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Unsere Galaxis, die Milchstraße, ist eine ziemlich große
Spiralgalaxie, die aus vier stellaren Hauptkomponenten besteht: (1)
die dünne Scheibe, die die meisten Sterne in der Galaxie
enthält, mit einer großen Vielfalt im Alter und mit hohen
Drehimpulsen; (2) die dicke Scheibe, die ungefähr 10 bis 20
Prozent der Masse in der dünnen Scheibe enthält und deren
Sterne im Durchschnitt älter sind und weniger Metalle enthalten
als jene in der dünnen Scheibe; (3) der Bulge — die innere
Verdickung der Spiralform zu einem nuklearen Sternhaufen —, in
dem sich alte und metallreiche Sterne mit niedrigem Drehimpuls
befinden; und (4) der stellare Halo, der nur ein paar Prozent der
gesamten stellaren Masse enthält und dessen Sterne alt und
metallarm sind und niedrige Drehimpulse aufweisen.
Die Astrophysiker Gabriella De Lucia (MPA) und Amina Helmi (Kapteyn
Astronomical Institute) haben die Bildung der Milchstraße und
ihres stellaren Halo untersucht, indem sie hochaufgelöste
N-Teilchen-Simulationen mit semi-analytischen Verfahren der
Galaxienbildung verknüpften
(Aktuelle Forschung Mai 2004). In
diesen Modellen wird davon ausgegangen, dass sich Galaxien bilden,
wenn sich Gas im Zentrum von Halos dunkler Materie verdichtet, deren
Ort und Entwicklung mithilfe der N-Teilchen-Simulation verfolgt
wird. Die Entwicklung der baryonischen Komponenten von Galaxien
(z. B. Gas, Sterne, Metalle) kann dann anhand der Geschichte der Halos
dunkler Materie nachgezeichnet werden, indem die Wissenschaftler
einfache analytische Gesetze anwenden, unterstützt durch
Beobachtungsdaten und/oder theoretische Argumente.
Die physikalischen Eigenschaften unserer Modell-Milchstraße
weisen eine gute Übereinstimmung mit empirischen Messungen
unserer Galaxie auf. Abb. 1 zeigt etwa die Verteilung der
unterschiedlichen Altersstufen und Metallizitäten für alle
Sterne (linkes Bild) und für die Sterne in der kugelförmigen
Verdickung (rechtes Bild) der Modell-Milchstraße. Die
Darstellung zeigt, dass die Galaxie Sterne jedes Alters enthält
— was bedeutet, dass diese innerhalb eines langen Zeitraums
entstanden sind —, die aber gleichzeitig nur eine begrenzte
Spannweite an Metallhäufigkeit abdecken. Im Gegensatz dazu haben
die Sterne in der spheroidalen Komponente alle ein sehr hohes Alter,
und ein paar von ihnen weisen einen relativ geringen Metallgehalt auf,
was mit den Ergebnissen empirischer Messungen übereinstimmt.
Um die Struktur und Metallizitätsverteilung des stellaren Halos
zu untersuchen, gehen wir davon aus, dass er sich aus dem Inneren von
Satellitengalaxien aufbaut, die über lange Zeiträume hinweg
mit der Milchstraße verschmolzen sind. Abb. 2 zeigt die
prognostizierte Verteilung der Sternenteilchen, die im stellaren Halo
enden, zu unterschiedlichen kosmischen Zeiträumen. Die
Sternenteilchen sind in Abhängigkeit von ihrem Metallgehalt
farblich gekennzeichnet, wie im Schaubild ganz links gezeigt wird. Die
Abbildung zeigt, dass die Sternenteilchen, die im stellaren Halo
enden, sich über einen prognostizierten Bereich von ~ 1 Mpc2 bei
z ~ 10 erstrecken. Bei z ~ 1 sind die Sternenteilchen bereits auf
einer einzelnen, relativ lang gestreckten Komponente versammelt, die
bei abnehmender Rotverschiebung fortschreitend kugelförmiger
wird.
Das Schaubild ganz rechts von Abb. 2 zeigt, dass es keine klare
Korrelation zwischen Metallizität und Entfernung vom Zentrum des
stellaren Halo gibt (z. B. keinen klaren
Metallizitätsgradienten), wobei Sterne niedriger und hoher
Metallizität in unterschiedlichen Entfernungen verteilt
sind. Sterne hoher Metallizität sind jedoch stärker im
Zentrum konzentriert als Sterne niedriger Metallizität. Dies wird
noch deutlicher in Abb. 3, die das prognostizierte Dichteprofil des
stellaren Halo (schwarz) zeigt sowie das prognosizierte Dichteprofil
von Sternen mit einer Metallizität, die höher (orange)
bzw. niedriger (grün) als 0,4-mal der Wert der Sonne ist. Die
Wahrscheinlichkeit, Sterne niedriger Metallizität zu beobachten,
steigt daher bei größeren Abständen vom galaktischen
Zentrum an (> ~ 10-20 kpc), wo der Beitrag der inneren,
metallreicheren Sterne weniger dominierend ist. Die stärkere
Konzentration von Sternen hoher Metallizität ergibt sich aus der
Tatsache, dass die Bausteine des stellaren Halo auf einer klar
definierten Masse-Metallizität-Relation beruhen, und dass sie
durch dynamische Reibung näher an die inneren Regionen des Halos
gezogen werden.
Die numerische Auflösung der Simulationen, die in unserer
Untersuchung verwendet wurden, ist zu gering für Untersuchungen
des räumlich und kinematisch kohärenten Sternstroms im
heutigen stellaren Halo. Simulationen mit höherer Auflösung
(Presseerklärung November 2008)
werden für diese Untersuchungen
benötigt. Dies alles sind dringend notwendige Schritte, um das
Ergebnis von laufenden und zukünftigen großen Studien wie
SEGUE, RAVE und schließlich GAIA zu interpretieren, mit dem
Ziel, die Entwicklungsgeschichte unserer Galaxis zu enthüllen.
Gabriella De Lucia; Mona Clerico (Übersetzung)
Weitere Informationen:
Gabriella De Lucia and Amina Helmi,
The Galaxy and its stellar halo: insights
on their formation from a hybrid cosmological approach,
MNRAS in press,
arXiv0804.2465
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