Trojanische Pferde in Molekülwolken: Wie einige massereiche Sterne das Schicksal einer ganzen Galaxie bestimmen

Wenn Galaxien neue Sterne bilden erreichen nur wenige Prozent eine Masse von mehr als 8 Sonnenmassen. Trotz ihrer geringen Anzahl sind diese massereichen Sterne maßgebend für die Entwicklung einer gesamten Galaxie. Jeder einzelne massereiche Stern verhält sich sprichwörtlich wie ein trojanisches Pferd inmitten seiner Molekülwolke - er zerreißt die Wolke von Innen. Mittels hoch-aufgelöster Computersimulationen konnten Wissenschaftler am MPA zeigen, dass die ionisierende UV Strahlung eines einzelnen massereichen Sterns die Zerstörung einer Molekülwolke initiieren kann. Die nachfolgende Supernova Explosion beschleunigt das Gas noch zusätzlich. Es kann aus der Galaxie geschleudert werden und dann keine neuen Sterne mehr bilden. Diese "Feedback" Prozesse regulieren vermutlich die galaxienweite Sternentstehungseffizienz im Universum. Das Team wird jetzt über 40 Millionen CPU Stunden auf Europas schnellstem Supercomputer, SuperMUC, verwenden, um den gesamten Lebenszyklus von Molekülwolken - den Kollaps bis hin zur Sternentstehung und die anschließende Zerstörung durch Feedback - in einer realistischen, galaktischen Umgebung zu studieren. Mit diesen Simulationen wird es erstmals möglich sein, den Einfluss von massereichen Sternen von der milli-parsec Skala einzelner Sternentstehungsgebiete auf ganze Galaxien selbstkonsistent zu verfolgen.

Abb. 1: 3D-Simulation einer HII-Region (einer größtenteils ionisierten Gaswolke), die sich in eine Molekülwolke von 10.000 Sonnenmassen ausdehnt. Die Farbskala gibt die Säulendichte in Projektion wieder. Die schwarzen Punkte sind Sterne, die sich in diesen Simulationen unter dem Einfluss der eigenen Schwerkraft bilden.

Abb. 2: Diese Temperaturprofile zeigen die Auswirkungen einer Supernovaexplosion in einer zehnmal massereicheren Molekülwolke (100.000 Sonnenmassen). Die drei Felder zeigen (von oben nach unten): a) den adiabatischen Fall (ohne Strahlungskühlung), b) den Fall mit Strahlungskühlung und c) das vollständige Modell, bei dem noch vor der Supernovaexplosion ionisierende Strahlung auf die Wolke wirkt.

Abb. 3: Das Ziel des SILCC-Projekts ist es, den gesamten Lebenszyklus einer Molekülwolke in einer Simulation darzustellen. Die Felder zeigen die einzelnen Stadien von der Bildung der Wolke bis hin zur Entstehung von Sternen, dem Feedback und den großskaligen, galaktischen Winden. Jedes Stadium wurde bereits in einzelnen Simulationen von Mitgliedern des SILCC-Teams untersucht.

Weniger als 1 % aller entstehender Sterne erreichen eine Masse von mehr als 8 Sonnenmassen, bevor die Kernfusion in ihrem Inneren beginnt und sie anfangen zu leuchten. Leben und Tod eines solchen massereichen Sterns ist deutlich aufregender als bei massearmen Sternen, wie zum Beispiel der Sonne. Zu Lebzeiten verändert der massereiche Stern durch intensive UV Strahlung und einen schnellen, stellaren Windes das umgebende interstellare Medium, welches aus kaltem (10 Kelvin), molekularen Gas besteht. Die emittierte UV Strahlung ionisiert die umgebende Molekülwolke und heizt sie dadurch auf 10,000 Kelvin wodurch eine sogenannte HII Region entsteht. Die heiße, ionisierte Blase dehnt sich immer weiter in die kalte Umgebung aus wobei mehr und mehr kaltes Gas aufgesammelt wird aus dem sich neue Sterne bilden können. Nach nur wenigen Millionen Jahren explodiert ein massereicher Stern als Supernova Typ II. Bei dieser Explosion wird enorm viel Energie freigesetzt wodurch das umgebende Gas auf bis zu 100 Millionen Kelvin geheizt und teilweise stark beschleunigt wird. Obwohl massereiche Sterne selten sind, beeinflussen sie die Entstehung und Entwicklung einer Galaxie maßgeblich. Sie sind die Hauptquelle stellarer Feedback Energie und somit in der Lage Molekülwolken von innen heraus zu zerstören. Dadurch regulieren sie die Sternentstehung in einer Galaxie und können sogar Gas in großskaligen, galaktischen Winden aus der Galaxie blasen.

