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Eingefrorene Akkretion und Spektakuläre Röntgenblitze von dem Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstrasse


Wissenschaftler am MPA vermuten, dass eine kalte, inaktive Akkretionsscheibe das Schwarze Loch im Zentrum underer Galaxie umgibt. Diese neuartige Hypothese kann zwei seit langem bestehende Fragen über die Natur "unseres" Schwarzen Loches auf einmal klären: Warum derzeit keine nennenswerte Akkretion stattzufinden scheint, und was die Ursache für die häufig auftretenden hellen Röntgenstrahlungsausbrüche ist.


star passing through a disk

Abbildung 1: 2D Hydrodynamische Simulation eines Sterns, der durch eine inaktive, kalte Scheibe fliegt. Der Stern wird als feste Kugel mit 1011 cm Radius im Zentrum des Koordinatensystems x,z=0,0 modelliert. Das linke Bild zeigt die Gasdichte, wobei Rot das ungeschockte und Gelb das geschockte Gas darstellt. Der Stern bewegt sich entlang der X-Achse nach oben und bohrt so ein schmales Loch in die Scheibe. Das rechte Bild zeigt die Geschwindigkeitsvektoren.


expected flares and eclipses

Abbildung 2: Beispieltrajektorien von Sternen im Galaktischen Zentrum und die dazugehörigen Röntgenausbrüche und Sternenfinsternisse durch die Scheibe. Der Stern bewegt sich auf der Bahn ABCD und trifft die Scheibe in den Punkten C und D, an denen intensive Röntgenstrahlung abgegeben wird. Die Koordinaten dieser vier Punkte (z.B. CD und EF) definieren die Rotationsebene der Scheibe. Eklipsen in den Punkten A und B definieren ihre Grösse. (Von Nayakshin & Sunyaev 2003).


Das Zentrum unserer Galaxie beherbergt ein supermassives Schwarzes Loch, etwa 3 Millionen mal schwerer as unsere Sonne ( Schoedel et al. 2002 ; siehe auch: T. Ensslin's Beitrag ). Ein langhjähriges Geheimnis ist die Frage, warum diese Schwarze Loch nur etwa 0.01% der Leuchtkraft emittiert, die man angesichts der Akkretion des im Galaktischen Zentrums vorhandenen Gases erwarten würde. Wissenschaftler am MPA haben nun vorgeschlagen, dass eine kalte, inaktive Gasscheibe das Schwarze Loch umgibt, die ein Überbleibsel ehemals heftiger Akkretion darstellt.

Obwohl die Scheibe zu kalt ist (etwa 100 K), um direkt beobachtbar zu sein, enthält sie doch wesentlich mehr Gas, als die emittierten Röntgenstrahlen vermuten lässt. Die neuen Forschungsergebnisse erklären dies dadurch, dass heisses Gas seine Wärmeenergie sehr schnell durch Wärmeleitung abgibt, sobald es mit dem kalten Gas in Kontakt kommt. Der heisse Akkretionsfluss wird damit gewissermassen eingefroren und sackt in grosser Entfernung vom Schwarzen Loch in eine inaktive Scheibe zusammen. Da das heisse Gas so davon abeghalten wird, in den Potentialtopf the Schwarzen Lochs zu fallen, wird nur sehr wenig Röntgenstrahlung produziert ( Nayakshin 2003 ).

Das zweite Geheimnis, das das Galaktische Zentrum birgt, sind die hellen, etwa tägliche stattfindenden Röntgenstrahlungsausbrüche, die die Helligkeit um einen Faktor hundert heraufschnellen lassen können.  Diese Ausbrüche wurden vor zwei Jahren entdeckt ( Baganoff et al. 2001 ). und sind so einzigartig, dass sich dafür bisher keine Erklärung fand. Die Hypothese einer inaktiven Scheibe, die von den MPA Wissenschaflern aufgestellt wurde, bietet hierfür nun eine ganz natürliche und durch Beobachtungen verifizierbare Erklärung. Sie baut auf der Tatsache, dass das innerste Zentrum unserer Galaxie tausende von Sternen beherbergt (zu sehen in der Animation der MPE Infrarotgruppe). Diese Sterne rotieren mit aussergewöhnlich hohen Geschwindigkeiten um das supermassive Schwarze Loch und stossen, grob gesagt, zweimal pro Orbit mit der inaktiven Scheibe zusammen. Während sie durch die Scheibe fliegen, verursachen die Sterne Schockwellen, die Röntgenstrahlung abgeben (Abb. 1). Die Eigenschaften der Röntgenausbrüche, die von solchen Ereignissen erzeugt werden, ist den beobachteten Ausbruchen sehr ähnlich (Nayakshin & Sunyaev 2003 ). Ausserdem belegt das Modell, dass ähnliche Zusammenstösse zwischen Sternen und Scheiben in entfernten Galaxien zu schwach sind, um sie zu beobachten. Das erklärt, warum solche Röntgenausbrüche bisher nur in unserem Galaktischen Zetrum beonbachtet worden sind.

Die MPA Wissenschaftler hoffen nun, dass Beobachtungen von solchen Röntgenausbrüchen in Verbindung mit den gleichzeitig stattfindenden Bedeckungen der sie erzeugenden Sterne durch die Scheibe (gewissermassen Sternenfinsternisse, vergl. Abb. 2) es uns ermöglichen werden, die Eigenschaften der inaktiven Scheibe zu ermitteln (also ihre Masse, Grösse, Ausrichtung, und ihren Rotationssinn). Diese Information würde wichtige Hinweise auf die Entstehungsgeschichte des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie liefern. Da dieses Zentrum dem anderer inaktiver Galaxien sehr ähnlich sein dürfte, würde die Entdeckung einer solchen inaktiven Scheibe in unserer Galaxie einen Paradigmenwechsel für den Akkretionsprozess in allen inaktiven Galaxien bedeuten.

Sergei Nayakshin



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  Last modified: Fri Feb 28 18:14:48 CET 2003     •     Comments to: info@mpa-garching.mpg.de