|
Abb. 1:
Strahlungstransportsimulationen liefern monochromatische
Lichtkurven (hier für die U-, B-, V- und R-Band Filter) für
die untersuchten Explosionsmodelle von fünf Weißen Zwergen
unterschiedlicher Masse (kodiert durch Linien verschiedener Farben). Zum
Vergleich zeigen die schwarzen Symbole Beobachtungsdaten dreier
ausgewählter Typ Ia Supernovae.
|
|
|
Abb. 2:
Die dicke schwarze Linie zeigt das synthetische Spektrum
drei Tage vor dem hellsten Aufleuchten für eines unserer
Explosionsmodelle. Zum Vergleich zeigt die blaue Linie das beobachtete
Spektrum von Supernova 2004eo zu einem vergleichbaren Zeitpunkt. Die
Farbkodierung unter dem synthetischen Spektrum zeigt welche chemischen
Elemente für die Emission bei den entsprechenden Wellenlängen
verantwortlich sind.
|
| |
Sternexplosionen führen zum vorübergehenden Erscheinen neuer
heller Sterne am Firmament. Unter diesen so genannten Supernovae gibt es
eine spezielle Klasse von Objekten, die sich durch das Fehlen von
Wasserstofflinien, gleichzeitig aber durch starke Siliziumlinien in
ihren Spektren auszeichnen. Diese “Typ Ia” Supernovae sind
für die moderne Astrophysik von großer Bedeutung, da die
Astronomen einen empirischen Zusammenhang zwischen ihrer zeitlichen
Entwicklung und ihrer absoluten Helligkeit fanden. Ist die absolute
Helligkeit eines Himmelsobjekts aber bekannt, so lässt sich in
einfacher Weise seine Entfernung bestimmen. Dieser Zusammenhang, gepaart
mit der großen Helligkeit der Typ Ia Supernovae, macht diese
Objekte zu den wichtigsten Leuchtfeuern um zu vermessen, wie sich die
Ausdehnung des Universums zeitlich entwickelt. Trotz dieser
fundamentalen Bedeutung für die moderne Astrophysik verstehen wir
die physikalische Ursache dieser Explosionen noch nicht ausreichend
— geschweige denn die astrophysikalischen Objekte, in denen sie
auftreten.
Allgemein akzeptiert ist, dass Typ Ia Supernovae durch thermonukleare
Explosionen in Weißen Zwergsternen entstehen. Weiße Zwerge
sind die Endprodukte von relativ massearmen Sternen, so wird auch unsere
Sonne eines Tages zu einem Weißen Zwerg werden. Sie bestehen
typischerweise aus einem Gemisch von Kohlenstoff und Sauerstoff und
kühlen über einen Zeitraum von mehreren Milliarden Jahren aus,
da in ihrem Inneren — im Gegensatz zu unserer Sonne — keine
Energie mehr aus Fusionsprozessen erzeugt werden kann. Isolierte
Weiße Zwerge sind also stabil. Viele Sterne, auch Weiße
Zwerge, sind allerdings Teil eines Doppelsternsystems. Für einen
Weißen Zwerg in solch einem Doppelsternsystem ist es möglich,
mit seinem Begleitstern in Wechselwirkung zu treten, was die nötige
Dynamik zur Zündung einer Explosion liefern kann. In den letzten
Jahrzehnten wurden verschiedene Entwicklungsszenarien für
Weiße Zwerge in Doppelsternsystemen vorgeschlagen, die zu Typ Ia
Supernova Explosionen führen könnten. Doch obwohl jedes dieser
Szenarien mit großem Aufwand untersucht wurde, wissen wir noch
immer nicht, welche Szenarien im All wirklich vorkommen.
Im derzeit favorisierten Szenario akkretiert ein Weißer Zwerg
wasserstoffreiches Material von seinem Begleitstern, bis er eine
kritische Masse erreicht, die so genannte Chandrasekhar-Grenze.
Nähert er sich diesem Limit, erreichen Temperatur und Dichte im
Innern des Weißen Zwerges so hohe Werte, dass thermonukleare
Reaktionen einsetzen und der Weiße Zwerg explodiert. Im Rahmen
dieses Szenarios lässt sich die beobachtete Vielfalt der Typ Ia
Supernovae gut erklären
(Presserklärung Februar 2007).
Allerdings kann es die beobachtete Häufigkeit von Typ Ia
Supernovae nicht einfach erklären wie MPA Forscher jüngst
gezeigt haben
(Presserklärung Februar 2010).
Alternativ wurde vorgeschlagen, dass das Verschmelzen zweier
Weißer Zwerge in einem engen Doppelsternsystem eine Typ Ia
Supernova auslösen könnte. Ob dies wirklich funktioniert, war
lange unklar. Erst vor kurzem gelang es einem Team von MPA Forschern zu
zeigen
(Presserklärung Januar 2010),
dass solch eine Verschmelzung zweier Weißer Zwerge
tatsächlich eine thermonukleare Explosion auslösen und somit
zu Typ Ia Supernovae führen kann. In ihrer Arbeit kommen die
Wissenschaftler allerdings zu dem Schluss, dass solche Verschmelzungen
sehr wahrscheinlich nur eine bestimmte seltene Untergruppe der Typ Ia
Supernovae erklären können.
