MPA-STARTSEITE 
Zurueck zur Startseite
 

  Aktuelle Forschung :: April 2005 Zur Übersicht

Das parallele Leben von supermassiven schwarzen Löchern und ihren Muttergalaxien

Forscher am Max Planck Institut für Astrophysik benützen die neuesten Erkenntnisse aus Röntgen- und optischen bzw. Infrarotbeobachtungen, um das gleichzeitige Wachstum von schwarzen Löchern und Galaxien in die Vergangenheit zurückzuverfolgen bis zu der Zeit, als das Universum erst ein Fünftel des heutigen Alters hatte. Sie fanden heraus, daß diejenigen schwarzen Löchern, welche häufig in galaktischen Kernen beobachtet werden, sich früher bildeten und langsamer entwickeln mußten als die Sterne in diesen Galaxien.

Abb. 1: Eine schematische Darstellung der Masse der schwarzen Löcher und der sie umgebenden Spheroide, wie sie im lokalen Universum beobachtet wird. Dank: NASA and A. Feild (STScI)

Abb. 2: Die obere Graphik zeigt die Entwicklung der stellaren Massendichte (durchgezogene Linie mit dunkelrot schattiertem Gebiet) als Funktion der Rotverschiebung, z (wobei z=0 der heutigen Zeit und z=3 ungefähr einer Zeit vor 10 Milliarden Jahren entspricht). Die Dichte wird im Verhältnis zum jetzigen Wert angegeben. Die vorhergesagte stellare Massendichte wurde mit Hilfe der Entwicklung der Massendichte in schwarzen Löchern berechnet. Zusätzlich wird die relative Aufteilung der Gesamtmassendichte der Sterne in Spheroids (gestrichelt, orange schattiert) und Scheiben- sowie irreguläre Galaxien gezeigt (gepunktet, hell-orange schattiert). Dies zeigt, daß die stellare Masse in Galaxien fast gleich zwischen dem Bulge und Scheiben-/irregulären Galaxien in der Vergangenheit aufgeteilt war, jedoch in der Gegenwart durch Bulge dominiert wird. Die untere Graphik zeigt die Entwicklung der Sternentstehungsrate (durchgezogene Linie mit dunkelblau schattiertem Gebiet) und die entsprechende Akretionsratendichte der schwarzen Löcher (punkt-gestrichelt) umskaliert mit einem Faktor von ungefähr Tausend. Seit z=2, wuchsen schwarze Löcher langsamer als die Masse in der Sternpopulation, wie durch die punkt-gestrichelte Linie gezeigt wird, die schnell in Richtung z=0 abnimmt. Die Datenpunkte sind eine Sammlung von allen erhältlichen Messungen der stellaren Gesamtmassendichte (obere Graphik) und der Dichte der Sternentstehungsrate (untere Graphik) im Universum als Funktion der Zeit.

Schwarze Löcher mit den Massen von einigen Millionen bis hin zu einer Milliarde Sonnenmassen befinden sich in den Zentren naher Galaxien. Noch bemerkenswerter sind neueste Beobachtungen, welche zeigen, daß die Masse des zentralen schwarzen Loches eng mit der Gesamtmasse (und damit der Leuchtkraft) der Sterne korreliert, welche sich in der zentralen spheroidalen Komponente von Galaxien befinden, dem sogenannten Bulge. Je größer die Masse des schwarzen Loches, desto größer ist der Bulge (siehe Abb. 1). Diese Entdeckungen implizieren, daß die Bildung des galaktischen Spheroids (und der Galaxien selbst) eng mit dem Wachstum des zentalen schwarzen Loches verknüpft sein muß, wie neueste numerische Simulationen am Max Planck Institut für Astrophysik in der Tat zeigen konnten (siehe linkPfeil.gifKollidierende Galaxien wecken schlafende schwarze Löcher).

