|
Abb 1:
Künstlerische Darstellung der Schallwellen im Innern
eines Sterns mit einem umlaufenden Planeten im Vordergrund. Kepler hat
in mehr als 500 sonnenähnlichen Sternen Oszillationen beobachtet.
Bildquelle: G. Perez Diaz, IAC (MultiMedia Service).
|
|
|
Abb 2:
Maximale Frequenz und Effektivtemperatur für alle Sterne,
bei denen Oszillationen entdeckt wurden. Für einige Sternparameter
sind auch Entwicklungslinien eingezeichnet: bei solarer Metallizität
für 0,85 Sonnenmassen (Strich-Punkt-Linie), für 1,0 Sonnenmassen
(durchgezogene Linie) und 1,15 Sonnenmassen (gestrichelte Linie) sowie
bei weniger als solarer Metallizität für 1,0 Sonnenmasse (gepunktete
Linie). Die Sonne selbst ist als Kreis mit Punkt nahe dem unteren Ende
der 1,0 Sonnenmassen-Linie eingezeichnet.
|
|
|
Abb 3:
Diese Grafik zeigt die Effektivtemperatur und einen
Messwert für die Oberflächenschwerkraft (log g) für alle Sterne, wobei
log g mit Hilfe von Skalengesetzen bestimmt wurde. Sterne, deren Masse
zu 1 Sternenmasse ± 15% bestimmt wurde, sind als rote Kreise
dargestellt; alle anderen Sterne, bei denen Oszillationen nachgewiesen
wurden, sind als graue Punkte eingezeichnet (zur Übersichtlichkeit
ohne Fehlerbalken). Die Streuung rührt wahrscheinlich von
Unterschieden in der chemischen Zusammensetzung der Sterne. Stellare
Entwicklungslinien und die Position der Sonne sind wie in Abbildung 2.
|
| |
Unsere Galaxie besteht aus Sternen, die sich in Größe, Alter und
chemischer Zusammensetzung unterscheiden. Gegenwärtige
Beobachtungstechniken können einige Eigenschaften der Sterne
eingrenzen, wie die Effektivtemperatur, die Schwerkraft an der
Oberfläche oder die Zusammensetzung. Um allerdings die Massen und
Radien zu bestimmen, müssen diese Messungen um theoretische
Berechnungen der Sternentwicklung ergänzt werden, bei denen aufgrund
unseres nur bedingten Verständnis der physikalischen Prozesse im
Sterninnern große Unsicherheiten bestehen. Dies wirkt sich auf viele
Felder der Astrophysik aus, von der Beschreibung der Sternenpopulation
in Kugelhaufen bis hin zur Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte
von entfernten Galaxien.
Glücklicherweise sind Sterne wie unsere Sonne nicht statisch sondern
liefern uns durch ihre Oszillationen Zusatzinformationen. Genauso wie
Luft, die durch ein Musikinstrument strömt, regen die heftigen
Konvektionsbewegungen der äußeren Sternschichten akustische Wellen an,
die sich durch das Sterninnere hindurch bewegen. Je nachdem, wie der
klingende Hohlraum beschaffen ist, wird der Stern bei verschiedenen
Frequenzen und mit unterschiedlichen Obertönen schwingen, und dabei
periodisch anschwellen und schrumpfen, während die akustischen Wellen
sein Inneres durchlaufen. Das Feld, das sich in der Astrophysik mit
diesen (und anderen) Arten der Sternpulsation beschäftigt, bezeichnet
man als Asteroseismologie.
Im Prinzip sollte jeder Stern mit einer konvektiven äußeren Schicht
akustische Oszillationen zeigen. (Meist werden diese als
sonnenähnliche Oszillationen bezeichnet, da sie zum ersten Mal bei der
Sonne beobachtet wurden.) Die Helligkeitsänderungen, die dadurch
hervorgerufen werden, sind allerdings recht gering, sie können nur
eine Mikromagnitude ausmachen. Eine derartige Genauigkeit stellt für
bodengebundene Beobachtungen eine große Herausforderung dar, so dass
sich die Astronomen nach Beobachtungsmöglichkeiten vom Weltraum aus
umsahen, da dort eine höhere Genauigkeit erreicht werden kann.
Die Kepler-Mission ist das erfolgreichste Beispiel für
asteroseismische Beobachtungen. Wie die künstlerische Darstellung in
Abbildung 1 zeigt, besteht ein Hauptziel dieses Satelliten darin,
extrasolare Planeten durch die “Transitmethode” zu
entdecken. Wenn sich ein Planet auf seinem Orbit zwischen Stern und
Beobachter schiebt, so führt das zu einer geringen
Helligkeitsabnahme. Die beobachteten Oszillationspektren müssen
sorgfältig untersucht werden, um zwischen einer externen Quelle der
Helligkeitsabnahme wie z.B. durch einen Planeten und intrinsischen
Schwankungen zu unterscheiden. Während seiner gesamten Laufzeit blickt
Kepler stets auf die gleiche Himmelsregion und überwacht so
kontinuierlich und gleichzeitig die Helligkeit von mehr als 100 000
Sternen in unserer Galaxie.
