Faradaykaustiken: Lichtspiele kosmischer Magnetfelder

Ähnlich wie sonnendurchflutete Swimmingpools sollten auch zukünftige Bilder kosmischer Magnetfelder besonders helle Strukturen enthalten, wie Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik kürzlich herausfanden. Diese Strukturen sollten eine Schlüsselrolle bei der dreidimensionalen Kartographierung galaktischer Magnetfelder, wie beispielsweise dem im turbulenten Plasma unserer Milchstraße, spielen. Bisher ließen sich diese Magnetfelder nur schwer vermessen, eine neue Generation von Radioteleskopen verspricht jetzt erstmals dreidimensionale Bilder galaktischer Magnetfelder. Die MPA-Forscher sagen nun voraus, dass unter den ersten Strukturen, die in diesen Bildern sichtbar sein werden, Schichten von intensiver polarisierter Strahlung enthalten sein sollten. Diese "Faradaykaustik" getauften Strukturen sollten durch Magnetfeldumkehrungen in unserer oder anderen Galaxien entstanden sein und erlauben einen neuen Blickwinkel auf kosmische Magnetfelder.

Abb. 1: Optische Kaustiken am Grund eines Schwimmbeckens. Kleine Wellen an der Wasseroberfläche brechen das Sonnenlicht und erzeugen ein helles Muster auf dem Boden. In ähnlicher Weise erzeugen auch bei Faradaykaustiken bestimmte Konfigurationen von Magnetfeldern helle Muster in polarisierter Radiostrahlung.
Bildnachweis: linkPfeilExtern.gifGregory Massal

Abb. 2: a) Ein simuliertes Faradayspektrum, d.h. die polarisierte Intensität aufgeteilt nach der Größe der Faradayrotation, die sie erfahren hat. Das Spektrum zeigt Beispiele von Faradaykaustiken, hier rot und grün eingekreist.
b) Die Faradayrotation als Funktion der Entfernung entlang der Sichtlinie.
c) Magnetfeldkomponente entlang der Sichtlinie als Funktion der Entfernung. Dies beeinflusst die Faradayrotation. Faradaykaustiken entstehen, wo diese Komponente Null ist.
d) Das Magnetfeld in der Himmelsebene als Funktion der Entfernung entlang der Sichtlinie. Die Kaustiken, die im Faradayspektrum rot bzw. grün eingekreist sind, entsprechen bestimmten Merkmalen in der Magnetfeldverteilung, die hier durch Linien gleicher Farbe markiert sind.

Man stelle sich einen sonnigen Tag im Schwimmbad vor. Ein Blick auf den Grund des Schwimmbeckens eröffnet die Sicht auf ein fortwährend bewegtes Muster von Linien hellen Lichtes. Diese Strukturen sind sogenannte optische Kaustiken, die dadurch zu Stande kommen, dass das Sonnenlicht bei der Brechung an der Wasseroberfläche auf einzelne Linien fokussiert wird. Die unruhige Oberfläche bringt das Licht also dazu, sich nur an bestimmten Stellen des Beckengrundes zu konzentrieren, statt einfach den ganzen Boden gleichmäßig auszuleuchten.

Aber was hat das alles nun mit Astrophysik zu tun? Vor kurzem haben Michael Bell, Henrik Junklewitz und Torsten Enßlin vom Max-Planck-Institut für Astrophysik gezeigt, dass es ganz ähnliche Erscheinungen auch in der polarisierter Radiostrahlung unserer Galaxie geben sollte und tauften diese Strukturen "Faradaykaustiken". Faradaykaustiken sollen in den drei-dimensionalen Magnetfeldbildern der nächsten Generation von Radioteleskopen sichtbar werden. Genauso wie sich aus den Lichtkaustiken am Grund eines Wasserbeckens die Stärke und Größe der Wellen an der Wasseroberfläche ablesen lassen, sollten die Faradaykaustiken Eigenheiten der Struktur von galaktischen Magnetfeldern zeigen. Eine solche Kaustik zeigt an, dass das galaktische Magnetfeld entlang der Sichtrichtung seine eigene Richtung ändert. Die Beobachtungen der Kaustiken würde es daher ermöglichen, die Struktur des Magnetfeldes genauer zu vermessen und damit möglicherweise seine noch unbekannte Entstehung zu erhellen.

