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In Galaxien wie unserer Milchstraße sind nur etwa 20 Prozent der
verfügbaren Baryonen in Sternen gebunden. Einfache physikalische
Überlegungen sagen voraus, dass die meisten der Baryonen sich
abkühlen, zusammenballen und Sterne bilden. Bis zum heutigen Tag
ziehen die Galaxien weiteres Material in der Form von Gas aus ihrer
Umgebung an, wie durch Beobachtungen bestätigt wurde. So werden
insbesondere Wolken aus neutralem Wasserstoff (HI), HI-reiche Zwerge
in der Nähe von Spiralgalaxien, ausgedehnte und verzerrte, äußere
Schichten aus HI in Spiralgalaxien, oder einseitige Galaxienscheiben
als Hinweise darauf gesehen, dass die Gasakkretion in nahen
Spiralgalaxien immer noch andauert. Die gesamte Gasmenge, die eine
Galaxie auf die Weise zusätzlich erhält, ist allerdings viel zu gering
um die beobachteten Sternentstehungsraten von 2-3 Sonnenmassen pro
Jahr in diesen Spiralgalaxien aufrecht zu erhalten. Die Astronomen
versuchten deshalb, Gasakkretion in anderer Form nachzuweisen, wie zum
Beispiel in einer ausgedehnten, heißen, gasförmigen Korona um die
Galaxie, in der Form von ionisiertem Gas bei mittleren Temperaturen
oder als winzige Wolken neutralen Gases (wobei eine
“winzige” Wolke für Astronomen nur etwa tausend bis
hunderttausend Sonnenmassen enthält). Trotz dieser anhaltenden Suche
steht ein handfester Beweis für Gasakkretion allerdings noch aus.
Wenn wir also die Gasakkretion nicht direkt beobachten können, besteht
wenigstens die Hoffnung, dass wir ihre Auswirkungen sehen können?
Semi-analytische Modelle für die Entstehung von Scheibengalaxien, ihre
chemische Entwicklung und Sternentstehung bauen im Allgemeinen auf das
“inside-out”-Bild (wörtlich: “von innen nach
außen”) im Rahmen des kosmologischen Modells mit kalter, dunkler
Materie. In diesem Modell kühlt sich das Gas im Dunklen-Materie-Halo
rund um die Galaxie ab, fällt auf die Galaxie und schürt damit die
Sternentstehung in der Scheibe. Da das Gas dabei seinen Drehimpuls
behält und Gas umso später auf die Galaxie fällt je höher sein
Drehimpuls ist, wandert die Gasakkretion allmählich in die äußeren
Regionen. In diesem Modell sollten Galaxien, die erst kürzlich Gas aus
ihrem Halo aufgenommen haben, nicht nur einen besonders hohen
Gasanteil aufweisen, sondern auch junge äußere Scheiben, in denen
besonders viel Sternentstehung stattfindet.
Um dies zu überprüfen, führten die MPA-Wissenschaftler eine
statistische Studie der Farben, Sternentstehungsraten und des Anteils
an neutralem Wasserstoff (HI) in Galaxien durch. Die dabei
ausgewählten nahen, HI-reichen Galaxien (siehe Abb. 1) wurden dabei
aufgrund von Daten ausgewählt die sowohl vom “Arecibo Legacy
Fast ALFA”-Survey (ALFALFA) als auch vom “GALEX Arecibo
SDSS”-Survey (GASS) stammten.
Galaxien mit mehr Gas sind im Allgemeinen blauer und zeigen aktivere
Sternentstehung. Die neue Studie konnte nun zeigen, dass ein höherer
HI-anteil zusätzlich zu einem Farbgradienten über die Scheibe hinweg
führt: Bei Galaxien mit einem höheren HI-Anteil sind die äußeren
Scheiben blauer und zeigen mehr Sternentstehung als die inneren
Bereiche (siehe Abb. 2). Das bedeutet, dass die äußeren Bereiche der
HI-reichen Galaxien jünger sind. HI-reiche Galaxien scheinen in blauem
Licht außerdem größer zu sein als in rotem Licht.
Diese Ergebnisse stimmen also mit dem ”inside-out“-Bild
der Entstehung von Spiralgalaxien überein. Außerdem sind sie auch
indirekt Anzeichen dafür, dass Spiralgalaxien durch Gasakkretion im
lokalen Universum weiterhin wachsen. Die Studie zeigte auch, dass es
keinen intrinsischen Zusammenhang zwischen dem HI-Anteil und der
gemessenen Symmetrie einer Galaxie in optischem Licht gibt. Dies
deutet darauf hin, dass das Gas wahrscheinlich gleichförmig auf die
Scheibe fällt und nicht in einzelnen Klumpen (siehe Abb. 3).
Jing Wang, Guinevere Kauffmann, Roderik Overzier und Barbara Catinella
Originalveröffentlichung:
Wang, J., Kauffmann, G., Overzier, R., Catinella, B. et al.,
"The GALEX Arecibo SDSS survey: III Evidence for the Inside-out Formation of Galactic Disks",
2011, MNRAS, 412, 1081
(http://adsabs.harvard.edu/abs/2011MNRAS.412.1081W)
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