Sind die Vorgängerobjekte von Typ Ia Supernovae leichter als bisher gedacht?

Weiße Zwergsterne als Vorläuferobjekte von Typ Ia Supernovae sind möglicherweise leichter als bisher angenommen. Explosionen der Weißen Zwerge unterhalb einer bestimmten Massengrenze, der so genannten Chandrasekhar-Masse, wurden bisher als Erklärung für beobachtete Supernovae ausgeschlossen. Angeregt durch aktuelle Studien zur Zündung thermonuklearer Explosionen in sub-Chandrasekhar-Massen Weißen Zwergsternen, haben Wissenschaftler des Garchinger Max-Planck-Instituts für Astrophysik solche Systeme nun erneut untersucht. Ihre Simulationen zeigen, dass Explosionen von derartigen leichten Weißen Zwergen wesentlich besser mit den Beobachtungen übereinstimmen könnten als bisher gedacht (Astrophysical Journal Letters, 1. Mai 2010).

Abb. 1: Strahlungstransportsimulationen liefern monochromatische Lichtkurven (hier für die U-, B-, V- und R-Band Filter) für die untersuchten Explosionsmodelle von fünf Weißen Zwergen unterschiedlicher Masse (kodiert durch Linien verschiedener Farben). Zum Vergleich zeigen die schwarzen Symbole Beobachtungsdaten dreier ausgewählter Typ Ia Supernovae.

Abb. 2: Die dicke schwarze Linie zeigt das synthetische Spektrum drei Tage vor dem hellsten Aufleuchten für eines unserer Explosionsmodelle. Zum Vergleich zeigt die blaue Linie das beobachtete Spektrum von Supernova 2004eo zu einem vergleichbaren Zeitpunkt. Die Farbkodierung unter dem synthetischen Spektrum zeigt welche chemischen Elemente für die Emission bei den entsprechenden Wellenlängen verantwortlich sind.

Sternexplosionen führen zum vorübergehenden Erscheinen neuer heller Sterne am Firmament. Unter diesen so genannten Supernovae gibt es eine spezielle Klasse von Objekten, die sich durch das Fehlen von Wasserstofflinien, gleichzeitig aber durch starke Siliziumlinien in ihren Spektren auszeichnen. Diese “Typ Ia” Supernovae sind für die moderne Astrophysik von großer Bedeutung, da die Astronomen einen empirischen Zusammenhang zwischen ihrer zeitlichen Entwicklung und ihrer absoluten Helligkeit fanden. Ist die absolute Helligkeit eines Himmelsobjekts aber bekannt, so lässt sich in einfacher Weise seine Entfernung bestimmen. Dieser Zusammenhang, gepaart mit der großen Helligkeit der Typ Ia Supernovae, macht diese Objekte zu den wichtigsten Leuchtfeuern um zu vermessen, wie sich die Ausdehnung des Universums zeitlich entwickelt. Trotz dieser fundamentalen Bedeutung für die moderne Astrophysik verstehen wir die physikalische Ursache dieser Explosionen noch nicht ausreichend — geschweige denn die astrophysikalischen Objekte, in denen sie auftreten.

Allgemein akzeptiert ist, dass Typ Ia Supernovae durch thermonukleare Explosionen in Weißen Zwergsternen entstehen. Weiße Zwerge sind die Endprodukte von relativ massearmen Sternen, so wird auch unsere Sonne eines Tages zu einem Weißen Zwerg werden. Sie bestehen typischerweise aus einem Gemisch von Kohlenstoff und Sauerstoff und kühlen über einen Zeitraum von mehreren Milliarden Jahren aus, da in ihrem Inneren — im Gegensatz zu unserer Sonne — keine Energie mehr aus Fusionsprozessen erzeugt werden kann. Isolierte Weiße Zwerge sind also stabil. Viele Sterne, auch Weiße Zwerge, sind allerdings Teil eines Doppelsternsystems. Für einen Weißen Zwerg in solch einem Doppelsternsystem ist es möglich, mit seinem Begleitstern in Wechselwirkung zu treten, was die nötige Dynamik zur Zündung einer Explosion liefern kann. In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene Entwicklungsszenarien für Weiße Zwerge in Doppelsternsystemen vorgeschlagen, die zu Typ Ia Supernova Explosionen führen könnten. Doch obwohl jedes dieser Szenarien mit großem Aufwand untersucht wurde, wissen wir noch immer nicht, welche Szenarien im All wirklich vorkommen.

Im derzeit favorisierten Szenario akkretiert ein Weißer Zwerg wasserstoffreiches Material von seinem Begleitstern, bis er eine kritische Masse erreicht, die so genannte Chandrasekhar-Grenze. Nähert er sich diesem Limit, erreichen Temperatur und Dichte im Innern des Weißen Zwerges so hohe Werte, dass thermonukleare Reaktionen einsetzen und der Weiße Zwerg explodiert. Im Rahmen dieses Szenarios lässt sich die beobachtete Vielfalt der Typ Ia Supernovae gut erklären (linkPfeil.gifPresserklärung Februar 2007). Allerdings kann es die beobachtete Häufigkeit von Typ Ia Supernovae nicht einfach erklären wie MPA Forscher jüngst gezeigt haben (linkPfeil.gifPresserklärung Februar 2010).

