Einfluss von Galaxien-Wechselwirkungen auf Sternentstehung und Aktivität der zentralen Schwarzen Löcher

Forschern des Max-Planck-Instituts für Astrophysik ist es jetzt in Zusammenarbeit mit Kollegen aus den USA und China gelungen, den Zusammenhang zwischen der Sternentstehung, der Aktivität des zentralen Schwarzen Lochs in Galaxien und den Wechselwirkungen zwischen benachbarten Galaxien zu ergründen. Dabei wurden komplexe statistische Verfahren auf den umfangreichen Galaxienkatalog angewendet, der mit den Daten des Sloan Ditigal Sky Survey (SDSS) erstellt werden konnte.

Abb. 1: Dieses Foto zeigt ein spektakuläres Beispiel zweier interagierender Galaxien, welche ungefähr 300 Millionen Lichtjahre entfernt im Sternbild Coma Berenices zu finden sind. Wegen der langen Schweife aus Gas und Sternen, die von den Galaxien ausströmen, haben sie den Spitznamen "The Mice" ("Die Mäuse") erhalten. In den Spiralarmen der Galaxien wie auch in den Schweifen befinden sich viele blaue und damit junge Sterne und Sternhaufen, die von den Gezeitenkräften hervorgebracht werden. The Mice zeichnen das Schicksal der Milchstraße vor, die voraussichtlich in ein paar Milliarden Jahren mit unserer Nachbargalaxie, dem Andromedanebel (M31) kollidieren wird. Obiges Bild ist aus drei Fotoreihen zusammengesetzt, welche am 7. April 2002 mit der 'Advanced Camera for Surveys' (ACS), der neuesten Kamera an Bord von NASAs 'Hubble Space Telescope' (HST), aufgenommen wurden.

Abb. 2: Die y-Achse zeigt die durchschnittliche Anzahl von Nachbarn um diejenigen Galaxien, die derzeit neue Sterne bilden. Die x-Achse gibt an, in welchem Abstand die Nachbargalaxien gefunden wurden. Die Entfernung ist in Mpc angegeben, äquivalent zu einer Million Parallaxensekunden, wobei eine Parallaxensekunde ungefähr 3,3 Lichtjahren entspricht. Die unterschiedlichen Symbole deuten unterschiedliche spezifische Sternentstehungsraten an, log(SFR/M*), wobei SFR/M* die Sternentstehungsrate im Verhältnis zur gesamten stellaren Masse der Galaxie angibt. Es sei darauf hingewiesen, dass die spezifischen Sternentstehungsraten als Logarithmen angegeben sind. Für eine typische Galaxie wie unsere Milchstraße, welche einige 10 Milliarden sonnenähnliche Sterne enthält, bedeutet log(SFR/M*) = - 9, dass ~10 Sterne pro Jahr neu entstehen. Folglich kennzeichnet log(SFR/M*) = - 10 eine um den Faktor 10 reduzierte Sternentstehungsrate. Die dargestellten Graphen zeigen deutlich, dass Galaxien schneller Sterne bilden, wenn sie unmittelbare Nachbarn haben.

Abb. 3: Wie Abb. 2, mit dem Unterschied, dass nun die Ergebnisse für Galaxien mit aktiven Zentren (AGN) dargestellt sind. Die verschiedenen Symbole bezeichnen unterschiedliche Akkretionsraten der zentralen Schwarzen Löcher, die durch das Verhältnis der Sauerstoff-Emissionslinie zur Masse des Schwarzen Loches angegeben werden.