Mittels hochaufgelöster, drei-dimensionaler Computersimulationen untersuchen Wissenschaftler am MPA die Zerstörung von Molekülwolken durch ionisierende UV Strahlung (siehe Abb. 1) sowie durch Supernova Explosionen massereicher Sterne (siehe Abb. 2). Sie zeigen, dass relativ leichte Molekülwolken mit einer Masse von 10,000 Sonnenmassen schon durch die ionisierende Strahlung auseinandergeblasen werden können. Dies geschieht bevor der Stern als Supernova explodiert. Schwerere Wolken erfordern jedoch drastischere Ma\ss nahmen. Obwohl die ionisierende Strahlung auch hier eine wichtige Rolle spielt, können Wolken mit 100,000 bis 1 Million Sonnenmassen nur durch Supernova Explosionen zerstört werden. Um das stellare Feedback korrekt zu modellieren, müssen komplexe, nicht-lineare Kühlprozesse im interstellaren Medium berücksichtigt werden. Diese sorgen dafür, dass die Supernova viel effizienter auf das umgebende Medium einwirkt, wenn die Explosion in einer vor-ionisierten HII Region mit niedriger Dichte stattfindet. Die Wissenschaftler quantifizieren diesen Effekt, indem sie Simulationen von Supernovae in Wolken mit und ohne vorherige Ionisation stattfinden lassen. Dabei stellt sich heraus, dass Modelle welche die intrinsische Ionisation und die Kühlung des interstellaren Gases in Betracht ziehen, Ergebnisse liefern, welche der ausführlich behandelten Sedov Lösung erstaunlich nahe kommen. Die Sedov Lösung beschreibt den idealisierten Fall ohne Strahlungskühlung des interstellaren Gases. Dieses Ergebnis ist essentiell um den Einfluss von Feedback im interstellaren Medium korrekt abschätzen zu können.

Zu verstehen wie sich dieses Feedback über mehr als 6 Größenordnungen - von der milli-Parsec Skala auf welcher massereiche Sterne entstehen bis hin zu galaktischen Skalen von mehreren kilo-Parsec - fortpflanzt ist ein sehr anspruchsvolles numerisches Unterfangen. Durch den Zuspruch von mehr als 40 Millionen CPU Stunden auf dem neuen 3 Petaflop Supercomputer SuperMuc, welcher kürzlich vom Leibniz-Rechenzentrum Garching eingeweiht wurde, ist das Team nun bereit die Berechnung extrem hochaufgelöster Simulationen des gesamten Lebenszyklus von Molekülwolken (SILCC Projekt) durchzuführen und damit einen neuen Meilenstein zu setzen. linkPfeilExtern.gifSuperMUC ist momentan Europas schnellster Supercomputer und derzeit Nummer 4 im uns bekannten Universum. Das SILCC Projekt (Abb. 3) untersucht den Einfluss massereicher Sterne, von der Entstehung von Molekülwolken, über Kollaps, Sternentstehung und Feedback, bis hin zum Ausstoß des Gases aus der galaktischen Scheibe.

Die komplexen, dreidimensionalen Simulationen beinhalten eine solche Vielzahl an wichtigen physikalischen Prozessen, wie sie bis heute noch nie in ein und derselben Computersimulation berücksichtigt wurden. Aus diesem Grund kann das Team jetzt herausfinden wie das Feedback von massereichen Sternen die Sternentstehungseffizienz in Galaxien reguliert.


Stefanie Walch, Thorsten Naab


Originalveröffentlichung:

Walch, S.K.; Whitworth, A.P.; Bisbas, T.; Wünsch, R., Hubber, D., "Dispersal of molecular clouds by ionising radiation", accepted for publication in MNRAS (2012); linkPfeilExtern.gifarXiv1206.6492