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Abb. 1:
Das Dichtefeld in der Millennium-XXL-Simulation, mit einem Zoom auf den
massereichsten Halo bei z=0. Der Zoomfaktor für jedes kleinere Bild
beträgt jeweils 8 zum vorhergehenden Bild, die Kantenlänge variiert
von 4,1 Gpc zu 8,1 Mpc. Alle Bilder sind Projektionen eines dünnen
Schnitts durch die Simulation mit einer Dicke von 8 Mpc.
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Abb. 2:
Die vorhergesagte Galaxien-Verteilung in der Millennium-XXL-Simulation.
Jede Galaxie wird durch eine Kugel dargestellt, wobei die Intensität
von der erwarteten Gesamtmasse in Sternen und die Größe von der
Ausdehnung ihrer Scheibe aus kaltem Gas abhängt.
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Während der letzten beiden Jahrzehnte spielten numerische
kosmologische Simulationen eine entscheidende Rolle dabei, das
λCDM-Modell als brauchbare Beschreibung des beobachtbaren Universums
zu bestätigen. So können Astronomen beispielsweise mit Hilfe von
Simulationen die Auswirkungen verschiedener Aspekte dieses
Standardmodells auf die räumliche Verteilung von Galaxien untersuchen
und diese Vorhersagen dann direkt mit Beobachtungen vergleichen, um so
ein bestimmtes Modell zu bestätigen oder auszuschließen. In ähnlicher
Weise sind derartige Simulationen auch unentbehrlich bei der
Erforschung des Universums bei kleinen und großen Rotverschiebungen,
da sie die einzige Möglichkeit darstellen, das Ergebnis der
nichtlinearen Strukturbildung im Kosmos vorherzusagen.
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben nun,
zusammen mit Kollegen im Virgo-Konsortium, die größte kosmologische
N-Körper-Simulation abgeschlossen, die jemals durchgeführt
wurde. Dabei wurden die gravitativen Wechselwirkungen von mehr als 300
Milliarden Teilchen über einen Zeitraum von über 13 Milliarden Jahren
berechnet, um so gleichzeitig Vorhersagen für die Massenverteilung im
Universum auf sehr großen und sehr kleinen Skalen zu erhalten. Diese
Berechnungen stellten allerdings selbst auf den heute
leistungsfähigsten Supercomputern eine große Herausforderung dar. Die
Simulation benötigte insgesamt rund 300 Jahre an CPU-Rechenzeit auf
mehr als 12 000 Computer-Cores und 30 TB RAM-Speicher auf der
Juropa-Maschine am Supercomputerzentrum Jülich, einem der - zum
Zeitpunkt der Simulation - 15 leistungsfähigsten Computer
weltweit. Dabei wurden mehr als 100 TB an Daten produziert.
Diese neue Simulation mit dem Namen "Millennium-XXL" verfolgt den
Werdegang von allen 6720³ Teilchen in einem kosmologischen Würfel von
4,1 Gpc Kantenlänge, wobei die großskaligen Strukturen in einer nie da
gewesenen Kombination aus Umfang und Detailgenauigkeit aufgelöst
werden. Die enorme statistische Vorhersagekraft der Simulation wird in
Abb. 1 angedeutet, in der das projizierte Dichtefeld für sehr große
Skalen und für den größten Haufen bei einer Rotverschiebung von z=0
dargestellt ist. Mit der Simulation wurden auch die Bildung und
Entwicklung von Galaxien modelliert, um so eine Auswahl von rund 700
Millionen Galaxien bei geringen Rotverschiebungen zu erhalten, deren
Verteilung in Abb. 2 gezeigt ist. Dadurch wird es nun nicht nur
möglich, detaillierte Untersuchungen der Haufenbildung für seltene
Objekte wie Quasare oder massereiche Galaxienhaufen durchzuführen,
sondern auch Beobachtungen in ganz neuer Weise physikalisch zu
modellieren. Insbesondere kann das Skalen-abhängige Verhältnis
zwischen Galaxien und der zugrunde liegenden Verteilung der Dunklen
Materie sowie die Auswirkung der nichtlinearen Entwicklung auf die so
genannten baryonischen akustischen Oszillationen (BAOs), die im
Leistungsspektrum der Galaxien-Verteilung gemessen werden, zum ersten
Mal auf vollständig physikalische Art und Weise beschrieben werden.
Diese Arbeit dürfte entscheidend dazu beitragen, neue
Beobachtungsdaten zu verstehen, mit deren Hilfe das Geheimnis der
Natur der Dunklen Energie gelüftet werden soll. Dazu wird die
Entwicklung der Zustandsgleichung der Dunklen Energie als Funktion der
Rotverschiebung vermessen. Insbesondere steht die Ankunft der größten
Galaxiendurchmusterungen, die je gemacht wurden, unmittelbar bevor,
was enormes wissenschaftliches Potential für neue Entdeckungen
verspricht. Experimente wie SDSSIII/BOSS oder PanSTARRS haben damit
begonnen, den Himmel in beispiellosem Detail abzutasten, was die
Genauigkeit der bereits vorhandenen kosmologischen Sonden erheblich
verbessern wird. Zusammen mit theoretischen Bemühungen wie der jetzt
durchgeführten Simulation werden diese Experimente wahrscheinlich neue
Anforderungen an das Standard-λCDM-Modell für die kosmologische
Strukturentwicklung stellen und vielleicht sogar dazu führen, neue
Physik zu entdecken.
Raul Angulo & Simon White.
Weiteres Material:
http://galformod.mpa-garching.mpg.de/mxxlbrowser/
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