Neben diesen beiden Szenarien, existiert eine dritte Möglichkeit,
die bisher allerdings vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erfahren hat:
hier akkretiert ein Weißer Zwerg Helium-reiches Material von
seinem Begleitstern und sammelt so Helium in einer Schale um seinen
Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern an. Instabilitäten in dieser Schale können zum
Zünden thermonuklearer Reaktionen führen, die
anschließend auch den Kern des Weißen Zwerges erfassen, so
dass der Stern schließlich explodiert. Im Gegensatz zu den oben
erwähnten Szenarien kann die Explosion in diesem Fall schon
für einen Weißen Zwerg mit einer Masse unterhalb des
Chandrasekhar-Limits erfolgen. Da solche “leichten” Weißen Zwerge
häufiger vorkommen als massereiche, die die Chandrasekhar-Masse
erreichen, erwartet man in diesem Szenario mehr Supernovae vom Typ Ia.
Die beobachtete Häufigkeit von Typ Ia Supernovae kann in diesem
Szenario also möglicherweise besser erklärt werden, als im
oben erwähnten Standardmodell. Bisher wurde dieses Szenario
allerdings ausgeschlossen, da die explodierende Heliumschale auf dem
Weißen Zwerg zu einer chemischen Zusammensetzung der
Überreste führt, die nicht mit Beobachtungen
übereinstimmt. Neue Arbeiten von Bildsten und Shen (University of
California, Santa Barbara) haben nun gezeigt, dass bereits wesentlich
dünnere Heliumschalen zur Zündung thermonuklearer Reaktionen
ausreichen, als bisher angenommen. Damit stellt sich nun die Frage, ob
Explosionen von sub-Chandrasekhar-Massen Weißen Zwergen mit solch
dünnen Heliumschalen denen von Typ Ia Supernovae gleichen.
In einer kürzlich im renommierten Journal “Astrophysical
Journal Letters” veröffentlichten Studie, hat ein Team von
MPA Wissenschaftlern daher das sub-Chandrasekhar-Massen Szenario
nochmals untersucht. Dabei konzentrierten sie sich auf den idealisierten
Fall, bei dem der Einfluss der Heliumschale vernachlässigbar ist,
und führten ein Computerexperiment durch, in dem sie die Explosion
“nackter” sub-Chandrasekhar-Massen Weißer Zwerge aus einem
Kohlenstoff-Sauerstoff Gemisch hydrodynamisch simulierten. Der Strahlungstransport
in den Explosionshüllen wurde ebenfalls simuliert, wodurch die
Wissenschaftler außerdem synthetische Spektren und Lichtkurven
ihrer Explosionsmodelle berechnen konnten. Diese verglichen sie
anschließend mit Beobachtungen von Typ Ia Supernovae.
“Die Lichtkurven und Spektren, die wir aus diesen Simulationen
erhalten haben, stimmen erstaunlich gut mit den beobachteten
Eigenschaften von Typ Ia Supernovae überein”, sagt Stuart
Sim, der Erstautor der Veröffentlichung. Daher folgern die
MPA-Forscher, dass “Explosionen von sub-Chandrasekhar-Massen
Weißen Zwergen ein viel versprechendes Modell für Typ Ia
Supernovae sind, wenn ihr optisches Erscheinungsbild nicht durch die
Verbrennungsprodukte der Heliumschale sondern durch die des
Kohlenstoff-Sauerstoff-Kerns des Weißen Zwerges dominiert wird.”
Friedrich Röpke, Zweitautor der Veröffentlichung, weist auf
eine weitere positive Eigenschaft der sub-Chandrasekhar-Massen
Explosionsmodelle hin: “Da die Masse des explodierenden
Weißen Zwerges nicht auf die Chandrasekhar-Masse festgelegt ist,
bietet sie einen einfachen physikalischen Parameter, um die beobachtete
Variation in der Helligkeit der Typ Ia Supernovae zu
erklären.” Dieses Szenario könnte demnach die
beobachtete Vielfalt der Eigenschaften von Typ Ia Supernovae auf
einfache Weise physikalisch beschreiben. Eine kritische Frage bleibt
allerdings noch unbeantwortet: Können realistische
Explosionsmodelle gefunden werden, die zum Einsetzen thermonuklearer
Reaktionen in der Heliumschale führen, dabei aber eine chemische
Zusammensetzung der Explosionshüllen ergeben, die mit Typ Ia
Beobachtungen vereinbar sind? Das Rennen zur Beantwortung dieser Frage
ist nun eröffnet.
Markus Kromer
Originalveröffentlichungen:
S.A. Sim, F.K. Röpke, W. Hillebrandt, M. Kromer, R. Pakmor,
M. Fink, A.J. Ruiter, I.R. Seitenzahl,
"Detonations in Sub-Chandrasekhar-mass C+O White Dwarfs",
The Astrophysical Journal Letters 714 (2010), L52-L57
M. Fink, F. K. Roepke, W. Hillebrandt, I. R. Seitenzahl, S. A. Sim, M. Kromer,
"Double-detonation sub-Chandrasekhar supernovae: can minimum helium
shell masses detonate the core?",
Astronomy & Astrophysics 514 (2010), id.A53
|