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  Aktuelle Forschung :: Mai 2010 Zur Übersicht

Elemente der Eisengruppe in metallarmen Sternen

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) analysierten die Häufigkeiten von Elementen der Eisengruppe in kühlen Unterzwergsternen im galaktischen Halo und der galaktischen Scheibe. Diese Sterne scheinen arm an Metallen zu sein und zeigen Abweichungen von der chemischen Zusammensetzung der Sonne. Das Verhältnis verschiedener Elemente zueinander zeigt klare Trends, was den Astronomen neue Einsichten in die Bildung von Elementen bei der explosiven Nukleosynthese in Supernovae verschafft. Diese Ergebnisse haben auch interessante Auswirkungen auf die Theorie der chemischen Evolution in unserer Galaxie.

Abb. 1: Termschema für das neutrale Ti-Atom; die Ionisationsenergie beträgt 6.82 eV. Das Diagramm zeigt die atomaren Energieniveaus und die erlaubten Strahlungsübergänge dazwischen, die in die simultane Lösung der Gleichungen für Strahlungstransport und statistisches Gleichgewicht einfließen.

Abb. 2: Verhältnis der Häufigkeiten die für einige metallarme Galaxiensterne als Funktion ihrer Metallizität mit NLTE- (schwarze Kreise) und LTE-Annahmen (blaue Kreise) berechnet wurden. Zum Vergleich ist das Häufigkeitsverhältnis für andere galaktische Feldsterne unter der Annahme von LTE (leere Symbole und Kreuze) aus anderen Veröffentlichungen aufgetragen (Gratton & Sneden 1991, Johnson 2002, Reddy et al. 2003, 2006). Bild oben: die Häufigkeiten von Kobalt relativ zur Sonne und normiert mit den Eisenhäufigkeiten, [Co/Fe] gegen [Fe/H]. Bild unten: dasselbe für Chrom, [Cr/Fe] gegen [Fe/H].

Vor einigen Jahrzehnten basierte unser Verständnis der chemischen Evolution der Milchstrasse auf zwei Beobachtungstatsachen. Zum einen ähnelte die chemische Zusammensetzung von alten, massearmen Sternen im Halo stark der Zusammensetzung unserer Sonne, wenn man sie an ihre geringe Metall-Häufigkeiten anpasste. Zum anderen waren die Elementhäufigkeiten in Sternen der Scheibe - inklusive unserer Sonne - identisch (mit einem Fehler von etwa 50%). Diese "Tatsachen" konnten einfach durch das monolithische Kollapsszenario für Galaxienentstehung beschrieben werden, bei dem sich Scheibengalaxien durch den Kollaps einer großen Gaswolke bilden. Im Rahmen dieses Szenarios fand die stellare Nukleosynthese aller schweren Elemente oder Metalle statt bevor der Halo kollabierte und eine Scheibe bildete, d.h. während der ersten 0,1—0,3 Milliarden Jahre in der frühen Galaxienentwicklung. Man nahm an, dass sich die mittlere Zusammensetzung der interstellaren Materie (ISM) seitdem nicht grundlegend geändert hat.

Fortschritte bei den Instrumenten und Methoden zur Spektralanalyse ermöglichten es in den letzten 20 Jahren die Häufigkeiten in Sternen mit einem Fehler von nur etwa 10% zu berechnen. Das brachte interessante Regelmäßigkeiten bei den unterschiedlichen Häufigkeiten von Sternen in verschiedenen Populationen ans Licht. So deuteten beispielsweise Regelmäßigkeiten bei den so genannten Alpha-Elementen (z.B. O, Mg, Ca) oder bei Elementen der Eisengruppe (Kernladungszahlen 22 < Z < 28, d.h. Ti, V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni) darauf hin, dass die chemische und dynamische Evolution unserer Galaxie in der Tat sehr komplex ist. Die verschiedenen Strukturen der Milchstrasse (Scheibe, Bulge, Halo, Kugelsternhaufen) bildeten sich auf unterschiedlichen Zeitskalen und durch unterschiedliche Mechanismen, unter anderem auch durch Verschmelzung mit Satellitengalaxien und durch Akkretion von Gas aus dem intergalaktischen Medium.

Seltsamerweise können auch heute noch die modernsten chemischen Evolutionsmodellen die beobachteten Häufigkeitsverteilungen der verschiedenen Elemente der Eisengruppe in metallarmen Sternen der Milchstrasse nicht gleichzeitig erklären. Spektroskopische Studien zeigen bei abnehmender Metallizität abnehmende [Cr/Fe] und wachsende [Ti/Fe] Verhältnisse, während das [Co/Fe] Verhältnis bis zu den geringsten Metallizitäten dem unserer Sonne entspricht. (Die eckigen Klammern geben an, dass die logarithmischen relativen Häufigkeiten dieser zwei Elemente in einem Stern relativ zur ihrem Verhältnis in der Sonne bestimmt werden.) Diese Trends widersprechen der Theorie der stellaren Nukleosynthese und ihrer Vorhersage, dass stabile Kerne mit ungerader Kernladungszahl (V, Mn, Co) gegenüber stabilen Kernen mit gerader Kernladungszahl (Cr, Fe, Ni) in einer metallarmen Umgebung unterdrückt werden.

