sich nicht mit der Zeit verändern. Solche Modelle stützen sich auf mehrere wesentliche Vereinfachungen, die unzureichend sind für die Beschreibung eines komplexen Phänomens wie der Konvektion, welches sich eindeutig in 3D abspielt und sich ständig fortentwickelt. Diese Modelle sind daher manchmal ziemlich unrealistisch und liefern fehlerhafte Ergebnisse. Es ist wie das Kochen eines aufwendigen Abendessens mit einer einzigen Grundzutat: Die grundlegende Struktur ist vorhanden, aber das gewisse Etwas fehlt deutlich. Ein wesentlicher Vorteil von derart vereinfachten stellaren Modellierungen ist jedoch, dass diese rechnerisch recht günstig sind und es daher möglich machen, viele Sterne simulieren.

Mit der Einführung leistungsfähiger Supercomputer ist es heute möglich, Modelle der Sternatmosphären in 3D zu berechnen, bei denen die konvektiven Bewegungen zeitlich verfolgt werden, und auch die Wechselwirkungen zwischen dem stellaren Plasma und der Strahlung werden im Detail nachvollzogen durch die Lösung der hydrodynamischen Gleichungen, welche mit der 3D Strahlungstransportgleichung gekoppelt sind. Bei diesen anspruchsvollen 3D-Modellen treten die konvektiven Bewegungen direkt aus grundlegenden physikalischen Prinzipien hervor, so dass die vielen freien Parameter der 1D Modellierung überflüssig werden. Die Vorhersagekraft derartiger 3D-Modelle wurde bereits erfolgreich demonstriert, insbesondere für die Sonne. Dies beweist, dass die neuen Sternmodelle sehr realistisch sind, so dass sie für die Analyse des Sternenlichts für viele unterschiedliche Studien eingesetzt werden können. Es ist beruhigend, dass Astronomen jetzt verstehen, wie Konvektion in Sternen funktioniert und dass sie Modelle berechnen können, welche es ihnen möglich machen, die stellaren Eigenschaften aus der von den Sternen emittierten Strahlung exakt zu bestimmen.

Ein internationales Team von Wissenschaftlern um Zazralt Magic am MPA hat nun eine große Anzahl von 3D-Sternatmosphären berechnet, die mit Abstand die größte und ehrgeizigste Unternehmung auf diesem Gebiet ist. Es ist wie ein prächtiges Festmahl aus rund 250 Gerichten, die alle mit viel Liebe zum Detail zubereitet wurden. Die neuen 3D-Sternmodelle basieren auf den bestmöglichen Ergebnissen der Physik, wie die Zustandsgleichung des Plasmas (das Verhältnis zwischen Temperatur und Druck) und Opazitäten (die beschreiben, wie transparent das Plasma für Strahlung ist). Die gesamte Sternoberfläche wurde dabei nicht im Ganzen modelliert, sondern man folgt stattdessen einem kleinen repräsentativen Volumen in der Atmosphäre, aus dem dann statistisch das vollständige Bild des Sterns rekonstruiert werden kann. Normalerweise folgt jede Computersimulation der Entwicklung in etwa 10 konvektiven Zellen, den so-genannten Granulen: dem aufsteigenden Material, welches von unten beheizt wird.

Mit den neuen 3D-Sternmodellen fanden die MPA-Wissenschaftler einige neue und interessante Skalierungsrelationen der globalen Eigenschaften mit stellaren Parametern. So wird zum Beispiel der Intensitätskontrast zwischen dem warmen nach oben strömenden Material und den kalten abtauchenden Strömen bei niedrigem Metallgehalt verstärkt oder die Granulgröße skaliert mit der Druckskalenhöhe nahe an der Oberfläche. Entropie-Sprung, Dichte und vertikale Geschwindigkeit sind die Komponenten des konvektiven Energietransports und diese Eigenschaften skalieren ebenfalls mit den stellaren Parametern auf eine klare und verständliche Art. Vergleicht man die räumlich und zeitlich gemittelten 3D-Modelle mit klassischen 1D-Modellen, so zeigen sich auffällige und systematische Unterschiede, die die Mängel der bisherigen 1D-Analysen hervorheben.

Die Bandbreite der möglichen Anwendungen dieser 3D-Sternmodelle ist enorm. Derzeit berechnet das Team als erste Anwendung ein Gitter mit Voraussagen für Sternspektren aus jedem 3D-Modell, um die Bestimmung stellarer Parameter und die Analyse der chemischen Zusammensetzung der Sterne zu verbessern. Diese wiederum ist für laufende und zukünftige Studien zu Sternen in unserer Milchstraße von großem Vorteil, um damit die Entstehung und die Geschichte unserer Galaxie nachzuverfolgen.

Ein besseres Verständnis der Strahlung eines Sterns und wie diese über die Sternoberfläche hinweg variiert wird hilfreich sein, um genaue Parameter von Exoplaneten aus Transits zu bestimmen — der Helligkeitsänderung, wenn ein Planet vor seinem Zentralstern vorbeizieht. Die MPA-Gruppe erwartet auch große Fortschritte in der Asteroseismologie — der Möglichkeit, das Innere von Sternen anhand ihrer Oszillationen zu vermessen,mit neuen Modellen zur Sternentwicklung, die auf den 3D-Atmosphären-Modellen aufbauen. Diese Arbeit stellt also einen wichtigen Fortschritt in der hohen Kunst der „stellaren Suppenküche“ dar, die von vielen Astronomen auf der ganzen Welt geschätzt wird.


Zazralt Magic (MPA), Remo Collet (ANU) und Martin Asplund (ANU)


Referenz

Z. Magic, R. Collet, M. Asplund, R. Trampedach, W. Hayek, A. Chiavassa, R. F. Stein and Å. Nordlund, "The Stagger-grid: A Grid of 3D Stellar Atmosphere Models I. Methods and general properties", (submitted to A&A) linkPfeilExtern.gifhttp://adsabs.harvard.edu/abs/2013arXiv1302.2621M

Weiterführende Literatur

Nordlund, Å., Stein, R. F., & Asplund, M., "Solar Surface Convection", 2009, Living Reviews in Solar Physics, 6, 2


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Letzte Änderung: 27.3.2013