Im lokalen Universum machen schwarze Löcher einen festen Bruchteil (ungefähr eins zu Tausend) der Masse der sie umgebenden Galaxien aus, wie dies von der Korrelation zwischen schwarzem Loch und Bulge aufgezeigt wird. Darüber hinaus weiß man, daß sie heutzutage mit einer Rate wachsen (immer noch ein Faktor von ungefähr eins zu Tausend), die proportional zur Sternentstehungsrate ist (siehe linkPfeil.gifSchwarze Löcher mit geringer Masse wachsen heute immer noch). Aber war dies auch in der Vergangenheit so?

Durch Beobachtungen von aktiven galaktischen Kernen (engl.: Active Galactic Nuclei, AGN) und Quasaren (engl.: QSOs), welche die leistungsstärkste Klasse von AGN darstellen, wissen wir, daß sich schwarze Löcher zu einer Zeit entwickelten, als Galaxien noch im Aufbau begriffen waren. Dem Standardbild zufolge wird der AGN durch die Freisetzung von gravitativer Bindungsenergie der auf das supermassive schwarze Loch fallenden Materie versogt. Wenn man deshalb die Strahlungsmenge mißt, die der AGN emittiert, gewinnt man Erkenntnisse darüber, wie schnell schwarze Löcher wachsen. Andrea Merloni, Gregory Rudnick und Tiziana Di Matteo (Max Planck Institut f\"ur Astrophysik) haben die neuesten Informationen über die Evolution der AGN Population über die kosmische Zeit zusammengetragen, und leiteten daraus die Entwicklung des Massenwachstums der schwarzen Löcher in Galaxien ab. Daraufhin haben sie diese mit allen vorhandenen Messungen der gesamten stellaren Masse in Galaxien sowie ihrer Entstehungsrate seit frühester kosmischer Zeit (vor ungefähr 10 Milliarden Jahren) bis heute verglichen.

Abbildung 2 illustriert die erhaltenen Resultate in den Einzelheiten. Die obere Graphik zeigt die Entwicklungsdaten der beobachteten stellaren Massendichte im Universum (Gesamtmasse in Sternen pro Einheitsvolumen) als Funktion der Zeit, zusammen mit der besten Näherung, welche von der bekannten Entwicklung der Massendichte der schwarzen Löcher berechnet wurde. Die Vorhersage (durchgezogene Linie) impliziert ein sich änderndes Verhältnis zwischen der Masse schwarzer Löcher und der entsprechenden Masse im Galaxienspheroid. Die untere Graphik zeigt die Entwicklung der Sternentstehungsrate und die entsprechende Wachtumsrate der schwarzen Löcher (umskaliert mit einem Faktor von ungefähr Tausend).

Diese Studie zeigt zum ersten Mal, daß die Korrelation zwischen der Masse schwarzer Löcher und den Eigenschaften des galaktischen Spheroids, welche im lokalen Universum beobachtet wird, sich mit der Zeit entwickelte und in der Vergangenheit verschieden war. Schwarze Löcher und Bulges wachsen in der Tat gleichzeitig, jedoch nicht mit derselben Rate. Die Wissenschaftler fanden heraus, daß supermassive schwarze Löcher sich früher als der Bulge bildeten: Vor 10 Milliarden Jahre waren sie ungefähr 1.7 mal größer als die sie umgebende Spheroide, verglichen mit dem heutigen Verhältnis. Seit damals wuchsen die schwarzen Löcher weniger verglichen mit der Wachstumsrate des sie umgebenden Spheroids.

Diese Resultate, zusammen mit zukünftigen empfindlichen Beobachtungen weiter entfernter Galaxien und Quasaren, wird es den Wissenschaftler ermöglichen besser zu verstehen, wie die ersten Sterne und schwarzen Löcher im frühen Universum entstanden.


Andrea Merloni


Weitere Informationen (auf Englisch):

A. Merloni, G. Rudnick & T. Di Matteo: Tracing the cosmological assembly of stars and supermassive black holes in galaxies, MNRAS, 356, L1, 2004


drucken.gif Druckversion topPfeil.gif Top
© 2003—2022, Max-Planck-Gesellschaft, München
Letzte Änderung: 31.3.2005