| |
Im Laufe ihres Lebens "verbrennen" Sterne leichte Elemente wie Wasserstoff durch
Kernfusion zu schwereren und produzieren dadurch Energie, bis am Ende im Innern
ein Eisenkern entstanden ist. Da Eisen das am stärksten gebundene Element
ist, können keine schwereren Elemente in Fusionsreaktionen produziert
werden und das Kernbrennen erlischt. Der Eisenkern wächst jedoch durch
Fusionsprozesse an seiner Oberfläche weiter. Zu diesem Zeitpunkt wird die
der Gravitation entgegenwirkende Kraft durch den quantenmechanischen Druck der
Elektronen geliefert. ähnlich wie bei einem Weißen Zwerg existiert
eine kritische Masse oberhalb derer der Eisenkern der Gravitation nicht mehr
widerstehen kann und in sich kollabiert. Unter geeigneten Bedingungen kommt es
dabei zu einer gewaltigen Sternexplosion, einer Supernova.
Bereits in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstanden erste Theorien
dazu, woher die Energie einer Supernova stammt: Durch die extrem großen
Gravitationskräfte kollabiert der Kern innerhalb von Sekundenbruchteilen zu
einem Neutronenstern. Die dabei frei werdende gravitative Bindungsenergie wird
durch eine Stoßfront nach außen transportiert, aber schnell durch
die äußeren Schichten des Eisenkerns absorbiert. Um tatsächlich
eine Explosion auszulösen, ist ein zusätzlicher Effekt nötig:
Heizung der Materie durch Neutrinos (siehe Highlight von 2001). Diese
geisterhaften Elementarteilchen werden im entstehenden Neutronenstern in
großer Zahl erzeugt und bewegen sich außerhalb der
Neutronensternoberfläche relativ ungehindert nach außen. Auf diese
Weise können sie der Materie im sogenannten "Kühlgebiet" Energie
entziehen und durch Absorption bei größeren Abständen vom
Neutronenstern wieder deponieren. Dadurch heizen sie das Plasma im sogenannten
"Heizgebiet" hinter der Stoßwelle auf. Ist die deponierte Energiemenge
groß genug, wird der Stoß nach außen beschleunigt, was
letztendlich den Stern in einer Supernova zerreißt. So weit die Theorie.
Der Weg zur Bestätigung in detaillierten physikalischen Modellen aber war
lang: In den 1980er Jahren "explodierte" der erste Stern im Computer, allerdings
in einem nur kugelsymmetrischen (d.h. eindimensionalen) Modell und teilweise mit
speziellen Annahmen zur vereinfachten Beschreibung der Physik. Die Beobachtung
der Supernova 1987A zeigte aber, dass während der Explosion
mehrdimensionale Effekte eine wichtige Rolle spielen. Die Umgebung des
Neutronensterns wird durch Konvektion durchmischt, was die Neutrinoheizung
zusätzlich unterstützt. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis die
Wissenschaftler mit zweidimensionalen Modellen die grundsätzliche
Funktionsweise des Neutrino-Mechanismus bestätigen konnten (siehe Pressemitteilung von 2009). Die dabei erzwungene Rotationssymmetrie um eine
willkürliche Achse bedeutet eine starke Einschränkung der
Bewegungsmöglichkeiten des stellaren Plasmas. Außerdem verhalten sich
turbulente Strömungen unter diesen Symmetrieannahmen anders als in drei
Dimensionen. Daher war der Weg zu dreidimensionalen Rechnungen
unumgänglich, um alle Prozesse während der Supernova korrekt
modellieren zu können.
Nachdem Simulationen in drei Dimensionen bislang keine erfolgreichen Explosionen
lieferten (siehe Pressemitteilung von 2013
und Highlight von 2014), erhalten die Wissenschaftler nun ein lang ersehntes Ergebnis: die erste
erfolgreiche, durch Neutrinos angetriebene Explosion eines Sterns mit einer
Anfangsmasse von 9,6 Sonnenmassen in einer dreidimensionalen, selbstkonsistenten
Simulation (siehe Abb. 1). Die Komplexität bestand dabei darin, die
Neutrinos möglichst korrekt zu beschreiben, sodass selbst Supercomputer
einige Monate mit der Berechnung beschäftigt waren. Die benutzten Methoden
bedeuten die aktuell vollständigste Beschreibung der Wechselwirkungen von
Neutrinos mit Materie in Supernovarechnungen. Insbesondere stand die Frage im
Raum, ob dreidimensionale Turbulenz in dem durch Neutrinos geheizten Plasma
für die Explosion hilfreich oder eher hinderlich ist, was von
Wissenschaftlern kontrovers diskutiert wird.
In diesem Fall ist die Antwort ein klares Ja: Durch dreidimensionale Turbulenz steht etwa 10% mehr Energie für die
Explosion zur Verfügung. Die Turbulenzeffekte im Heizgebiet beeinflussen die Strömung von Sternmaterie
in das Kühlgebiet, wodurch die Temperatur in dieser Region niedriger
bleibt. Da die Kühlung durch Neutrinos stark von der Temperatur
abhängt, ist der Energieverlust durch Neutrinoemission bei geringerer
Temperatur kleiner und die Explosion verstärkt sich. Es ist allerdings
schwierig vorherzusagen, ob dieses Phänomen auch für noch
massereichere Sterne eine ähnlich wichtige Rolle spielen könnte.
Hierfür sind weitere Simulationen nötig. Außerdem wollen die
Wissenschaftler die Explosion mit noch höherer Auflösung berechnen, um
Turbulenz besser auflösen und auf kleineren Skalen untersuchen zu
können. Eine weitere wichtige Frage ist auch, ob der Stern bereits vor dem
Kollaps Asymmetrien aufweisen könnte und wie sich diese auf die Explosion
auswirken würden. Trotz dieses wichtigen Meilensteins sind die
Astrophysiker also noch lange nicht am Ziel.
Tobias Melson, Hans-Thomas Janka
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Hannelore Hämmerle
Publikation:
T. Melson, H.-T. Janka, & A. Marek, Neutrino-driven supernova of a low-mass
iron-core progenitor boosted by three-dimensional turbulent convection,
Astrophysical Journal Letters, 801, L24 (2015)
|
Das Projekt wurde durch das ERC-AdG No. 341157-COCO2CASA vom
Europäischen Forschungsrat unterstützt. |
Außerdem gilt der Dank der Autoren der Deutschen
Forschungsgemeinschaft für Unterstützung durch Mittel des
Exzellenzclusters EXC 153 "Ursprung und Struktur des Universums" und der
Europäischen PRACE Initative für Rechenzeit auf SuperMUC
(GCS@LRZ, Deutschland) und Curie (GENCI@CEA, Frankreich).
|