Der Ursprung der galaktischen Röntgenemission in einem neuen Licht

Frühere Studien haben festgestellt, dass ein Großteil der scheinbar diffusen galaktischen Röntgenemission eigentlich von Punktquellen erzeugt wird. Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik sagen nun voraus, dass in der galaktischen Ebene 10-30% dieser Strahlung in der Tat diffus sein könnte. Diese sollte durch das interstellare Gas erzeugt werden, welches die von Röntgendoppelsternen erzeugte Strahlung streut. Weitere Studien dieser tatsächlich diffusen Komponente könnten den Astrophysikern wertvolle Informationen über die galaktischen Röntgendoppelsterne und die Geschichte der Röntgenaktivität in unserer Milchstraße liefern.

Abb. 1: Komponenten der GRXE in der Ebene der Milchstrasse im Energiebereich von 3-10keV. Die gestreute GRXE ist für zwei Typen von XBs, XBs mit kleiner Masse (LMXBs) und massereiche XBs (HMXBs), einzeln aufgeführt. Die einzelnen Quellen, die zu den Höhepunkten im Streuprofil der GRXE beitragen, sind namentlich gekennzeichnet.

Abb. 2: Karte des Streuanteils der GRXE-Emission am Himmel. Man erwartet, dass sie der Verteilung des interstellaren Gas in der Galaxie folgt: in der Tat zeigt die Karte, dass die Intensität tendenziell in der Galaxienebene stärker ist, wo das meiste interstellare Gas konzentriert ist. Sehr dichte Gasregionen, wie dichte Molekülwolken, sind als helle Punkte in der Karte deutlich sichtbar.

Abb. 3: Höhenprofile für die gestreute GRXE für zwei Modelle der Röntgendoppelsterne in der Galaxie, einmal aufgrund von Beobachtungen in unserer eigenen Galaxie („scattered XBs“, rote Kreuze) und in anderen Galaxien („scattered Monte Carlo XBs“, schwarze Kreuze). Beide Profile folgen der Gasverteilung, die Verteilung der Sterne („stellar GRXE“, blaue Sterne) ist viel breiter. In der Region, die durch die senkrechten Linien markiert ist, stimmen beide Modelle mit den Grenzen von 10-20% nicht aufgelöster GRXE (von Revnivtsev et al. 2009) überein.

Abb. 4: Farbkodierte Darstellung des Aufheizens des interstellaren Gases pro Wasserstoffatom in der Ebene der Milchstrasse durch die Absorption von Röntgenstrahlen von einer simulierten Population von Röntgendoppelsternen. Röntgenstrahlen spielen im zentralen Bereich der Milchstrasse eventuell eine sehr wichtige Rolle für das Aufheizen des interstellaren Gases.

Die galaktische Scheibe der Milchstraße kann als Band aus Sternen quer über den Nachthimmel von der Erde aus gesehen werden. Dabei wird das Band immer wieder von schmalen, dunklen 'Staubbahnen' unterbrochen, in denen der Staub in der gasförmigen Scheibe das sichtbare Licht der Hintergrundsterne verdeckt. Viele der interessantesten Merkmale unserer Milchstraße können daher nur im Röntgenlicht beobachtet werden. Neben den Röntgenpunktquellen, die in der Milchstraße verteilt sind, beobachten wir eine scheinbar diffuse Röntgenstrahlung in der galaktischen Ebene, die als 'Galactic Ridge X-ray Emission (GRXE)' bekannt ist.

Der Ursprung dieser Emission bereitete den Astrophysikern seit ihrer Entdeckung im Jahr 1982 durch Diana Worrall und ihre Mitarbeiter Kopfzerbrechen. Aufgrund der Schwierigkeiten, die GRXE in Punktquellen aufzulösen, ging man zunächst davon aus, dass diese Emission wirklich diffus sein könnte und ihren Ursprung in einem galaktischen Plasma statt diskreten stellaren Quellen haben könnte.