Magnetfelder sind nahezu allgegenwärtig im Universum. Sie werden unter anderem in Planeten und Sternen erzeugt, durchdringen aber auch die größten kosmischen Strukturen wie Galaxien und Galaxienhaufen. Obwohl die Existenz kosmischer Magnetfelder in vielen Regionen des Weltalls außer Frage steht, ist ihre genaue Vermessung äußerst schwierig. Der Effekt der Faradayrotation erlaubt es Magnetfeldeigenschaften auf die Spur zu kommen. Dabei wird die Polarisationsebene einer aus dem Kosmos stammenden Radiowelle gedreht, sobald diese ein magnetisiertes ionisiertes Gas durchquert. Die Stärke der Rotation hängt von den Eigenschaften des Magnetfeldes und der Beobachtungsfrequenz ab. Da diese Rotation durch Messungen bei verschiedenen Frequenzen gut bestimmbar ist, ist die Faradayrotation ein sehr nützliches Instrument zur Erforschung kosmischer Magnetfelder.

Die Astronomen haben allerdings das Problem, dass die aus einer Richtung empfangene Strahlung von zwei verschieden weit entfernten Radioquellen stammen könnte. Deren Strahlung ist durch unterschiedliche Magnetfelder gereist und hat daher unterschiedliche Faradayrotationen erfahren. Wie können die Astronomen diese Quellen auseinanderhalten? Die Lösung liegt in der neuen Messmethode der "Faradayrotationssynthese". Diese kann auf spektral hochaufgelöste Daten der nächsten Generation von Radioteleskopen angewendet werden. Bei dieser Technik wird dieselbe mathematische Methode angewandt, nach der man auch ein komplexes akustisches Signal, wie z.B. ein Lied, in seine unterschiedlichen Spektralanteile oder Tonhöhen zerlegen kann. Aus der Messung polarisierter Radiostrahlung kann man dann ganz analog ein "Faradayspektrum" gewinnen. Dieses stellt eine Zerlegung der polarisierten Strahlung in die Anteile dar, die durch Faradayrotation unterschiedlich stark verdreht wurden.

In genau diesem Spektrum werden nun die Faradaykaustiken als prominente Strukturen erwartet. Die Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes zeigten, dass Kaustiken polarisierter Strahlung entstehen, wann immer kosmische Magnetfelder in Sichtrichtung ihre Richtung umkehren. Solche Wechsel in der Feldrichtung sind ein häufiges Ereignis in turbulenten, astrophysikalischen Umgebungen. Demnach erwartet man, dass die Faradaykaustiken ein typisches Muster in den nun kommenden Beobachtungen sein sollten. Damit können dann räumliche und statistische Eigenschaften kosmischer Magnetfelder anhand von Faradaykaustiken gewonnen werden.

Mit passenden zukünftigen Beobachtungen, zum Beispiel mit dem gerade entstehenden europäischen LOFAR-Teleskopverbund an dem sich das Max-Planck-Institut für Astrophysik beteiligt, könnten daher neue Erkenntnisse über kosmische Magnetfelder gewonnen werden, die es vielleicht ermöglichen deren noch immer nicht verstandenen Ursprung zu entschlüsseln. Dies ist das erklärte Forschungsziel des durch die Deutsche Forschergemeinschaft finanzierte Forschergruppe zur "Magnetisierung des interstellaren und intergalaktischen Mediums", der Michael Bell, Henrik Junklewitz und Torsten Enßlin angehören.


Michael Bell, Henrik Junklewitz und Torsten Enßlin


Weitere Links

linkPfeilExtern.gifLOFAR Telescope Array
linkPfeilExtern.gifLOFAR in Deutschland
linkPfeilExtern.gifMPA LOFAR Project

linkPfeilExtern.gifResearch group about "Magnetisation of Interstellar and Intergalactic Media"


Originalveröffentlichung

M. R. Bell, H. Junklewitz, T. A. Enßlin, "Faraday caustics: Singularities in the Faraday spectrum and their utility as probes of magnetic field properties", submitted to A&A. linkPfeilExtern.gifhttp://arxiv.org/abs/1105.2693