Eines der vielen wichtigen Ergebnisse der Kepler-Mission ist der
Nachweis von Oszillationen in mehr als 500 Sternen, die sich in der
sogenannten Hauptreihenphase befinden. Dies ist der längste Abschnitt
im Leben eines Sterns, während dessen Energie durch die Fusion von
Wasserstoff — dem Hauptbestandteil eines Sterns — zu
Helium erzeugt wird.
Mit Hilfe einer Messgröße zur Oberflächentemperatur der Sterne (der
sogenannten Effektivtemperatur) können wir in Abbildung 2 die
seismischen Beobachtungen — die mit einer bisher unerreichten
Genauigkeit gemessen wurden — mit theoretischen Vorhersagen
vergleichen. Interessanterweise stellt sich heraus, dass ein großer
Teil der seismischen Beobachtungen in dem Bereich liegen, wo sich die
Entwicklungslinien für Sterne mit annähernd einer Sonnenmasse
befinden. Ist es möglich, die Massen und Radien dieser Sterne genau zu
bestimmen?
Die Asteroseismologie liefert auf diese Frage eine Antwort und zwar
mit der sogenannten “direkten Methode” zur Bestimmung von
Masse und Radius. Die beiden globalen, asteroseismischen Größen eines
Sterns, der große Frequenzabstand und die Frequenz der größten
Schwingungsleistung, sind über einen großen Wertebereich eng
miteinander verknüpft. Darüber hinaus korrelieren sie auch mit genau
bekannten Parametern der Sonne, wie der Oberflächentemperatur, durch
einfache Skalengesetze. Da die Oszillationen von den Charakteristiken
des klingenden Hohlraums (also der Größe des Sterns) abhängen, können
wir aus den globalen seismischen Parametern und der Effektivtemperatur
direkt die Masse und den Radius des Sterns bestimmen.
Abbildung 3 zeigt neben allen Sternen, bei denen Oszillationen
gemessen wurden auch diejenigen mehr als 70 Sterne, bei denen die
Massenbestimmung annähernd eine Sonnenmasse ergab. Für einige dieser
Sterne liegen genaue Metallizitätsmessungen von spektroskopischen
Beobachtungen vor (also die Häufigkeiten der Elemente schwerer als
Wasserstoff und Helium) und die Übereinstimmung mit den
Entwicklungsrechnungen ist ausgezeichnet. Die Daten lassen also
vermuten, dass wir damit zum ersten Mal erfolgreich eine
Entwicklungssequenz von Feldsternen mit annähernd einer Sonnenmasse
identifiziert haben.
Diese Ergebnisse haben etliche interessante Auswirkungen auf die
Astrophysik. Wir können nun eine differentielle Analyse bei Sternen
mit ähnlicher Masse aber in unterschiedlichen Entwicklungsstufen
durchführen, und damit ihr Leben entlang der Hauptreihenphase
verfolgen. Sie zeigen auch die Leistungsfähigkeit der
Astroseismologie, um Sternenpopulationen in einer bestimmten
Himmelsregion zu charakterisieren.
Die seismischen Beobachtungen erlauben es zusammen mit Abschätzungen
der Effektivtemperatur, die Massen und Radien von Sternen in
unterschiedlichen Entwicklungsstufen mit sehr hoher Genauigkeit zu
bestimmen. Dies eröffnet uns die aufregende Möglichkeit das stellare
Alter mit einer höheren Präzision zu bestimmen, als dies mit anderen
Verfahren in Studien der Sternpopulationen wie Isochronen oder der
Datierung der chromospherischen Aktivität möglich ist. Kombiniert man
diese Ergebnisse mit Parametern, die anhand der Sternfarben bestimmt
wurden, wie die Metallizitäten, und dem Winkeldurchmesser (und damit
mit der Entfernung, wenn man diesen mit dem Radius vergleicht), so
könnte dies zu einem vollständigen Bild der Sternpopulation im
Keplerfeld führen.
Es bestehen also viele Möglichkeiten. Das Potential der
Astreoseismologie theoretische Modelle einzuschränken, die zugrunde
liegenden physikalischen Prozesse aufzudecken und die dynamische
Geschichte unserer Galaxie aufzuzeigen wird endlich ausgeschöpft.
V. Silva Aguirre, L. Casagrande, R. Schönrich, A. Weiss
Veröffentlichung
V. Silva Aguirre, W. J. Chaplin, J. Ballot, S. Basu, T. R. Bedding, et al.,
"Constructing a One-solar-mass Evolutionary Sequence Using Asteroseismic Data from Kepler",
2011, The Astrophysical Journal, 740, L2
http://iopscience.iop.org/2041-8205/740/1/L2
|