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Im Standardbild der kosmischen Strukturbildung bauen sich Galaxien durch
die schrittweise Verschmelzung von immer größeren Systemen auf (siehe
eine Reihe von verschmelzenden Galaxien in Abb. 1). Neben immer
größeren Galaxien führt das auch dazu, dass sich Doppelsysteme aus
schwarzen Löchern in deren Zentren bilden (siehe Abb.2). Kommen Sterne
diesem Doppelsystem nahe, so können sie dem Doppelsystem Energie und
Drehimpuls entziehen und auf große Entfernungen hinausgeschleudert
werden, wobei gleichzeitig der Bahnabstand der beiden schwarzen Löcher
schrumpft. Wird dadurch genug Energie auf die Sternpopulation
übertragen, so kommen sich die schwarzen Löcher so nahe, dass sie
schließlich miteinander verschmelzen und dabei heftige
Gravitationswellen ausstoßen.
Bei den Berechnungen für die Entwicklung derartiger Doppelsysteme aus
schwarzen Löchern wird normalerweise ein sphärisch symmetrisches
Galaxienmodell zugrunde gelegt. Bei der Verschmelzung von Galaxien
entstehen allerdings starke Störungen, die zu signifikanten
Abweichungen von der sphärischen Symmetrie und zu Rotation führen.
Wie entwickelt sich nun also ein Doppelsystem aus schwarzen Löchern in
realistischen Überresten verschmelzender Galaxien? Zur Beantwortung
dieser Frage führten Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für
Astrophysik in einer internationalen Kollaboration eine Reihe
numerischer Simulationen durch, die sowohl die verschmelzenden Galaxien
als auch die Doppelsysteme aus schwarzen Löchern in diesen Galaxien
umfassten. Dabei wurden die Gravitationskräfte zwischen alle
Teilchenpaaren in den Galaxien berechnet und sehr präzise Bahnkurven
abgeleitet.
Die Simulation der Verschmelzung zweier Galaxien mit höchst genauen
numerischen Methoden ist eine äußerst anspruchsvolle Rechenaufgabe,
für die mehr als ein Jahr ununterbrochene Rechenzeit auf den
GPU-Computern am Max-Planck-Institut für Astrophysik und auf dem speziellen
GRAPE-Cluster des Rochester Instituts für Technology (Rochester, USA)
nötig war. Das Ergebnis dieser Rechnungen ist allerdings sehr
interessant.
In sphärisch symmetrischen Galaxien ist die Entwicklung des
Doppelsystems aus schwarzen Löchern dadurch gekennzeichnet, dass der
Bahnabstand in einer ersten Phase schrumpft und dann nur noch sehr
langsam abnimmt. Demgegenüber setzt sich die Entwicklung bei
realistisch verschmelzenden Galaxien bis hin zu kleinen Abständen fort
— bis die Abstände klein genug werden, so dass die Abstrahlung von
Gravitationswellen schließlich dominiert und die beiden schwarzen
Löcher zu einem einzigen schwarzen Loch verschmelzen.
Die Simulationen von Doppelsystemen aus schwarzen Löchern in
rotierenden Systemen zeigen auch, dass sich die Exzentrizität des
Doppelsystems ändert, wobei die Art der Änderung (zu einem mehr oder
weniger exzentrischen Orbit) davon abhängt, inwieweit die Sterne in
die gleiche Richtung oder entgegengesetzt rotieren. Bei
gleichgerichteter Rotation wird die Umlaufbahn immer kreisförmiger,
wenn der Bahnabstand der beiden schwarzen Löcher aufgrund von nahe
vorbeiziehenden Sternen schrumpft. Wenn allerdings die meisten Sterne
entgegengesetzt rotieren, so wird das Doppelsystem immer exzentrischer.
Dieser Effekt, der bei der Verschmelzung von Galaxien mit
unterschiedlicher Masse entstehen könnte, hat wichtige Auswirkungen
auf den möglichen Nachweis von Gravitationswellen, die durch
verschmelzende schwarze Löcher emittiert werden.
Außerdem stellte sich heraus, dass sich die Bahnebene des Doppelsystems
neu ausrichtet, wenn der Drehimpuls der Systems aus schwarzen Löchern
anfangs nicht an dem des Sternensystems ausgerichtet ist. Bei sphärisch
symmetrischen Modellen ändert sich die Orientierung der Bahnebene nur
wenig — auf langen Zeitskalen ergeben sich kleine Änderungen dadurch,
dass bei der Interaktion mit Sternen zufällig Drehimpuls mit dem
Doppelsystem ausgetauscht wird. Wenn das Doppelsystem allerdings in ein
Sternsystem mit einer Netto-Rotation eingebettet ist, bei dem die
Richtung der jeweiligen Drehimpulse nicht übereinstimmen, so passen die
schwarzen Löcher ihre Bahnebene an diejenige der Sterne an. Diese
Umorientierung geschieht auf einer ähnlichen Zeitskala wie das
Schrumpfen des Bahnabstands und kann recht groß sein, mit
Winkeländerungen bis zu 100 Grad.
Diese Änderung der Bahnebene, die man in den Simulationen beobachtet,
könnte auch wichtige Konsequenzen für astrophysikalische Beobachtungen
haben. Die Richtung der Drehachse des schwarzen Lochs, das aus der
Verschmelzung entsteht, wird durch die Ausrichtung der Bahnebene des
Doppelsystems beeinflusst. Diese Drehachse bestimmt wiederum die
Ausrichtung der Akkretionsscheibe um das schwarze Loch und - in
Radiogalaxien - die Richtung des Materiestrahls (engl. “radio jet”).
Alessia Gualandris
Veröffentlichungen:
Alessia Gualandris & David Merritt,
"Long-term evolution of massive black hole binaries. IV. Mergers of
galaxies with collisionally relaxed nuclei",
2011, ApJ, in press,
http://arxiv.org/abs/1107.4095
Alberto Sesana, Alessia Gualandris, Massimo Dotti,
"Massive black hole binary eccentricity in rotating stellar systems",
2011, MNRAS, 415L, 35
http://arxiv.org/abs/1105.0670
Alessia Gualandris, Massimo Dotti, Alberto Sesana,
"Massive black hole binary plane reorientation in rotating stellar systems",
2011, MNRAS,
http://arxiv.org/abs/1109.3707
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