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Die Verbindung zwischen aktiven Galaxienkernen und Ausbrüchen der Sternentstehung


Aktive Galaxienkerne (AGN, engl.: active galactic nuclei) gehören zu den spektakulärsten Objekten des Universums. Sie produzieren erstaunliche Leuchtkräfte (in einigen Fällen soviel wie das 10000-fache der Leuchtkraft einer typischen Galaxie) in winzigen Volumina (deutlich weniger als ein Kubic-Parsec). Die meisten Astronomen glauben, daß sich die Energie dieser AGNs aus der Akkretion auf die extrem massereichen Schwarzen Löcher speist, welche sich im Zentrum jeder Galaxie mit einem sogenannten Bulge (einer zentralen, kugelförmigen Verdickung in der Sternverteilung) befinden.


Seyfert galaxy NGC 7742

Abbildung 1: Der Kern der Seyfert-2 Galaxie NGC 7742. Der klumpige, dicke Ring um den Kern ist ein Gebiet aktiver Sternentstehung. Er ist etwa 3000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt.



Schematic sketch of an AGN

Abbildung 2: Man glaubt, daß die akkretierenden Schwarzen Löcher der meisten AGN mit einem Torus aus staubförmigem Material umgeben sind. In AGNs vom Typ 2 blockiert dieses Material die direkte Beobachtung des Lichts der zentralen Quelle. Strahlung, die senkrecht zu dem Torus entkommen kann, führt allerdings zur Ionisation von Gaswolken in der umgebenden Galaxie, was sich in Form von charakteristischen Emissionslinien im Spektrum der Galaxie zeigt.



Starburst diagnostic diagram

Abbildung 3: Ein Diagramm zur "Diagnose" von Ausbrüchen der Sternentstehung in AGN des Sloan Digital Sky Survey. Die roten und magentafarbenen Punkte zeigen die vorausgesagten Positionen von Galaxien, die mit kontinuierlichen Sternentstehungsraten entstanden sind. Die meisten gewöhnlichen Galaxien (links) liegen nahe an diesen theoretischen Voraussagen. Eine beträchtliche Zahl leuchtkräftiger AGNs (rechts) ist allerdings von der Linie, die von den Modellen mit kontinuierlichen Sternentstehungsraten belegt wird, verschoben. Dies zeigt, daß diese Objekte vor kurzem einen Ausbruch der Sternentstehung erfahren haben müssen.


Eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft aktiver Galaxien ist, daß sie eine sehr starke kosmologische Entwicklung aufweisen. Bei einer Rotverschiebung von 2.5 waren die leuchtkräftigsten aktiven Galaxien etwa eintausendmal zahlreicher als zur heutigen Zeit. Diese starke Entwicklung mit der Rotverschiebung deutet darauf hin, daß die Galaxienentstehung und die Bildung aktiver Galaxienkerne im frühen Universum möglicherweise Hand in Hand erfolgt sind.

Trotz ihrer Häufigkeit ist es nicht möglich, weit entfernte AGN im Detail zu studieren, da das Licht der sie umgebenden Wirtsgalaxien in der Regel zu schwach ist, um beobachtet zu werden. Es ist daher besser, AGN im lokalen Universum zu untersuchen, um die physikalischen Prozesse zu verstehen, die für das "Füttern" des zentralen Schwarzen Lochs verantwortlich sind.

In Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe an der Johns Hopkins University in Baltimore (T. Heckman, C. Tremonti und S. Ridgway) untersuchen Wissenschaftler des MPA einen sehr großen Datensatz von 22000 AGN, welcher aus dem Sloan Digital Sky Survey ausgewählt wurde. Die dabei untersuchten aktiven Galaxien sind AGN vom sogenannten Typ 2. Ein Großteil der Strahlung, die von Materie sehr nahe am Schwarzen Loch erzeugt wird, wird in diesen Objekten von einem zentralen, staubförmigen Torus verdeckt. Allerdings kann Stahlung im rechten Winkel zu der Ebene des Torus entkommen (siehe Abb. 2) und dann Gas, das sich weiter außerhalb in der Galaxie befindet, ionisieren. Dadurch kommt es zur Bildung charakteristischer Emissionslinien im Spektrum der Galaxie, welche zur Diagnostik des Vorhandenseins eines aktiven Kerns dienen können. Der größte Teil der Leuchtkraft, die durch das in das Schwarze Loch einfallende Material erzeugt wird, ist also der direkten Sicht in Typ 2 AGN entzogen. Als Konsequenz ist es nun aber möglich, ein viel klareres Bild der umgebenden Wirtsgalaxie zu erhalten. Man kann dann etwa fragen, in welcher Weise sich Galaxien, die ein aktiv akkretierendes Schwarzes Loch enthalten, von denen mit einem "schlafenden" Loch unterscheiden.

Die wichtigste Schlußfolgerung, die vom MPA/JHU Team in ihren Studien gefunden wurde, ist, daß intensive AGN Aktivität oft mit einem starken, vor kurzem erfolgten Ausbruch der Sternentstehung assoziert ist (siehe Abb. 3). Umgekehrt ist die Sternentstehung in Galaxien, in denen ein schlafendes Schwarzes Loch vorliegt, fast immer annäherend vollständig zum Erliegen gekommen. Diese sogenannte Starburst-AGN Verbindung wurde unter den AGN-Spezialisten viele Jahre lang sehr kontrovers diskutiert. Die Ergebnisse der MPA/JHU Arbeitsgruppe beweisen nun, daß AGN-Aktivität und Sternentstehung in massereichen, bulge-dominierten Systemen untrennbar miteinander verbunden sind.

Astronomen, die sich mit Galaxienentstehung beschäftigen, müssen sich nun der Frage zuwenden, wie die Entstehung und die Fütterung eines zentralen, superschweren Schwarzen Lochs die Entwicklung seiner Wirtsgalaxie beeinflußt.

Guinevere Kauffmann

Weitere Informationen:
Sloan Digital Sky Survey
Untersuchung von Galaxien im Sloan Digital Sky Survey



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  Last modified: Thu Jan 2 17:22:14 CET 2003     •     Comments to: info@mpa-garching.mpg.de