Aktive Galaxienzentren (Active Galactic Nuclei, AGN) gehören zu den spektakulärsten Erscheinungen in unserem Universum. Hierbei werden extrem hohe Mengen an Energie von winzigen Raumgebieten im Zentrum der aktiven Galaxien ausgestrahlt. Gebiete von weniger als einem Lichtjahr Durchmesser leuchten dabei zuweilen heller als 10.000 gewöhnliche Galaxien. In letzter Zeit hat sich unter den Astronomen die Auffassung durchgesetzt, dass AGN durch die Akkretion von Materie in das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie zum Leuchten gebracht werden. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass die zentrale Aktivität mit einer sprunghaften Zunahme der Sternentstehung in sehr viel ausgedehnteren Raumgebieten der Galaxie einhergeht. Ein Hauptziel bei der Beschäftigung mit AGN ist es deshalb, zu verstehen, wie die Akkretion in das Schwarze Loch ausgelöst wird und warum diese Aktivität in der zentralen Region der Galaxie mit einer so stark erhöhten Sternentstehungsrate einhergeht. Numerische Simulationen deuten darauf hin, dass Gravitationswechselwirkungen zwischen Galaxien, die sich nahe kommen, Gas von der äußeren Scheibe in die zentralen Bereiche bringen und somit Sternentstehung und Akkretion in das Schwarze Loch anregen können. Aus der Empirie ist seit langem bekannt, dass Wechselwirkungen zwischen Galaxien mit erhöhter Sternentstehungsaktivität einhergehen. Jedoch gab es bisher keine eindeutigen Hinweise auf eine vergleichbare Erhöhung der Aktivität des zentralen Schwarzen Loches aufgrund von Interaktion.

Galaxien sind nicht isoliert. Nach allgemeiner Auffassung haben die meisten Galaxien während der Entwicklung des Universums auf irgendeine Weise gravitativ interagiert oder sind sogar erst durch die Verschmelzung mehrerer Vorgängergalaxien entstanden (Abb. 1 zeigt ein Beispiel für interagierende Galaxien). Man nimmt sogar an, dass Interaktionen und Verschmelzungen eine dominierende Rolle in zumindest vier wichtigen Punkten der Entstehung und Entwicklung von Galaxien einnehmen. Erstens entstehen Galaxien nach dem derzeit populären Bild der 'hierarchischen Strukturbildung' durch die Verschmelzung von kleineren Vorgängergalaxien. Zweitens zeigen numerische Simulationen, dass sich gasreiche Spiralgalaxien durch Verschmelzung in gasarme elliptische Galaxien verwandeln können (linkPfeil.gifAktuelle Forschung Februrar 2005). Drittens zeigen interagierende Galaxien häufig eine erhöhte Sternentstehungsrate. Dies kann durch den Umstand erklärt werden, dass das Gas in den Galaxien durch die Gezeitenkräfte an Drehimpuls verliert und dadurch von der Gravitation ins Zentrum gezogen werden kann. Dort wird das Gas komprimiert, was eine explosionsartige Sternentstehungsphase zur Folge haben kann. Viertens nimmt man an, dass ein Bruchteil dieses Gases vom zentralen supermassiven Schwarzen Loch geschluckt wird und dadurch Aktivität im Zentrum der Galaxie auslöst. Solche Galaxien bezeichnet man als aktive Galaxien (Active Galaxies), und ihre Zentralbereiche werden AGN (Active Galactic Nuclei) genannt.

Die beobachtete starke Korrelation zwischen der Masse der Schwarzen Löcher und der Gesamtmasse der Sterne in der zentralen sphäroidalen Komponente der Galaxien, dem sogenannten Bulge, unterstützt die Hypothese vom Zusammenhang zwischen Galaxieninteraktion und Gasakkretion in das Schwarze Loch (linkPfeil.gifAktuelle Forschung April 2005, linkPfeil.gifAktuelle Forschung August 2007). Zahlreiche theoretische Modelle wurden entwickelt, welche die Aktivität des zentralen Schwarzen Loches mit Interaktionen und Verschmelzungen von Galaxien in Verbindung bringen (linkPfeil.gifAktuelle Forschung Februar 2005). Bisher fehlte es jedoch an klaren empirischen Belegen für diese Hypothese.

