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Alle Galaxien sind von Magnetfeldern durchzogen, so auch unsere
Milchstraße. Dabei folgen die Magnetfeldlinien zum Teil den Bewegungen
des galaktischen Gases, können aber auch die Ursache für derartige
Bewegungen sein. Trotz intensiver Forschung ist der Ursprung der
Magnetfelder noch immer unbekannt. Man nimmt aber an, dass sie durch
Dynamoprozesse aufgebaut werden, bei denen mechanische Energie in
magnetische Energie umgewandelt wird. Ähnliche Prozesse laufen im
Innern der Erde, der Sonne und im weitesten Sinn auch in
Fahrraddynamos ab. Die neue Karte galaktischer Magnetfelder liefert
nun neue Einblicke in die Maschinerie des galaktischen Dynamos.
Eine Möglichkeit die kosmischen Magnetfelder zu messen bietet der seit
über 150 Jahren bekannte Faraday-Effekt. Dabei wird die
Polarisationsebene von polarisiertem Licht, das durch ein
magnetisiertes Medium fällt, gedreht. Das Ausmaß dieser Drehung hängt
unter anderem von der Magnetfeldstärke und -richtung ab und erlaubt es
somit, diese Eigenschaften zu untersuchen.
Um das Magnetfeld unserer eigenen Galaxie zu messen, benutzen
Radioastronomen das polarisierte Licht entfernter Radiogalaxien,
welches auf seinem Weg zu uns die Milchstraße durchqueren muss. Die
dabei auftretende Drehung der Polarisation durch den Faraday-Effekt
kann durch Messungen bei verschiedenen Frequenzen rekonstruiert
werden. Damit können die Astronomen für die Sichtlinien zu den so
vermessenen Radiogalaxien die Stärke des Faraday-Effektes bestimmen
und erhalten somit Information über das galaktische Magnetfeld.
Um aus den Faraday-Messungen ein Bild der Magnetfelder der Milchstraße
zu erhalten, müssen an möglichst dicht verteilten Himmelspunkten
solche Radiogalaxien hinter der Milchstraße beobachtet werden. Doch
wurden insbesondere am Südhimmel bisher nur wenige Messungen
vorgenommen. Der von den 26 Radioastronomen des Projektes
beigesteuerte Datensatz umfasst 41.330 Einzelmessungen und somit im
Durchschnitt etwa eine Radiogalaxie pro Quadratgrad des Himmels.
Um eine möglichst realistische Karte des gesamten Himmels zu erhalten,
muss also zwischen den vorhandenen Messpunkten interpoliert werden,
wobei zwei Schwierigkeiten auftreten: Die jeweiligen Messgenauigkeiten
variieren stark, deshalb sollten genauere Messungen ein größeres
Gewicht bekommen. Außerdem ist nicht bekannt, wie groß die
Himmelsregion ist, über die ein Messpunkt noch zuverlässig
Informationen über seine Umgebung liefert. Diese Entfernung muss also
direkt aus den Daten selbst erschlossen und korrekt berücksichtigt
werden.
Dem nicht genug, gibt es noch ein weiteres Problem: Aufgrund des
höchst komplexen Messvorgangs sind die Messunsicherheiten selbst
unsicher. So kommt es vor, dass der tatsächliche Messfehler für einen
kleinen aber signifikanten Teil der Daten mehr als zehn mal so groß
ist, wie von den Radioastronomen angegeben. Die vermeintliche
Genauigkeit dieser Ausreißer kann die Faraday-Karte galaktischer
Magnetfelder stark verfälschen, sofern keine entsprechende
Fehlerkorrektur vorgenommen wird.
Für derlei problematische Daten haben Wissenschaftler am MPA einen
neuartigen Algorithmus zur Bildrekonstruktion entwickelt, den
“erweiterten kritischen Filter”. Das Team nutzt dabei
Methoden der neuen Informationsfeldtheorie, die logische und
statistische Methoden auf Felder mit ungenauen Fehlerangaben anwendet.
Dieser Ansatz ist so allgemein, dass er für eine Vielzahl von Bild- und
Signal-verarbeitenden Anwendungen in Astronomie, Medizin und Geographie
von Nutzen sein kann.
Neben der detaillierten Faradaykarte (Abb. 1) liefert der Algorithmus
auch eine Karte der verbleibenden Unsicherheiten (Abb. 2), die
insbesondere in der galaktischen Scheibe und in der weniger gut
beobachteten Region um den Himmelssüdpol (rechter unterer Quadrant)
deutlich größer sind. Um die Strukturen im galaktischen Magnetfeld
hervorzuheben, ist in Abb. 3 der Effekt der galaktischen Scheibe
heraus gerechnet worden, sodass schwächere Strukturen ober- und
unterhalb der galaktischen Scheibe besser sichtbar sind.
