|
Abb. 1:
Entwicklung der Lithiumhäufigkeit mit dem Alter in
Sonnenzwillingen. Die Sonnenzwillinge sind durch offene Quadrate
dargestellt, Sonnenzwillinge in offenen Sternhaufen durch gefüllte
Dreiecke. Die Sonne ist hier als roter Kreis eingezeichnet. Erweiterte
Sternmodelle, die Rotation und interne Gravitationswellen enthalten
(durchgezogene Linien), können sowohl die Abnahme der
Lithiumhäufigkeit mit steigendem Alter als auch die hier sichtbare
Verbreiterung erklären; die drei Kurven stellen Rechnungen für
unterschiedliche (angenommene) ursprüngliche
Rotationsgeschwindigkeiten der Sterne dar (Zahlen neben den Kurven).
|
|
|
Abb. 2:
Entwicklung der Lithiumhäufigkeit mit dem Alter für Sonnenzwillinge
und metallreiche sonnenähnliche Sterne. Die Zwillinge sind durch
offene Quadrate gekennzeichnet, diejenigen mit Planeten durch gefüllte
Quadrate. Metallreiche sonnenähnliche Sterne mit (ohne) bekannte
Riesenplaneten sind hier durch gefüllte (offene) Dreiecke
dargestellt. Die metallreichen Sonnenähnlichen scheinen ebenso einem
Lithum-Alter-Trend zu folgen, ganz ähnlich wie die Sonnenzwillinge,
unabhängig davon ob sie Planeten besitzen oder nicht; ihr
Lithiuminhalt ist allerdings etwas kleiner als in Sonnenzwillingen
gleichen Alters, zumindest im Bereich von 3 bis 6 Milliarden
Jahren. Dieser Unterschied wird aufgrund der höheren Metallizität von
Sternmodellen vorhergesagt.
|
| |
Die Sonne hat an ihrer Oberfläche einen sehr geringen Lithiumgehalt im
Vergleich zum ursprünglichen Wert, den man aus Messungen in Meteoriten
ermitteln kann, die wie unsere Sonne vor etwa 4,5 Milliarden Jahren
entstanden. Lithium ist kein sehr robustes Element; im Sterninneren
wird es bei den dort herrschenden extrem hohen Temperaturen schnell
vernichtet. Bei Sternen wie der Sonne sind die äußeren Schichten
konvektiv, und so kann Material von der Oberfläche zu Regionen im
Sterninneren transportiert werden, die heiß genug sind um Lithium zu
verbrennen. Zurück an der Oberfläche ist dieses Material später
lithiumarm. Dieser Vorgang könnte also die geringe solare Häufigkeit
erklären. Allerdings sind theoretische Berechnungen auf der Grundlage
der Standard-Sternmodelle nicht in der Lage, das Ausmaß der
Lithiumvernichtung in der Sonne zu erklären.
Falls unser Zentralgestirn durch die beobachtete geringe
Lithiumhäufigkeit eine Sonderstellung einnimmt, so wäre die Sonne als
Testmodell für Sternenmodelle ungeeignet. Um dieser Frage nachzugehen,
führten Astronomen des MPA (Patrick Baumann, Ivan Ramirez und Martin
Asplund) kürzlich in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der
Universität Porto (Jorge Melendez, mittlerweile an der Universität Sao
Paolo) und der Europäischen Südsternwarte (Karin Lind) eine
Untersuchung von "Sonnenzwillingen" durch. Diese Sterne sind bezüglich
Temperatur, Radius und Masse der Sonne sehr ähnlich.
Anhand ihrer Farbe, Helligkeit und Entfernung wurden Kandidaten
sorgfältig aus etwa 100.000 Sternen ausgewählt. Ungefähr 100 dieser
Objekte wurden dann mit dem 6,5m-Teleskop des
Las-Campanas-Observatoriums in Chile und mit dem 2,7m-Teleskop des
McDonald-Observatoriums in den USA beobachtet. Zusätzlich wurden Daten
der öffentlich zugänglichen Archive der ESO- und Keck-Observatorien
verwendet. Die beispiellose Qualität der Daten zu diesen Objekten
erlaubte es den Forschern, die Lithiumhäufigkeiten sowie grundlegende
Eigenschaften wie Masse, Alter und Gesamtmetallizität mit sehr hoher
Genauigkeit zu bestimmen.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse dieser Untersuchung ist, dass das
Lithiumvorkommen in Sonnenzwillingen, Sternen mit ähnlicher Masse und
Metallizität wie unsere Sonne, monoton mit dem Alter des Sterns
abnimmt. Messdaten von Sonnenzwillingen in offenen Sternhaufen, deren
Alter genau bekannt sind, folgen diesem Trend exakt. Ein wesentlicher
Punkt ist auch, dass die Sonne keine besonders niedrige
Lithiumhäufigkeit aufweist (siehe Abb. 1).
