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  Aktuelle Forschung :: November 2005 Zur Übersicht

Können aufsteigene Blasen die Zentren von Galaxienhaufen heizen?

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben die Entstehung und das kosmologische Wachstum von Galaxienhaufen mit aktiven Kernen ("Active Galactic Nuclei", AGN) in ihren Zentren untersucht. Dazu benutzten sie hydrodynamische Simulationen, mit denen sie zeigen konnten, dass ein periodisches Heizen in der Form heißer, aufsteigender Blasen, die von dem AGN während seiner Aktivität aufgeblasen werden, eine energetisch plausible Lösung für das bekannte Problem der Kühlungsflüsse in Galaxienhaufen liefern.

Abb. 1: Projektion des massegewichteten Temperaturfeldes der zentralen Region eines isolierten Galaxienhaufens mit 1015 Sonnenmassen. Mit einem Klick auf das Bild kann eine Animation gestartet werden, die die Zeitentwicklung der Temperatur des Haufens zeigt, während Blasen in immer gleicher Orientierung injeziert werden. Anfangs führt die Strahlungskühlung zu einem Fluß von Gas in das Zentrum, aber die Blasen können diesen unrealistisch hohen Massenfluß stoppen. Die gesamte Zeit des Films entspricht einem Viertel der Hubble-Zeit, und die Blasen werden im Abstand von 108 Jahren injiziert. [Hinweis: Der Film hat eine Größe von etwa 6 MB und wurde mit Hilfe von DIVX komprimiert. Um ihn abzuspielen, benötigt man eventuell die divx-codec Software, welche kostenlos unter http://www.divx.com erhältlich ist.]

Abb. 2: "Unsharped-masked" Karte der Röntgen-Leuchtkraft des Haufens, der in Abbildung 1 gezeigt ist. Der "unsharped masking" Filter wurde erzeugt, indem eine geglättete Karte von einer Karte der ursprünglichen Röntgenhelligkeit abgezogen wurde. Man kann erkennen, dass das AGN-Heizen mit Blasen eine Reihe von Schallwellen erzeugt, welche ihre Energie langsam an das Haufenmedium abgeben können, wenn sie auf ihrem Weg zu den Außenbezirken durch die Viskosität des Gases gedämpft werden.

Abb. 3: Radiale Profile der Kühlungszeit eines massereichen Galaxienhaufens bei Rotverschiebung z=0, der aus einer kosmologischen Simulation extrahiert wurde. Die durchgezogene blaue Linie entspricht dem Fall ohne Blasen, während die rote, gestrichelte Line dem Modell mit einem "eingeschalteten" AGN entspricht. Die durchgezogene horizontale Linie zeigt die Hubble-Zeit zur Epoche z=0. Aufgrund der Blasen-Injektion ist das Gas in der zentralen Region bis etwa 300 kpc/h deutlich aufgeheizt, so dass die sich ergebende Kühlungszeit stark verlängert.

Galaxienhaufen sind nicht nur die größten virialisierten Objekte im Universum, sondern auch ein ideales Laboratorium für das Studium der physikalischen Prozesse, die die kosmische Entwicklung der Galaxien und der sie umgebenden Halos aus dunkler Materie bestimmen. Die jüngsten Fortschritte in der Beobachtung haben eine erstaunliche Komplexität der gasdynamischen Prozesse in Galaxienhaufen (im "intra-cluster medium", ICM) aufgezeigt, sowie zur Entdeckung von Phänomenen geführt, die eine bedeutende Herausforderung für die theoretische Modellbildung darstellen. Wohl die rätselhafteste dieser Beobachtungen bezieht sich auf das sogenannte Problem der Kühlungsflüsse ("cooling-flows"). Das heiße Gas in einem Galaxienhaufen strahlt diffuse Röntgenstrahlung ab, welche Galaxienhaufen zu extrem hellen Röntgenquellen mit einer Strahlungsleistung bis zu mehreren 1045 erg/s macht. Dieser Energieverlust sollte den Inhalt an thermischer Energie in dem Gas reduzieren. Während die geschätzten Kühlungszeiten in dem Hauptteil des Haufens aufgrund dieser Strahlungsverluste typischerweise länger sind als das Alter des Universums, ist das für das dichte Gas im Zentrum von Haufen nicht der Fall, denn dort sind die Kühlungszeiten aufgrund der empfindlichen Abhängigkeit der Strahlungsemission von der Dichte kurz. Daraus ergibt sich, dass das zentrale Gas eigentlich aus der Atmosphäre des Haufens auskühlen sollte, wodurch ein Fluß von Gas in das Zentrum mit einer Rate von bis zu 1200 Sonnenmassen pro Jahr entstehen müßte. Allerdings hat die neue Generation der Röntgenteleskope, wie etwa XMM-Newton und Chandra, die vorausgesagte riesige Menge an kaltem zentralen Gas nicht aufspüren können, woduch dieses einfache Kühlungsfluß-Szenario wiederlegt ist. Es wird deshalb eine neue physikalische Erklärung für dieses offensichtliche Paradoxon benötigt.