Die umfangreichen Rotverschiebungskataloge, die in den letzten Jahren erstellt wurden, insbesondere der 'Sloan Digital Sky Survey' (linkPfeilExtern.gifSDSS), stellen die Winkelpositionen und Rotverschiebungen für Hunderttausende von Galaxien zur Verfügung und erlauben den Astronomen, detaillierte Karten von der räumlichen Verteilung der Galaxien zu erstellen (linkPfeil.gifAktuelle Forschung Februrar 2006). Die Kataloge beinhalten auch optische Spektren und ermöglichen somit die Bestimmung physikalischer Eigenschaften der Galaxien, wie zum Beispiel ihrer gesamten stellaren Masse, ihrer Sternentstehungsrate oder der Massenakkretionsrate des zentralen supermassiven Schwarzen Loches (linkPfeil.gifAktuelle Forschung Januar 2003). Mithilfe neuer Daten konnten die Forscher nun ein detailliertes Bild vom Zusammenhang zwischen der Sternentstehungsrate, der Aktivität des zentralen Schwarzen Loches und den Galaxieninteraktionen ausarbeiten.

Eine entsprechende Untersuchung wurde kürzlich von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (Cheng Li, Guinevere Kauffmann und Simon White) zusammen mit Kollegen der John Hopkins University (Timothy Heckman) und des Shanghai Astronomical Observatory (Yipeng Jing) vorgelegt. Die Forscher analysierten die SDSS Datensätze mit unterschiedlichen statistischen Verfahren und konnten zeigen, dass Galaxien höhere Sternentstehungsraten aufweisen, wenn sich eine weitere Galaxie in unmittelbarer Nachbarschaft befindet. Dieses Verhalten ist unabhängig davon, ob das Schwarze Loch im Zentrum aktiv ist (Masse akkretiert) oder nicht. Im Gegensatz dazu wird die Akkretionsrate des Schwarzen Loches nicht von der An- oder Abwesenheit einer Nachbargalaxie beeinflusst. Nun haben vorangegangene Studien bewiesen, dass eine starke zentrale Aktivität oft mit einer starken Erhöhung der Sternentstehungsrate einhergeht. Dieser Effekt wird als Starburst-AGN-Verbindung bezeichnet (linkPfeil.gifAktuelle Forschung Januar 2003). Somit muss zwischen der Erhöhung der Sternentstehungsrate aufgrund von Interaktionen und der Erhöhung der Sternenstehungsrate, die mit der Massenakkretion des Schwarzen Loches einhergeht, streng unterschieden werden. Jedoch können diese unterschiedlichen Ereignisse Bestandteile ein und desselben langfristigen Prozesses sein, beispielsweise eines Verschmelzungsprozesses, vorausgesetzt sie laufen zeitlich voneinander getrennt ab. In diesem Fall würde die Massenakkretion des Schwarzen Loches und die damit verknüpfte Sternentstehung erst stattfinden, nachdem zwei interagierende Galaxien miteinander verschmolzen sind.


Cheng Li


Veröffentlichungen:

Cheng Li, Guinevere Kauffmann, Timothy M. Heckman, Simon D. M. White and Y. P. Jing, "Interactions, star formation and AGN activity", 2008, Monthly Notices of Royal Astronomical Society, in press linkPfeilExtern.gifarXiv:0712.0383

Cheng Li, Guinevere Kauffmann, Timothy M. Heckman, Y. P. Jing and Simon D. M. White, "Interaction-induced star formation in a complete sample of 105 nearby star-forming galaxies", 2008, Monthly Notices of Royal Astronomical Society, in press linkPfeilExtern.gifarXiv:0711.3792

Cheng Li, Guinevere Kauffmann, Lan Wang, Simon D. M. White, Timothy M. Heckman and Y. P. Jing, "The clustering of narrow-line AGN in the local Universe", 2006, Monthly Notices of Royal Astronomical Society, 373, 457-468 linkPfeilExtern.gifastro-ph/0607492