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Abb. 1:
Das Diagramm zeigt den Zusammenhang zwischen Alter und Metallgehalt
für die Sterne in unserem Datensatz, wobei die Farbcodierung ein Maß
für die Anzahl der Sterne ist. Das Maximum der Metallizitätsverteilung
verschiebt sich kaum mit dem Alter, gleichzeitig nimmt die Breite der
Verteilung zu älteren Sternen hin zu. Diese Signatur kann der radialen
Migration der Sterne zugeschrieben werden.
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Abb. 2:
Durchschnittliche Rotationsgeschwindigkeit von Sternen
unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung im Modell. Nach rechts
ist der Metallgehalt der Sterne aufgetragen, nach oben die relative
Häufigkeit des Alpha-Elements Sauerstoff (O) im Vergleich zu Eisen
(Fe). Die sauerstoffreichen Objekte oben sind generell am
ältesten. Die Farben beschreiben die durchschnittliche
Rotationsgeschwindigkeit der Objekte. Zwischen metallreichen und
-armen Sternen ist klar ein Kontrast zu erkennen. Die schwarzen Linien
deuten die Herkunft der Sterne im Modell an; sie zeigen die
Entwicklung des sternbildenden Gases in einem Abstand von 10 kpc
(äußere Scheibe), 7,5 kpc (etwa unsere Sonne), 5 kpc und 2,5 kpc
(innere Scheibe) vom Zentrum.
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Abb. 3:
Diese Abbildungen zeigen verschiedene Eigenschaften in Abhängigkeit vom
Metallgehalt. In der mittleren Grafik wurden die Sterne nach ihrer
Rotationsgeschwindigkeit relativ zur Sonne (v = 232 km/s) sortiert. Langsame
(schnelle) Sterne wurden gelb (schwarz) markiert. Die Grafik oben zeigt die
Häufigkeit von Alpha-Elementen für die langsamen (gelb) und schnellen
(schwarz) Sterne, die beiden Linien markieren den durchschnittlichen Trend
der beiden Subpopulationen. Man erkennt, dass die langsam rotierenden Sterne
(die “dicke Scheibe”) im Schnitt eine deutlich größere Häufigkeit von
Alpha-Elementen aufweisen. Dies weist auf ein höheres Durchschnittsalter
hin. Die Grafik unten zeigt die Metallizitätsverteilung der langsamen (gelb)
und schnellen (schwarz) Sterne; die langsamen Sterne haben im Durchschnitt
eine höhere Metallizität. Dieses Verhalten steht im Widerspruch zum
klassischen Bild, bei dem ältere Sterne und Sterne der dicken Scheibe
metallärmer sein müssten, ist aber natürlich erklärbar im Modell der
radialen Migration.
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Sterne sind zum einen die Triebkräfte für die Evolution von Galaxien,
bezeugen aber gleichzeitig deren Vergangenheit. Durch Kernfusion
erzeugen Sterne in ihrem Inneren aus Wasserstoff und Helium die
schwereren Elemente, die von Astronomen vereinfachend als Metalle
bezeichnet werden. Massereiche Sterne verbrauchen ihren nuklearen
Brennstoff dabei sehr rasch - auf kosmischen Zeitskalen: sie brauchen
dafür nur Millionen von Jahren im Vergleich zu den etwa 10 Milliarden
Jahren, die unsere Milchstraße bereits existiert. Bei ihrem
fulminanten Tod in einer gewaltigen Explosion schleudern sie einen
Großteil ihrer nuklearen Brennprodukte heraus. Diese vermischen sich
mit den ursprünglichen Gaswolken, aus denen beständig neue Sterne
entstehen und reichern sie mit Metallen an. Masseärmere Sterne
(ähnlich unserer Sonne) sind die Zeugen dieser Geschichte: Die äußeren
Hüllen von Sternen vermischen sich kaum mit dem Material in ihren
Kernen, und so spiegeln ihre Atmosphären weitestgehend die
Zusammensetzung des Gases wider, aus dem sie einst entstanden. Ihre
lange Lebenszeit von mehreren Milliarden Jahren macht sie zu Fossilien
früherer Zeiten.