In gängigen Sonnenmodellen rotiert die Sonne nicht; viele andere
wichtige Effekte, die mit verschiedenartigen Transportmechanismen im
Sonneninneren zu tun haben, werden ebenfalls ignoriert. Daher
überrascht es nicht, dass diese Modelle nur eine geringe
Lithiumvernichtung vorhersagen. In realistischeren Sternmodellen wird
Lithium allerdings im Laufe der Zeit vernichtet. Somit kann die
beobachtete Abnahme der Lithiumhäufigkeit mit dem Alter eines Sterns
durch exaktere Darstellungen der Abläufe im Sterninneren erklärt
werden. Insbesondere können Modelle, die Rotation und interne
Gravitationswellen beinhalten, sowohl den beobachteten Lithiumverlust
als auch dessen Streuung erklären (durchgezogene Linien in Abb. 1).
Vor kurzem stellte eine konkurrierende Gruppe von Wissenschaftlern die
Behauptung auf, dass Sterne mit Planeten im Allgemeinen weniger
Lithium beinhalten als solche ohne Planeten. Dabei schenkten sie dem
oben beschriebenen Alterseffekt allerdings nicht genug Beachtung.
Die MPA-Gruppe analysierte außerdem eine Reihe metallreicher,
sonnenähnlicher Sterne, die der Sonne sehr ähnlich sind aber eine
Metallizität aufweisen, die etwa 80% höher ist. Diese Sterne wurden
gewählt, weil Sterne mit bekannten Planeten im Allgemeinen
metallreicher sind als solche, um die bisher keine Planeten gefunden
wurden. Die Altersabhängigkeit des Lithiums zeigt keinerlei
Unterschiede zwischen metallreichen, sonnenähnlichen Einzelsternen und
solchen mit Planeten (siehe Abb. 2).
Die metallreichen Sterne scheinen eine geringere Lithiumhäufigkeit zu
haben als der durchschnittliche sonnenähnliche Stern. Das hängt
allerdings mit der Metallizität zusammen, da metallreiche
Sonnenähnliche im Schnitt weniger Lithium aufweisen als
Sonnenzwillinge, egal ob der Stern nun einen Planeten besitzt oder
nicht. Dieser Metallizitätseffekt wird aufgrund der größeren
Konvektionszone in metallreichen Sternen auch von Sternmodellen
vorhergesagt. Aufgrund dieses Effekts und der Tatsache, dass Sterne
mit Planeten im Schnitt metallreicher sind als solche ohne Planeten,
kamen frühere Studien zu dem Ergebnis, dass in Sternen mit Planeten
das Lithium schneller vernichtet wird.
Die geringe Lithiumhäufigkeit eines Sterns kann also einfach als
metallizitätsabhängiger Alterungseffekt erklärt werden und hat nichts
mit den Vorhandensein eines Planeten zu tun. Das Lithium in
sonnenähnlichen Sternen und Sonnenzwillingen ist stark altersabhängig,
was auf einen weiteren Mischungsprozess hinweist; das wird von einigen
erweiterten Sternmodellen sehr gut reproduziert. Die metallreicheren
Sterne (mit und ohne Planeten) enthalten etwas weniger Lithium. Dies
zeigt, dass es keine Verbindung gibt zwischen einer geringen
Lithiumhäufigkeit in sonnenähnlichen Sternen (und unserer Sonne
selbst) und der Anwesenheit von Planeten.
Patrick Baumann, Ivan Ramirez und Martin Asplund
Veröffentlichung:
Baumann, P., Ramirez, I., Melendez, J., Asplund, M., Lind, K.
"Lithium depletion in solar-like stars: no planet connection",
2010, Astronomy and Astrophysics, in press,
arXiv:1008.0575
|