Während der letzten Jahre hat man erkannt, dass wahrscheinlich alle Galaxien mit einer kugelförmigen Sternkomponente in ihrem Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch verbergen. Das legt die Vermutung nahe, dass es eine wichtige Verbindung zwischen dem Wachstum der superschweren Schwarzen Löcher und der Entstehung ihrer Wirtsgalaxien gibt. Diese Verbindung hat ihren Ursprung vermutlich in der von dem Schwarzen Loch freigesetzten Energie und der Effekte, die diese auf die Entstehung der Sterne in einer Galaxie hat. In ähnlicher Weise sollte eine erhebliche Menge an Energie freigesetzt werden, wenn in einem Haufen durch das Kühlen des Gases Material ins Zentrum gelenkt wird, wo es teilweise von dem Schwarzen Loch verschluckt werden kann. Falls diese freigesetzte Energie die zentralen Regionen des Haufens effizient heizen kann, könnten die Kühlungsverluste ersetzt werden. Solch ein Effekt würde aber gleichzeitig die weitere "Fütterung" des Schwarzen Lochs beenden, so dass man erwarten kann, dass es zu einer periodischen Aktivierung des AGN kommen sollte, die von einem sich selbst regulierenden Zyklus zwischen Aktivität des Schwarzen Lochs und der Strahlungskühlung bestimmt würde. Beobachtungsdaten liefern direkte Hinweise darauf, dass AGN Energie in die Zentren von Haufen einspeisen. Man beobachtet, dass AGN während ihrer aktiven Phasen heiße, aufsteigende Blasen im Haufen erzeugen können. Diese lösen sich von dem Haufenzentrum und wechselwirken während ihres Aufstiegs mit dem umgebenden Gas, was möglicherweise zu dem gesuchten Heizungsmechanismus der zentralen Region führt.

Um zu überprüfen, ob dieses physikalische Szenario der Heizung mit Blasen tatsächlich funktioniert, haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik eine Reihe von hydrodynamischen Simulationen durchgeführt, in denen sie das periodische Heizen mit AGN-Blasen mit einbezogen haben. Zum ersten Mal haben sie dabei die Entstehung mehrerer Galaxienhaufen in selbstkonsistenten kosmologischen Simulationen verfolgt, wobei sie besonders die Änderungen der Eigenschaften des gasförmigen Haufenmediums und der Galaxien im Haufen unter dem Einfluß des AGN-Heizens untersucht haben.

Die Simulationen reproduzieren die charakterischen Merkmale, die für die Morphologie der Blasen beobachtet werden. Dies kann man in Abbildung 1 sehen, in der wir eine Temperaturkarte der zentralen Haufenregion zeigen (siehe auch den zugehörigen Film). Die Blasen entwickeln eine pilzartige Struktur, während sie in der Haufenatmosphäre aufsteigen, wobei sie das Gas über ihnen zusammendrücken und auch kühleres Gas aus dem Zentrum einschließen und mittransportieren. Im Ergebnis vermischen sie dadurch kühlere und heißere Gaskomponenten, die anfangs bei verschiedenen radialen Abständen zu finden sind, und heizen damit die zentrale Region des Haufens effektiv auf. Allerdings ist dieser Heizungsmechanismus vergleichsweise sanft, da er ohne die Entstehung von nennenswerten Stoßwellen abläuft, so dass das Gas oberhalb der Blase eine kühle Randzone ausbilden kann, so wie es in einer Reihe von Fällen beobachtet wird.