Die Anreicherung des sternbildenden interstellaren Gases ist kein
plötzlicher Prozess und so wächst dessen Metallgehalt (seine
“Metallizität) kontinuierlich an. Darüber hinaus ändert sich
auch die relative Zusammensetzung an schweren Elementen: Sehr alte
Sterne, die während der Jugend unserer galaktischen Scheibe geboren
wurden, tragen einen Überschuss an sogenannten
“Alpha-Elementen” im Vergleich zu Eisen in sich. Als
Alpha-Elemente werden dabei diejenigen chemischen Elemente bezeichnet,
deren Kerne ein Vielfaches des Helium-Kerns sind, wie zum Beispiel
Sauerstoff, Magnesium, Silizium und Kalzium. Das Verhältnis der
Alpha-Elemente zu Eisen fungiert als natürliche Uhr, die einen Hinweis
darauf gibt, wann ein Stern geboren wurde.
Bis vor kurzem dachte man, dass man an den Sternen in unserer Umgebung
die lokale Geschichte der Sternentstehung und die Anreicherung des
Gases mit Metallen einfach wie in einem Buch ablesen könnte. Diese
Information allein reicht allerdings nicht aus, um die Geschichte der
Milchstraße vollständig zu charakterisieren: Forscher am MPA und an
der Universität Oxford zeigten, dass umfassende Migrationsbewegungen
zwischen Sternen in der Scheibe der Milchstraße stattfinden. Die
Sterne kreisen also nicht mit annähernd konstantem Radius um das
Zentrum der Milchstraße, sondern können mit der Zeit nach innen oder
nach außen wandern. Da sich die Zusammensetzung des Gases, aus dem
neue Sterne entstehen, ändert - in den dichten Bereichen der inneren
Scheibe entwickelt es sich schneller und ist metallreicher als in den
Randbereichen — hängt der Metallgehalt eines Sternes damit nicht
nur von der Entstehungszeit ab sondern auch von dem Ort, an dem er
geboren wurde.
Berücksichtigt man die Migration von Sternen, so ändert dies in hohem
Maße die Interpretation der Geschichte unserer Galaxie. Die xenophobe
Betrachtungsweise ohne Migration impliziert katastrophale Ereignisse
in der Vergangenheit unserer Milchstraße, wie zum Beispiel den
Einschlag einer kleineren Galaxie oder im besten Falle eine Periode,
in dem die Sternentstehung fast völlig zum Erliegen kam. Demgegenüber
können die neuen Modelle mit Migration die Beobachtungen mit einer
recht ruhigen und einfachen Historie erklären. Die beiden
unterschiedlichen Szenarien erfordern auch sehr unterschiedliche
Beziehungen zwischen dem Alter der Sterne und ihrem Metallgehalt: Im
klassischen Modell muss sich der lokale Metallgehalt sehr stark mit
der Zeit ändern, um die breite Verteilung der Metallizitäten von
Sternen in unserer Umgebung zu erklären. Das Migrationsmodell hingegen
erreicht die nötige Diversität durch Einwanderung und bleibt damit
selbst dann gültig, wenn sich der durchschnittliche Metallgehalt mit
dem Alter nicht signifikant ändert. Die Metallizitätsunterschiede
wachsen in diesem Modell allerdings mit zunehmendem Alter der Sterne
an.
Um das Ausmaß der Wanderbewegungen zu messen, unternahm die Gruppe am
MPA eine Revision der Sternparameter der Geneva-Copenhagen-Studie, des
umfassendsten Katalogs der solaren Umgebung mit ca. 16.000
Objekten. Der Metallgehalt von Sternen wird üblicherweise durch einen
detaillierten Vergleich des gemessenen Lichtspektrums mit
Modellrechnungen bestimmt. Diese Herangehensweise ist jedoch sehr
zeitaufwändig und für Datensätze mit mehreren Tausend Objekten nicht
praktikabel. Information über die Metallhäufigkeiten kann aber auch
aus den Farben der Sterne gewonnen werden: Die Anwesenheit selbst
kleiner Mengen an Metallen in der Sternatmosphäre verändert die Farbe
eines Sterns, so wie bei Rotwein bereits weniger als 1 Gramm Farbstoff
ausreicht, um eine Flasche Wein rot zu färben. Die Forscher am MPA
nutzten ein verbessertes Schema, um die physikalischen Eigenschaften
eines Sterns aus seinen Farben abzuleiten, und zeigten so, dass der
durchschnittliche Metallgehalt von Sternen in der Nachbarschaft der
Sonne höher ist als ursprünglich angenommen. Damit wird die Sonne in
dieser Hinsicht ein sehr durchschnittliches Objekt.