Dadurch zeigt sich neben dem auffälligen horizontalen Band der
Gasscheibe unserer Milchstraße in der Bildmitte, dass die
Magnetfeldrichtungen ober- und unterhalb der Scheibe entgegengesetzt
zu sein scheinen. Ein analoger Richtungswechsel findet auch an der
vertikalen Mittellinie statt, die durch das Zentrum der Milchstraße
verläuft.
Ein spezielles Szenario des galaktischen Dynamos sagt genau diese
symmetrischen Strukturen voraus; dieses wird somit durch die neu
erstellte Karte unterstützt. Die Magnetfeldlinien laufen in diesem
Szenario parallel zur Ebene der galaktischen Scheibe kreis- oder
spiralförmig um das galaktische Zentrum, wobei sie oberhalb und
unterhalb der Scheibe entgegengesetzte Richtungen haben (Abb. 3). Von
unserer Randposition in der galaktischen Scheibe aus gesehen entstehen
daher die beobachteten Symmetrien der Faradaykarte.
Neben diesen großskaligen Strukturen sind aber auch diverse kleinere
Strukturen zu sehen, die mit turbulenten Verwirbelungen und
Verklumpungen im äußerst dynamischen Gas der Milchstraße
zusammenhängen. Die neue Methode liefert als Nebenprodukt eine
Charakterisierung der Größenverteilung dieser turbulenten Strukturen,
das sogenannte Leistungsspektrum, wobei größere Strukturen stärker
ausgeprägt sind als kleinere, wie es für Turbulenz typisch ist. Dieses
Spektrum kann direkt mit Vorhersagen aufwändiger Computersimulationen
der turbulenten Gas- und Magnetfelddynamik unserer Galaxie verglichen
werden und erlaubt somit, galaktische Dynamomodelle im Detail zu
testen.
Die neue Magnetfeldkarte ist aber nicht nur zum Studium unserer
Galaxie interessant, auch zukünftige Studien extragalaktischer
Magnetfelder werden auf diese Karte zurückgreifen, um den galaktischen
Anteil der Messungen abziehen zu können. Von der nächsten Generation
an Radioteleskopen wie LOFAR, eVLA, ASKAP, MeerKAT und dem SKA wird in
den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine Fülle von neuen Messungen
des Faraday-Effekts erwartet. Diese wird in Aktualisierungen der Karte
einfließen, um das Bild des Faraday-Himmels weiter zu
verfeinern. Vielleicht wird diese Karte dann einmal den Weg zum
verborgenen Ursprung der galaktischen Magnetfelder weisen.
Originalveröffentlichung:
Niels Oppermann, Henrik Junklewitz, Georg Robbers, Mike R. Bell, Torsten A.
Enßin, Annalisa Bonafede, Robert Braun, Jo-Anne C. Brown, Tracy E. Clarke,
Ilana J. Feain, Bryan M. Gaensler, Alison Hammond, Lisa Harvey-Smith,
George Heald, Melanie Johnston-Hollitt, Uli Klein, Phil P. Kronberg, S.
Ann Mao, Naomi M. McClure-Griffiths, Shane P. O'Sullivan, Luke Pratley,
Tim Robishaw, Subhashis Roy, Dominic H.F.M. Schnitzeler, Carlos
Sotomayor-Beltran, Jamie Stevens, Jeroen M. Stil, Caleb Sunstrum, Anant
Tanna, A. Russell Taylor, and Cameron L. Van Eck,
"An improved map of the galactic Faraday sky",
2011, submitted
http://arxiv.org/abs/1111.6186
Niels Oppermann, Georg Robbers, Torsten A. Enßlin,
"Reconstructing signals from noisy data with unknown signal and noise covariances",
2011, Physical Review E 84, 041118
http://arxiv.org/abs/1107.2384
Torsten A. Enßlin, Mona Frommert, Francisco S. Kitaura,
"Information field theory for cosmological perturbation reconstruction and non-linear signal analysis",
2009, Phys. Rev. D 80, 105005
http://arxiv.org/abs/0806.3474
Weitere Informationen:
Interaktive Faraday-Karte und Bilder
Informationsfeldtheorie
Kontakt:
Niels Oppermann
Tel. 089 30000-2269
E-mail: noppermannmpa-garching.mpg.de
Torsten Enßlin
Tel. 089 30000-2243
E-mail: tensslinmpa-garching.mpg.de
Hannelore Hämmerle
Tel. 089 30000-3980
E-mail: prmpa-garching.mpg.de
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