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Die großräumige Struktur ist eine der wichtigsten Messgrößen in der modernen Astronomie, um die Eigenschaften unseres Universums zu erforschen. Große Programme zur Durchmusterung von Galaxien wie der "2dF Galaxy Redshift Survey" oder der "Sloan Digital Sky Survey (SDSS)" messen die Winkelpositionen von Millionen von Galaxien am Himmel sowie ihre Entfernung - und schauen dabei bis zu 6,4 Milliarden Jahre in die Vergangenheit zurück. Die Wissenschaftler konstruieren aus diesen Daten dann dreidimensionale Karten des Universums, wie in Abbildung 1 gezeigt.
In Abbildung 1 sind sowohl Filament-artige Strukturen als auch relativ leere Regionen zu erkennen. So sieht unser Universum aus. Um diese Strukturen des Universums zu quantifizieren, verwenden die Wissenschaftler die sogenannte "Zwei-Punkt Korrelations-Funktion". Diese gibt an, wie wahrscheinlich es ist, Galaxienpaare in einem bestimmten scheinbaren Abstand zu finden. Ein Beispiel: Bei dem gewählten Abstand von 150 Mpc (etwa 490 Millionen Lichtjahre oder 4,6 Trilliarden Kilometer) wird die Anzahl von Galaxienpaaren gezählt. Diese Zählung wird dann für andere Abstände wiederholt. Am Ende ergibt sich daraus die Zwei-Punkt-Korrelation als Funktion des Abstands.
Die orangen Datenpunkte in Abbildung 2 zeigen die Messung dieser Zwei-Punkt-Korrelations-Funktion für Galaxien, die im Rahmen von SDSS beobachtet wurden. Bei einem Abstand von 150 Mpc ist die leicht Messung erhöht, das heißt, in diesem Abstand ist es wahrscheinlicher Galaxienpaare zu finden, als in größeren oder kleineren Abständen. Dieser "Buckel" hat seinen Ursprung nur etwa 400000 Jahre nach dem Urknall, als Schallwellen das Plasma das gesamte (damals ionisierte) Universum durchdrangen.
Obwohl die Zwei-Punkt Korrelations-Funktion die gängigste statistische Methode zur Vermessung von Strukturen im Universum ist, enthalten die beobachteten Galaxien noch mehr Informationen. Eine interessante Frage ist, ob und wie die Strukturen von ihrer großräumigen Umgebung abhängen. Genauer gesagt wollen die Wissenschaftler wissen, ob es in relativ dichten Regionen mehr Strukturen gibt im Vergleich zu weniger dichten Bereichen des Universums.
Diese Frage kann durch die "Drei-Punkt-Korrelations-Funktion" beantwortet werden, d.h. der Suche nach drei Galaxien in einem bestimmten Abstand. Allerdings hängen diese Messungen davon ab, Dreiergruppen von Galaxien zu finden; eine Methode, die aufgrund der großen Anzahl beobachteter Galaxien sehr rechenintensiv ist.
Eine Forschergruppe am MPA hat jetzt eine neue Methode entwickelt: die positionsabhängige Zwei-Punkt-Korrelations-Funktion. Damit kann untersucht werden, wie die Strukturen von ihrer Umgebung abhängen und misst genau dieses Signal bei den beobachteten Galaxien. Die Astrophysiker teilten eine Galaxienstudie in unterschiedliche Raumeinheiten (Abbildung 3) und bestimmten dann sowohl die gemittelte Überdichte (im Vergleich zum gesamten Survey) als auch die Zwei-Punkt-Korrelations-Funktion in jeder Untereinheit, um so eine positionsabhängige Zwei-Punkt-Korrelations-Funktion zu erhalten. Schließlich setzten die Wissenschaftler diese beiden Messungen in Bezug zueinander. Wenn eine positive Korrelation vorhanden ist, dann ist es wahrscheinlicher, in einer über-dichten Umgebung mehr Strukturen zu finden, und andersherum. Mathematisch ausgedrückt ist diese Korrelation ein Integral der Drei-Punkt-Korrelations-Funktion; sie wird deshalb auch integrierte Drei-Punkt-Funktion genannt. Weil diese neue Methode aber nur die Zählung von Galaxienpaaren erfordert, sind die Rechenprobleme mit der Drei-Punkt-Funktion deutlich gemildert.
Die Wissenschaftler wandten diese Methode auf "echte" und "Pseudo"-Datensätze von SDSS-Galaxien an. Die echten Daten enthalten Positionen und Abstände (Rotverschiebungen) von 0,4 Millionen beobachteter Galaxien; die 600 Pseudodatensätze wurden mit Simulationen generiert um die Eigenschaften der realen Daten widerzuspiegeln. Abbildung 4 zeigt die Messung der integrierten Drei-Punkt-Korrelations-Funktion für den BOSS-DR10-CMASS-Datensatz. Auch wenn die integrierte Drei-Punkt-Korrelations-Funktion der beobachteten Galaxien nicht perfekt mit den Simulationen übereinstimmt, liegen die Daten immer noch im Bereich der Streuung der simulierten Ergebnisse. Außerdem sind die Messwerte sowohl für die echten Daten als auch im Mittel für die Simulationen für alle Abstände größer als Null. Das bedeutet, dass im Universum Strukturen stärker wachsen, wenn sie sich in einer sehr dichten Umgebung befinden.
Die Verknüpfung zwischen Strukturen auf kleinen Skalen und ihrer Umgebung oder dem Hintergrund spielt eine grundlegende Rolle in der Kosmologie. Diese Korrelation entsteht durch die Gravitation und wahrscheinlich aufgrund von inflationärer Physik. Diese neue Messgröße, die positionsabhängige Zwei-Punkt-Korrelations-Funktion, erlaubt es, unser Verständnis der Gravitation und der Physik der Inflation zu überprüfen. Durch das Zusammenfügen der ersten Messung mit anderen Studien, wie zum Beispiel der globalen Zwei-Punkt-Korrelations-Funktion oder dem schwachen Gravitationslinseneffekt, können wir nachvollziehen, wie Galaxien der zugrunde liegenden dunklen Materiedichte folgen. In Zukunft - mit besseren Daten - könnten wir in der Lage sein, mit dieser Methode die Eigenschaften der Inflation zu untersuchen. Diese ist eine der größten Rätsel der Physik und stellt gleichzeitig den Ausgangspunkt für alle Strukturen im Universum heute dar.
Chi-Ting Chiang
Publikationen:
Chi-Ting Chiang, Christian Wagner, Ariel G. Sánchez, Fabian Schmidt, and Eiichiro Komatsu Position-dependent correlation function from the SDSS-III Baryon Oscillation Spectroscopic Survey Data Release 10 CMASS Sample,
http://arxiv.org/abs/1504.03322
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