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Supernova-Problem noch immer ungelöst


Am Max-Planck-Institut für Astrophysik wurden die weltweit besten Computersimulationen zum Gravitationskollaps massereicher Sterne durchgeführt. Obwohl dabei die Wechselwirkungen von Elementarteilchen mit bislang unerreichter Genauigkeit berücksichtigt wurden, gelang es dennoch nicht, Supernova-Explosionen im Modell nachzuvollziehen.


Simulation einer Supernova

Bild 1: Vier Zeitpunkte während der Simulation des Kollapses eines rotierenden Sterns mit der 15-fachen Masse der Sonne. Die Bilder zeigen gewaltige (konvektive) Materiewirbel im Gebiet des Neutrinoheizens um den zentralen Neutronenstern. Zwischen 0.18 Sekunden (links oben) und rund 0.26 Sekunden (rechts unten) nach der Neutronensternentstehung sieht man starke Pulsationen und Deformationen der Supernova-Stoßwelle, die am Übergang zwischen Blau und Grün zu erkennen ist. Das dargestellte Raumgebiet hat eine Kantenlänge von 620 Kilometern, die Rotationsachse verläuft senkrecht durch das Zentrum (MPEG-Film (4.4M)).


Stossradius als Funktion der Zeit

Bild 2: Zeitliche Veränderungen des mittleren Stoßradius für drei Simulationen von Sternen unterschiedlicher Masse (von oben nach unten: 11.2, 15 und 20 Sonnenmassen). In keinem Fall expandiert der Stoß weiter als maximal 250 Kilometer, es erfolgt keine Explosion. Die dünnen Linien zeigen Ergebnisse kugelsymmetrischer Simulationen im Vergleich zu den zweidimensionalen Modellen, in denen heftige Materiebewegungen durch Konvektion eine wichtige Rolle spielen.


Sterne mit einer Masse von mehr als dem Zehnfachen der Sonne entwickeln Zentralbereiche aus Eisen. Diese werden schließlich instabil und kollabieren unter ihrer eigenen Schwerkraft zu Neutronensternen. Im Innern solcher Neutronensterne herrschen Atomkerndichten und anfangs extrem hohe Temperaturen von weit über 100 Milliarden Grad. Bei solch extremen Bedingungen werden durch Teilchenreaktionen in riesiger Zahl Neutrinos erzeugt. Diese Elementarteilchen sind elektrisch neutral und besitzen eine Masse von weniger als einem Millionstel eines Elektrons. Nach vielen Wechselwirkungen gelingt es ihnen, aus dem dichten Zentrum zu entweichen. Bevor sie den Stern jedoch verlassen, übertragen sie einen kleinen Teil ihrer Energie an die immer noch zusammenstürzende Sternmaterie außerhalb des Neutronensterns.

Dieses Neutrinoheizen gilt als Ursache für die gewaltige Supernova-Explosion, die den Stern gewaltsam zerstört und eines der hellsten Ereignisse im Universum darstellt. Supernovae sind die Geburtsstätten von Neutronensternen und Schwarzen Löchern. Sie erzeugen auch chemische Elemente wie Eisen, Silizium und Sauerstoff, ohne die es weder Planeten wie die Erde noch menschliches Leben gäbe. Ein genaues Verständnis des Mechanismus, der die Explosion auslöst, ist deshalb von grundlegender Wichtigkeit für eine Vielzahl astrophysikalischer Fragen. (siehe Wie explodieren massereiche Sterne?")

Eine Gruppe von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Astrophysik hatte sich daher das Ziel gesetzt, die bestehende Theorie mit bislang unerreichter Genauigkeit zu überprüfen. Mit Hilfe eines neu entwickelten Computerprogramms wurden dazu Simulationen auf dem größten deutschen Supercomputer, dem IBM "Regatta" Parallelrechner des Rechenzentrums der Max-Planck-Gesellschaft in Garching, durchgeführt. Mehrere hunderttausend Billionen (mehrere 10^17) Rechenoperationen waren notwendig, um erstmals die Erzeugung und Wechselwirkungen von Neutrinos mit großer Genauigkeit zu verfolgen. Diese Rechnungen gehören damit zu den aufwändigsten, jemals durchgeführten Computersimulationen. Auch die Rotation des kollabierenden Sterns und großskalige, anisotrope Plasmabewegungen wurden berücksichtigt. Die zuletzt erwähnten konvektiven Vorgänge waren in früheren Modellrechnungen bereits als hilfreich für die Explosion erkannt worden, da sie einerseits den Energietransport im Neutronenstern beschleunigen, andererseits den Energieübertrag durch Neutrinos auf das umgebende stellare Gas erhöhen.

Das Ergebnis dieser weltweit führenden Supernova-Simulationen ist jedoch enttäuschend: Die Modelle zeigen keine Explosionen. Dieses negative Resultat erschüttert das weitgehend akzeptierte Bild vom Beginn der Explosion. Die Theorie muss ihre Vorstellungen revidieren und neu durchdenken. Was fehlt in den gegenwärtigen Modellen? Verstehen wir die Eigenschaften von Materie bei Neutronensterndichten hinreichend gut? Verstehen wir, wie Neutrinos mit den Teilchen des dichten Plasmas wechselwirken? Sind dreidimensionale Effekte wichtig und erfassen somit die momentanen Simulationen in zwei Raumdimensionen entscheidende Physik nicht? Kann man Magnetfelder wirklich vernachlässigen, wie dies im Augenblick geschieht?

Die aktuellste Generation hochgenauer Supernova-Modelle läßt diese Probleme in neuem Licht erscheinen. Die ungelösten Rätsel der Supernova-Theorie werden Astrophysiker, Kernphysiker und Teilchenphysiker wohl noch für viele Jahre beschäftigen.



Robert Buras, Konstantinos Kifonidis, Markus Rampp
und Hans-Thomas Janka



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  Last modified: Fri May 30 17:52:03 CEST 2003     •     Comments to: info@mpa-garching.mpg.de