Alternativ wurde vorgeschlagen, dass das Verschmelzen zweier Weißer Zwerge in einem engen Doppelsternsystem eine Typ Ia Supernova auslösen könnte. Ob dies wirklich funktioniert, war lange unklar. Erst vor kurzem gelang es einem Team von MPA Forschern zu zeigen (linkPfeil.gifPresserklärung Januar 2010), dass solch eine Verschmelzung zweier Weißer Zwerge tatsächlich eine thermonukleare Explosion auslösen und somit zu Typ Ia Supernovae führen kann. In ihrer Arbeit kommen die Wissenschaftler allerdings zu dem Schluss, dass solche Verschmelzungen sehr wahrscheinlich nur eine bestimmte seltene Untergruppe der Typ Ia Supernovae erklären können.

Neben diesen beiden Szenarien, existiert eine dritte Möglichkeit, die bisher allerdings vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erfahren hat: hier akkretiert ein Weißer Zwerg Helium-reiches Material von seinem Begleitstern und sammelt so Helium in einer Schale um seinen Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern an. Instabilitäten in dieser Schale können zum Zünden thermonuklearer Reaktionen führen, die anschließend auch den Kern des Weißen Zwerges erfassen, so dass der Stern schließlich explodiert. Im Gegensatz zu den oben erwähnten Szenarien kann die Explosion in diesem Fall schon für einen Weißen Zwerg mit einer Masse unterhalb des Chandrasekhar-Limits erfolgen. Da solche “leichten” Weißen Zwerge häufiger vorkommen als massereiche, die die Chandrasekhar-Masse erreichen, erwartet man in diesem Szenario mehr Supernovae vom Typ Ia. Die beobachtete Häufigkeit von Typ Ia Supernovae kann in diesem Szenario also möglicherweise besser erklärt werden, als im oben erwähnten Standardmodell. Bisher wurde dieses Szenario allerdings ausgeschlossen, da die explodierende Heliumschale auf dem Weißen Zwerg zu einer chemischen Zusammensetzung der Überreste führt, die nicht mit Beobachtungen übereinstimmt. Neue Arbeiten von Bildsten und Shen (University of California, Santa Barbara) haben nun gezeigt, dass bereits wesentlich dünnere Heliumschalen zur Zündung thermonuklearer Reaktionen ausreichen, als bisher angenommen. Damit stellt sich nun die Frage, ob Explosionen von sub-Chandrasekhar-Massen Weißen Zwergen mit solch dünnen Heliumschalen denen von Typ Ia Supernovae gleichen.

In einer kürzlich im renommierten Journal “Astrophysical Journal Letters” veröffentlichten Studie, hat ein Team von MPA Wissenschaftlern daher das sub-Chandrasekhar-Massen Szenario nochmals untersucht. Dabei konzentrierten sie sich auf den idealisierten Fall, bei dem der Einfluss der Heliumschale vernachlässigbar ist, und führten ein Computerexperiment durch, in dem sie die Explosion “nackter” sub-Chandrasekhar-Massen Weißer Zwerge aus einem Kohlenstoff-Sauerstoff Gemisch hydrodynamisch simulierten. Der Strahlungstransport in den Explosionshüllen wurde ebenfalls simuliert, wodurch die Wissenschaftler außerdem synthetische Spektren und Lichtkurven ihrer Explosionsmodelle berechnen konnten. Diese verglichen sie anschließend mit Beobachtungen von Typ Ia Supernovae.

“Die Lichtkurven und Spektren, die wir aus diesen Simulationen erhalten haben, stimmen erstaunlich gut mit den beobachteten Eigenschaften von Typ Ia Supernovae überein”, sagt Stuart Sim, der Erstautor der Veröffentlichung. Daher folgern die MPA-Forscher, dass “Explosionen von sub-Chandrasekhar-Massen Weißen Zwergen ein viel versprechendes Modell für Typ Ia Supernovae sind, wenn ihr optisches Erscheinungsbild nicht durch die Verbrennungsprodukte der Heliumschale sondern durch die des Kohlenstoff-Sauerstoff-Kerns des Weißen Zwerges dominiert wird.”

Friedrich Röpke, Zweitautor der Veröffentlichung, weist auf eine weitere positive Eigenschaft der sub-Chandrasekhar-Massen Explosionsmodelle hin: “Da die Masse des explodierenden Weißen Zwerges nicht auf die Chandrasekhar-Masse festgelegt ist, bietet sie einen einfachen physikalischen Parameter, um die beobachtete Variation in der Helligkeit der Typ Ia Supernovae zu erklären.” Dieses Szenario könnte demnach die beobachtete Vielfalt der Eigenschaften von Typ Ia Supernovae auf einfache Weise physikalisch beschreiben. Eine kritische Frage bleibt allerdings noch unbeantwortet: Können realistische Explosionsmodelle gefunden werden, die zum Einsetzen thermonuklearer Reaktionen in der Heliumschale führen, dabei aber eine chemische Zusammensetzung der Explosionshüllen ergeben, die mit Typ Ia Beobachtungen vereinbar sind? Das Rennen zur Beantwortung dieser Frage ist nun eröffnet.


Markus Kromer


Originalveröffentlichungen:

S.A. Sim, F.K. Röpke, W. Hillebrandt, M. Kromer, R. Pakmor, M. Fink, A.J. Ruiter, I.R. Seitenzahl, "Detonations in Sub-Chandrasekhar-mass C+O White Dwarfs", The Astrophysical Journal Letters 714 (2010), L52-L57

M. Fink, F. K. Roepke, W. Hillebrandt, I. R. Seitenzahl, S. A. Sim, M. Kromer, "Double-detonation sub-Chandrasekhar supernovae: can minimum helium shell masses detonate the core?", Astronomy & Astrophysics 514 (2010), id.A53