Obwohl die meisten Studien dieses Problem Mängeln der Modellierung der chemischen Evolution der Milchstrasse zuschreiben, beunruhigte uns die Genauigkeit der spektroskopisch bestimmten Häufigkeiten in Sternen. Tatsächlich enthalten alle vorherigen Abschätzungen der Häufigkeiten von Eisengruppenelementen einen systematischen Fehler, da sie nicht das wahre kinetische Gleichgewicht (auch bekannt unter dem Namen Nicht-lokales thermodynamisches Gleichgewicht NLTE) eines Elements durch die gesamte stellare Atmosphäre betrachten. NLTE-Berechnungen berücksichtigen explizit die Wechselwirkung der Atome mit dem Strahlungsfeld, indem sie die Gleichungen für Strahlungstransfer und statistisches Gleichgewicht für jedes atomare Energieniveau und jede Ionisierungsstufe lösen.

Wir erstellten vollständige atomare Modelle für mehrere Elemente der Eisengruppe und führten zum ersten Mal NLTE-Berechnungen zur Bildung spektraler Linien für neutrale Atome und einfach geladene Ionen durch, mithilfe von Modellen der Sternatmosphären. Die synthetischen Spektren wurden dann mit beobachteten Spektren von metallarmen Feldsternen unserer Galaxie und des Kugelsternhaufens Omega Centauri verglichen, um die Elementhäufigkeiten abzuleiten.

Anders als in früheren Studien stellen wir fest, dass metallarme galaktische Sterne große Mengen des Elements Kobalt (mit ungerader Kernladungszahl) enthalten, aber fast solare Anteile von Chrom (gerade Kernladungszahl) und Mangan (ungerade Kernladungszahl) relativ zu Eisen. Die Titanhäufigkeiten in metallarmen, galaktischen Sternen folgen dem bekannten Trend von Alpha-Elementen (Mg, Ca) mit [Fe/H]. Das Verhalten von [Cr/Fe] mit [Fe/H] kann zwar mit chemischen Evolutionsmodellen der Milchstrasse reproduziert werden ohne zusätzliche Annahmen machen zu müssen, wie beispielsweise besondere Bedingungen im ISM. Allerdings sind die Modelle immer noch völlig unzureichend um die Halo-Trends von [Mn/Fe], [Co/Fe], und [Ti/Fe] zu reproduzieren. Diese relativen Häufigkeiten hängen nur wenig von dem Großteil der Parameter in den chemischen Evolutionsmodellen ab, außer für die stellare Nukleosynthese, die durch eine theoretisch berechnete Element-Ausbeute für Sterne unterschiedlicher Masse und Metallizität ausgedrückt wird. Elemente der Eisengruppe werden beim explosiven Brennen von Silizium erzeugt, das entweder in massereichen Sternen stattfindet, bei deren Explosion als Supernova vom Typ II, oder bei explodierenden Weissen Zwergen in Binärsystemen (Supernova vom Typ Ia). Unsere Ergebnisse sind deshalb nützlich um die Modelle von Supernovae und die Eigenschaften ihrer Vorläufer einzugrenzen.

Für Riesensterne im Kugelsternhaufen Omega Centauri fanden wir ein interessantes Muster bei den Mangan-Häufigkeiten. Die Werte für [Mn/Fe] bei metallarmen Sternen in Omega Centauri ([Fe/H] ~ -1,5 ... -1,8) überlappen sich mit denen von Halo-Sternen der Milchstrasse. Allerdings nimmt [Mn/Fe] in zwei metallreicheren Sternen im Roten-Riesen-Ast von Omega Centauri ab, im Unterschied zu Sternen der galaktischen Scheibe. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Supernovae mit niedriger Metallizität (vom Typ II oder Ia) die Anreicherung von Sternen mit mehr Metallen in diesem Kugelsternhaufen dominierten.

Die Analyse der Häufigkeiten von Elementen der Eisengruppe in alten, metallarmen Sternen eröffnet viele Möglichkeiten. Sie ist nicht nur als Diagnosewerkzeug für die physikalischen Bedingungen in den Sternatmosphären nützlich, sondern eignet sich auch, um die Nukleosynthese in Supernovae, die Anreicherung des ISM mit chemischen Elementen und damit die chemische Evolution der Milchstrasse und von Galaxien im Allgemeinen besser zu verstehen.


Maria Bergemann


Veröffentlichungen:

M. Bergemann and G. Cescutti, 2010, submitted to A & A
Bergemann et al., 2010, MNRAS 401, 1334-1346
K. Cunha, V. V. Smith, M. Bergemann, N. Suntzeff and D. Lambert, 2010, submitted to ApJ



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Letzte Änderung: 29.4.2010