Es wurde jedoch bald erkannt, dass die Temperatur des Gases für eine derartige Emission nahezu zehn Millionen Grad heiß sein müsste. Allerdings wäre das Gas bei solchen Temperaturen nicht mehr gravitativ an die Galaxie gebunden und würde aus der Galaxie entweichen. Daher wurde vorgeschlagen, dass die GRXE von einer großen Anzahl von Sternen stammen könnte, die im Röntgenbereich schwächer strahlen als Röntgendoppelsterne mit einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch (die aber immer noch heller strahlen als unsere Sonne). Obwohl es nicht möglich war, diese tatsächlich zur damaligen Zeit zu sehen, gab es die Hoffnung, dass mit neuen, empfindlicheren Röntgensatelliten eines Tages eine Vielzahl von lichtschwachen Röntgenquellen vollständig aufgelöst werden könnte.

Jahrzehnte lang wurden Versuche unternommen, diese Emission in Punktquellen aufzulösen, aber der Großteil erschien weiterhin diffus. Schließlich gelang den Wissenschaftlern Revnivtsev und Sasonow und ihren Mitarbeitern im Jahr 2009 der Durchbruch: Sie richteten das Chandra-Röntgenobservatorium ganze 12 Tage lang auf einen sehr kleinen Bereich des Himmels in der Nähe des galaktischen Zentrums und konnten mehr als 80% der Emissionen in dieser Region auflösen. Neben dieser direkten Beobachtung der Quellen gab es in den letzten Jahren weitere indirekte Nachweise, die weitere Hinweise auf einen diskreten Ursprung der GRXE gaben. Beispielsweise gibt es eine relativ gute Übereinstimmung der räumlichen Intensitätsverteilung der Emission mit der Verteilung der galaktischen Sternpopulation und auch das GRXE-Spektrum und die kombinierten Spektren der vermuteten Quellen, die diese Emission verursachen, sind sehr ähnlich.

Damit schien es, dass generell ein Konsens über die diskrete Natur der Emission herrschte und das Geheimnis der Herkunft der GRXE war offenbar endgültig gelöst worden.

Dies war jedoch nicht das Ende der Geschichte. Neuere Arbeiten von Forschern am Max- Planck-Institut für Astrophysik legen nahe, dass die GRXE schlussendlich doch eine zusätzliche, diffuse Komponente haben könnte. Diese würde nicht von der thermischen Emission eines sehr heißen Plasmas stammen, sondern würde durch die Streuung der durch leuchtende Röntgendoppelquellen in der Galaxis erzeugten Röntgenstrahlung im interstellaren Gas entstehen.

Röntgendoppelsterne sind die stärksten Röntgenleuchtquellen in Galaxien wie der Milchstraße. Diese Doppelsternsysteme emittieren Röntgenstrahlung, wenn Materie von dem einen Stern in das starke Gravitationsfeld des wesentlichen kompakteren zweiten Sterns fällt, der entweder ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch ist. Wenn die erzeugte Röntgenstrahlung dann auf die Atome und Moleküle des galaktischen interstellaren Gases trifft, wird sie in unterschiedliche Richtungen und mit unterschiedlichen Energien gestreut. Durch diese Streuung der ursprünglichen Röntgenstrahlung wirkt die daraus resultierende Strahlung auf den Betrachter wie eine diffuse Emission.

Die räumliche Intensitätsverteilung dieser Gas-Komponente des GRXE würde der Verteilung des Gases in der Milchstraße folgen und müsste sich auf charakteristischer Weise von der Intensitätsverteilung der Stern-Komponente des GRXE unterscheiden. Insbesondere wäre die Gas-Komponente "dünn" im Vergleich zu der der Sterne, da sich die Gasverteilung nicht so weit aus der galaktischen Ebene hinaus erstreckt wie die Sternpopulation. Zusätzlich würden sehr dichte Regionen des Gases, wie Molekülwolken, sehr deutliche Strukturen in der Gas-Komponente des GRXE hinterlassen. Mit einer ausreichend hohen Winkelauflösung würden dann in der Nähe dieser Regionen Schwankungen in der Stärke der GRXE-Emission beobachtbar sein.

