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  Aktuelle Forschung :: Juni 2007 Zur Übersicht

Wie man die hellsten Galaxien des Universums bastelt.

Hellste Haufengalaxien gehören zu den leuchtkräftigsten und massereichsten Objekten im heutigen Universum. Mithilfe der bisher größten kosmologischen Simulation Dunkler Materie sowie modernster semi-analytischer Modelle haben Wissenschaftler des MPA nun ihre Entstehung und Entwicklung untersucht.

Abb. 1: Der "merger tree" einer simulierten BCG.

Abb. 2: Die Masse im Hauptast (blau) und die Gesamtmasse an gebildeten Sternen (grün) als Funktion der Zeit für ein Ensemble simulierter BCGs. Die durchgezogenen Linien zeigen den Median, die schraffierten Bereiche die Streuung.

Hellste Haufengalaxien (auf englisch "Brightest Cluster Galaxies", BCGs) sind die extrem hellen Galaxien in den Zentren von Galaxienhaufen ( linkPfeil.gif Research Highlight November 2003 , linkPfeil.gif Research Highlight March 2007 ). Diese Galaxien gehören zu den leuchtkräftigsten und massereichsten Objekten im heutigen Universum und ihre Entstehungsgeschichte beinhaltet komplizierte physikalische Prozesse wie "cooling flows" und "Kannibalismus". Ersterer bezieht sich darauf, dass das heiße Gas (typischerweise 2-14 keV) in den Zentren von Galaxienhaufen durch Abstrahlung von Röntgenstrahlen Energie verliert. Wenn das Gas auf diese Art kühlt, sinkt der Druck, und infolgedessen kontrahiert und verdichtet sich das Gas. Der zweite Mechanismus resultiert daraus, dass ein sich bewegendes Objekt kinetische Energie und Impuls durch gravitative Wechselwirkung mit der umgebenden Materie verliert. Dadurch sinken Galaxien in Galaxienhaufen allmählich ins Zentrum, wo sie mit der zentralen Galaxie verschmelzen.

Wissenschaftler am MPA haben die Entstehung und Entwicklung von BCGs anhand der Millennium Simulation untersucht - der zur Zeit größten kosmologischen Simulation Dunkler Materie (linkPfeil.gif Research Highlight August 2004) modellieren zu können, haben Gabriella De Lucia & Jeremy Blaizot die hochauflösende N-Teilchen Simulation mit semi-analytischen Modellen der Galaxienentstehung gekoppelt (linkPfeil.gif Research Highlight May 2004). In diesen Modellen werden die baryonischen Komponenten (Gas und Sterne) und ihre Entwicklung auf die Entstehungsgeschichten Dunkler Materie Halos "aufgemalt" anhand einfacher Beziehungen, welche auf Beobachtungen und theoretischen Argumenten basieren.

Abb. 1 zeigt die Entstehungsgeschichte einer BCG. Unter Astronomen wird dieses Diagramm als "merger tree" ("Verschmelzungsbaum") bezeichnet, und entspricht dem Stammbaum einer Galaxie. Die BCG wird ganz oben im Diagramm gezeigt, und ihre Vorfahren (und deren Entstehungsgeschichten) werden rekursiv, in der Zeit rückläufig gezeigt. Galaxien mit stellaren Massen größer als ~10^10 Sonnenmassen werden durch Symbole angezeigt, masseärmere Galaxien als Linien. Die Größe der Symbole skaliert mit der stellaren Masse, während die Farbe mit der Farbe der Galaxie skaliert, und somit als Anzeichen des mittleren Alters der Sternenpopulation gesehen werden kann. Der linke "Ast" in Abb. 1 ist der "Hauptast" ("main branch"). Dieser entsteht dadurch, dass man zu jedem Zeitschritt die Galaxie mit dem Vorfahren mit der größten stellaren Masse des vorigen Zeitschrittes (dem Hauptvorfahren) verbindet. Wie Abb. 1 zeigt, genügt der Hauptast nicht, um die Eigenschaften der endgültigen Galaxie zu erklären. Zu frühen Zeiten kann die BCG nicht als einzelnes Objekt, sondern nur als das Ensemble ihrer Vorfahren beschrieben werden. Später enthält der Hauptast dann einen Großteil der endgültigen Masse, aber dies gilt nicht zu früheren Zeiten, wo der Hauptvorfahre kaum mehr Masse besitzt als die anderen Vorfahren (bzw. Äste).

Angesichts der Komplexität der Verschmelzungsgeschichte in Abb. 1 ist es hilfreich, gewisse Zeitpunkte zu definieren, die wichtige Phasen in der Entstehung der BCG markieren. Insbesondere bezeichnen wir als "assembly time" den Zeitpunkt, an dem der Hauptvorgänger die Hälfte der endgültigen stellaren Masse der BCG enthält, und als "formation time" den Zeitpunkt, an dem die Gesamtmasse an bereits gebildeten Sternen die Hälfte der endgültigen stellaren Masse erreicht. Mit Gesamtmasse meinen wir zu jeder Epoche die Summe der stellaren Massen all der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Vorfahren (also die Projektion von Abb. 1 auf die vertikale Zeitachse).

Abb. 2 zeigt die Masse im Hauptast (blau) und die Gesamtmasse an gebildeten Sternen (grün) als Funktion der Zeit. Die durchgezogenen Linien und schraffierten Bereiche zeigen den Median und die Streuung für ein Ensemble von 125 BCGs. Für fast alle BCGs hat sich die Hälfte der Sterne der endgültigen Galaxie bereits vor mehr als 10 Milliarden Jahren gebildet. Erst viel später (typischerweise nach etwa 7 Milliarden Jahren) befinden sich diese Sterne in einem einzelnen, massereichen System. Da allerdings die meisten Galaxien, die mit der BCG verschmelzen, hauptsächlich alte Sterne und nur noch wenig Gas enthalten, ändern diese Verschmelzungen nicht das mittlere Alter der BCGs heute.

Die simulierten BCGs sind deshalb alt (d.h. ihre Sterne sind sehr früh entstanden), aber ihre Masse wurde erst spät zusammengefügt. Die Massenzunahme in den letzten ~8 Milliarden Jahren in diesen Modellen scheint qualitativ mit Beobachtungen übereinzustimmen. Zukünftige detaillierte Vergleiche mit Beobachtungen werden genauere Beschreibungen der physikalischen Prozesse ermöglichen, die die Entstehung und Entwicklung dieser speziellen Objekte regulieren.


Gabriella De Lucia and Jeremy Blaizot

Veröffentlichung

Gabriella De Lucia, Jeremy Blaizot
"The hierarchical formation of the brightest cluster galaxies",
Mon. Not. R. Astron. Soc., 375, 2 (2007)


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Letzte Änderung: 2.7.2007