Die Forscher konnten auch den Zusammenhang zwischen Alter und
Metallgehalt der Sterne erneut und genauer bestimmen. Wie aus Abb. 1
ersichtlich, verschiebt sich das Maximum der Metallizitätsverteilung
kaum mit dem Alter der Objekte, die Breite der Verteilung nimmt aber
stark zu. Dieses Verhalten widerspricht der klassischen Sichtweise; im
Modell der radialen Migration von Sternen ist es dagegen ganz
natürlich erklärbar.
In der neuen Theorie der Migration vereinfacht sich somit unser Bild
von der Geschichte der Milchstraße. Um das neue Modell weiter von der
klassischen Betrachtungsweise abgrenzen zu können und um den
Mischungsprozess in der Scheibe besser zu verstehen, sind zusätzliche
Informationen nötig. Wie oben erwähnt, besteht ein Zusammenhang
zwischen dem Gehalt an Alpha-Elementen und dem Alter von Sternen. Bei
ausreichend großen Sternzahlen kann ein Teil der Information über den
Ursprung einer bestimmten Population rekonstruiert werden, selbst wenn
die einzelnen Sterne inzwischen in der Scheibe unserer Galaxie
verstreut sind.
Das am MPA und an der Universität Oxford entwickelte Modell ist das
erste analytische Modell, das die chemische Information mit den
Bewegungen der Sterne in Beziehung setzen kann. Damit können - im
Gegensatz zur klassischen Modellierung - die bereits beobachteten
Zusammenhänge einfach und konsistent erklärt und weitere Vorhersagen
getroffen werden. Zum Beispiel zeigt Abb. 2 die erwartete,
durchschnittliche Rotationsgeschwindigkeit in der Umgebung der
Sonne. Alte Sterne liegen mit ihrem hohen Gehalt an Alpha-Elementen
oben in der Abbildung, junge Sterne unten. Diese Tendenz wird durch
die Geschwindigkeitsinformation überlagert: Sterne aus der inneren
Scheibe rotieren langsamer (blau) und sind gleichzeitig metallreicher
(rechts) als die Sterne aus den Randbereichen der Scheibe. Diese
Vorhersage aus dem Modell wurde in der Tat durch Beobachtungsdaten für
junge Sterne bestätigt (für ältere Sterne ist die Vorhersage
schwieriger). Die internationale, vom MPA angeführte Forschergruppe
konnte so einen systematischen Fehler in der
Geschwindigkeitsbestimmung aufspüren und
damit die Bewegung des Sonnensystems durch die Galaxie neu bestimmen.
Außerdem gelang es den Forschern am MPA erstmalig, den relativen
Gehalt an Alpha-Elementen aus der Farbinformation zu gewinnen. Somit
konnten sie die subtilen Beziehungen zwischen der detaillierten
chemischen Information und den Bewegungen der Sterne in der Galaxie
mit einem Datensatz bislang unerreichter Größe untersuchen.
Besonders spannend ist, dass das neue Migrationsmodell auch eine
natürliche Erklärung für die Herkunft der sogenannten dicken Scheibe
bietet (eine Scheibenpopulation, deren Orbits im Schnitt weiter aus
der Scheibenebene herausragen als üblich). Statt eine kosmische
Kollision zwischen der Milchstraße und einer anderen Galaxie zu
benötigen, kann ihre Existenz einfach durch die Immigration von
relativ alten Sternen aus dem Innenbereich der galaktischen Scheibe
erklärt werden. Die Sterne mit langsamer Rotation gehören größtenteils
zu dieser dicken Scheibe, was mit ihrem Ursprung in der inneren
Scheibe verbunden ist, während Sterne mit hoher
Rotationsgeschwindigkeit vor allem aus der äußeren, metallärmeren
Scheibe stammen (Abb. 3). Trotz ihres höheren Alters ist diese langsam
rotierende Population metallreicher als die schnellrotierenden Sterne
(Abb. 4), was ein weiteres Problem in der klassischen Sichtweise und
die Notwendigkeit stellarer Migration aufzeigt.
Das SAGA-Team
Weiterführende Literatur:
Schönrich, R. & Binney, J.,
"Origin and Structure of the Galactic disc(s)",
2009, MNRAS, 396, 203
Schönrich, R. & Binney, J.,
"Chemical evolution with radial mixing",
2009, MNRAS, 399, 1145
Schönrich, R.,
"Unruhe im Ruhestandard",
Sterne und Weltraum, August 2010
Casagrande, L., Schönrich, R., Asplund, M., Ramírez, I., et al.
2010, A&A, submitted
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