Nachdem die Energie in den Blasen freigesetzt worden ist, erzeugt die darauffolgende Ausdehnung der Blasen Schallwellen, die durch den Haufen laufen und sogar die Außenbezirke innerhalb von 109 Jahren erreichen können. Diese Schallwellen bewirken schwache Schwankungen in der Röntgen-Emission (siehe Abbildung 2). Je nach der Stärke der Viskosität in dem Gas sollten diese, von den Blasen induzierte Schallwellen ihre Energie auf unterschiedlichen räumlichen Skalen abgeben, was möglicherweise einen weiteren Mechanismus für das nicht-lokale Heizen des Gases im Haufen ergibt.

Durch die Benutzung von selbstkonsistenten kosmologischen Simulationen der Entstehung von Galaxienhaufen konnten die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik auch zeigen, wie die Blasen von dem AGN die Eigenschaften der Sterne und des Gases im Haufen über die kosmische Zeit hinweg verändern. Insbesonderes untersuchten sie die Kühlungszeit des Gases, wie in Abbildung 3 gezeigt. Dabei verglichen sie Simulationen ohne (blaue Linie) und mit (rote Line) einer Heizung durch Blasen. Wie deutlich zu sehen ist, wird das Gas im Haufenzentrum effizient geheizt, so dass es sehr viel höhere Werte für die Kühlungszeit aufweist. Neben der Kühlungszeit ändern sich andere thermodynamische Eigenschaften des Gases ebenfalls, und die Trends dieser Veränderungen gehen alle in eine Richtung, welche die Übereinstimmung der simulierten Systeme mit den Beobachtungen der wirklichen Galaxienhaufen verbessert.

Es ist dabei interessant, dass sich nicht nur der thermodynamische Zustand des Gases im Haufen aufgrund der AGN-Aktivität verändert, sondern dass auch die Eigenschaften der zentralen Haufengalaxie modifiziert werden. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei, dass die Zahl der Sterne, die sich in der schweren, zentralen cD-Galaxie bilden, stark reduziert wird, bis zu dem Punkt einer vollständigen Unterdrückung weiterer Sternentstehung zu späten Zeiten. Dies ist sehr bedeutsam für ein anderes schweres Problem früherer hydrodynamischer Simulationen der Galaxienentstehung. Diese sagten in der Regel die Existenz von zu massereichen und zu blauen zentralen Galaxien voraus. Das Heizen mit den Blasen verringert die Menge der Sterne allerdings. Zusammen mit der damit verbundenen Unterdrückung der Sternentstehung, was die zentrale Galaxie wesentich röter macht, ergibt sich dadurch eine viel bessere Übereinstimmung mit Beobachtungen.

Es ist eine verblüffende Erkenntnis, dass Objekte, die so klein wie Schwarze Löcher sind, doch den Zustand der größten virialisierten Objekte im Universum, nämlich den großen Galaxienhaufen mit oft mehr als tausend Systemen, entscheidend verändern können. Doch die Ausflüsse von akkretierenden superschweren Schwarzen Löchern sind so energiegeladen, dass dies tatsächlich möglich ist. Und wie die Ergebnisse dieser Arbeit bestätigen, könnte dies die richtige physikalische Erklärung für das Kühlungsfluß-Rätsel sein. Schwarze Löcher scheinen daher eine ausgesprochen wichtige Rolle für die Galaxienentstehung insgesamt zu spielen.


Debora Sijacki und Volker Springel

Originalveröffentlichung:

D. Sijacki and V. Springel: Hydrodynamical simulations of cluster formation with central AGN heating, 2005, MNRAS, accepted
dokument.gifastro-ph/0509506


Weitere Informationen:

linkPfeil.gifColliding galaxies light up dormant black holes
Tiziana Di Matteo, Volker Springel and Lars Hernquist

linkPfeil.gifMagnetic Turbulence in the Hearts of Clusters of Galaxies
Torsten Ensslin and Corina Vogt

linkPfeil.gifThe parallel lives of super-massive black holes and their host galaxies
Andrea Merloni

linkPfeil.gif The Connection Between Active Galactic Nuclei and Starbursts
Guinevere Kauffmann


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Letzte Änderung: 21.11.2005