Die Analyse der Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik ergibt, dass in der galaktischen Ebene, wo ein Großteil des interstellaren Gases konzentriert ist, die Streuemission mindestens 10-30% zur gesamten GRXE beitragen kann. Dabei geht das Interesse an der Gas-Komponente des GRXE jedoch über die Bestimmung ihres Ursprungs hinaus. Diese Strahlung enthält nämlich auch Informationen über die Verteilung und die Leuchtkraft der Röntgendoppelsterne an sich.

Direkte detaillierte Studien der galaktischen Röntgendoppelsterne sind extrem schwierig, selbst wenn man sich nur auf die allerneusten Studien beschränkt. Zwei Effekte sind dafür verantwortlich: zum einen gibt es große Unsicherheiten bei der Entfernungsbestimmung zu diesen Systemen und die begrenzte Empfindlichkeit der vorhandenen Röntgenteleskope schränken unserer Sicht auf diese Sterne außerhalb des galaktischen Zentrums stark ein; zum anderen sind diese Quellen sehr variabel, d.h. ihre Helligkeit unterliegt starken Schwankungen. Das heißt, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur einige dieser Quellen aktiv und sichtbar sind. Wenn wir nun aber den Streuanteil der beobachteten nicht aufgelösten GRXE mit beobachteten oder simulierten Daten zu galaktischen Röntgendoppelsternen vergleichen, sind wir in der Lage, indirekt Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Röntgenquellen in der Milchstraße zu ziehen.

Da das Streulicht im Vergleich zu Licht, das direkt von Punktquellen ausgesendet wird, einen längeren Weg zum Beobachter zurücklegt, hängt die Streukomponente der GRXE auch von der gesamten Röntgenaktivität der Galaxie in den letzten 10.000 bis 30.000 Jahren ab. Studien des relativen Beitrages der Streukomponente zur GRXE werden es uns daher ermöglichen, etwas über die Geschichte der galaktischen Röntgenstrahlung in diesem Zeitraum zu erfahren.

Diese Forschungen eröffnen also einen neuen Weg, wie die GRXE, deren Ursprung vielleicht noch facettenreicher ist als ursprünglich angenommen, uns mit einer Fülle von Informationen zu den hellen und schwachen Röntgenquellen, die unsere Galaxie bevölkern, versorgen kann.

Die Strahlung der Röntgendoppelsterne wird nicht nur gestreut, sondern auch von den Atomen und Molekülen absorbiert und trägt daher zum Aufheizen des interstellaren Gases bei.

Die energieärmeren Ultraviolette-Photonen leisten den Hauptbeitrag beim Heizen von diffusen interstellaren Wolken. Während diese Photonen aber in den äusseren Schichten von dichten Molekülwolken absorbiert werden, können Röntgenphotonen tief in sie eindringen.

Wir konnten bestimmen, dass Röntgendoppelsterne einen erheblichen Beitrag zum Aufheizen des interstellaren Gases leisten. Dies weist daraufhin, dass diese Strahlungsquellen bei der Bestimmung der mehrschichtigen Struktur des interstellaren Gases eine Schlüsselrolle spielen könnten.

Margherita Molaro, Rishi Khatri, Rashid Sunyaev


References:

1) Revnivtsev, M., Sazonov, S., Churazov, E., Forman, W., Vikhlinin, A., Sunyaev, R., "Discrete sources as the origin of the Galactic X-ray ridge emission", Nature, 458, 7242, pp.1142-1144,2009

2) Molaro, M., Khatri, R., Sunyaev, R., "A thin diffuse component of the Galactic ridge X-ray emission and heating of the interstellar medium contributed by the radiation of Galactic X-ray binaries", Astronomy & Astrophysics, 564, A107, 2014