Der GALEX-Arecibo-SDSS Survey

Ein internationales Astronomenteam unter der Leitung von David Schiminovich (Columbia University) sowie Barbara Catinella und Guinevere Kauffmann (Max-Planck-Institut für Astrophysik) führt derzeit eine ehrgeizige Studie durch: Mit dem größten Radioteleskop der Welt wird der Anteil von neutralem Wasserstoff in 1000 massereichen Galaxien gemessen. Die Ergebnisse dieses Programms werden den Wissenschaftlern wertvolle Einsichten liefern, wie das Zusammenspiel von Gas und Sternentstehung die Entwicklung massereicher Galaxien im nahen Universum beeinflusst.

Abb. 1: UV/optisches Farben-Helligkeitsdiagramm; Galaxien mit Sternentstehung sind blau, sich passiv entwickelnde elliptische Galaxien rot und Galaxien im Übergangsstadium grün eingefärbt.

Abb. 2: Beispiele für Galaxien, die mit GASS nachgewiesen (links) bzw. nicht nachgewiesen (rechts) wurden. Für jede Galaxie sind das SDSS-Bild (mit einer Seitenlänge von einer Bogenminute) sowie das HI-Linienprofil gezeigt, das mit Arecibo gemessen wurde. Die gepunktete Linie bezeichnet die heliozentrische Geschwindigkeit, die der SDSS-Rotverschiebung entspricht.

Abb. 3: GASS Ergebnisse: Diese Abbildung zeigt die durchschnittlichen Trends für den HI-Massenanteil als Funktion der Sternmasse, der Oberflächendichte der Sternmasse, des Konzentrationsindex, sowie der NUV-r-Farbe für die GASS Galaxien. In jedem Feld deuten die großen Kreise mittlere Gasanteile an. Diese wurden berechnet, indem auch Galaxien einbezogen wurden, die nicht mit Arecibo nachgewiesen werden konnten, wobei für ihre HI-Masse entweder die Obergrenze (dunkelgrün) oder Null (rot) angenommen wurde. Grüne Dreiecke stellen den Median dar. Die mittlere Anzahl an Galaxien für jede Mittelung ist über der x-Achse angegeben. Die gestrichelte Linie im Bild oben links zeigt die Nachweisgrenze für HI im GASS Survey. Galaxien, die die Auswahlkriterien erfüllen und die mit dem “Arecibo Legacy Fast ALFA (ALFALFA)” HI-Survey nachgewiesen wurden, sind als kleine graue Punkte dargestellt. Wegen seiner kurzen Integrationszeit kann ALFALFA nur die Objekte mit dem größten HI-Anteil in unserer Auswahl nachweisen.

Galaxien teilen sich in zwei Familien auf: rote, alte elliptische Galaxien und blaue Spiralgalaxien mit Sternentstehungsgebieten (Abb. 1). Auch wenn diese Unterscheidung bereits lange Zeit bekannt ist, haben neuere Untersuchungen auf der Grundlage von Daten aus dem Sloan Digital Sky Survey (SDSS) gezeigt, dass die Aufteilung in diese beiden Familien im nahen Universum bei einer Sternmasse von etwa 3 1010 Sonnenmassen geschieht, einem Wert, der der Sternmasse unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße, sehr nahe kommt. Galaxien mit einer Sternmasse unterhalb des Grenzwertes haben typischerweise eine junge Sternpopulation, eine geringe Oberflächendichte und nur eine schwache Konzentration zum Zentrum, wie es für Scheibengalaxien charakteristisch ist. Galaxien mit einer höheren Sternenmasse andererseits zeichnen sich durch eine alte Sternpopulation, eine hohe Oberflächendichte und die starke Konzentration zum Zentrum aus, die bei elliptischen Galaxien typisch ist. Neuere theoretische Arbeiten schlagen eine Reihe möglicher Mechanismen vor, um diese charakteristische Massenskala, bei der der Übergang von jungen zu alten Galaxien stattfindet, zu erklären. Fast alle dieser Mechanismen funktionieren dabei über ein Abklemmen der Gaszufuhr. Die Untersuchungen von Gas in massereichen Galaxien beidseits der charakteristischen Sternmasse werden hier neue Erkenntnisse liefern. Kaltes Gas (d.h. neutraler Wasserstoff, HI) ist das Grundmaterial, aus dem sich Sterne bilden. Es ist deshalb sehr wichtig für unser Verständnis davon, wie dieser Übergang bei den Eigenschaften der Galaxie zustande kommt, und um unsere theoretischen Modelle zu testen. Um ein unverfälschtes Bild zu erhalten, ist es außerdem von höchster Wichtigkeit, die Galaxien allein aufgrund ihrer Sternmasse auszuwählen, und nicht anhand ihrer optischen Morphologie, Sternentstehung, Gasmenge, Farbe oder anderer Eigenschaften.

Dieser Aufgabe stellt sich nun ein internationales Team an Astronomen, dem Barbara Catinella, Guinevere Kauffmann, Silvia Fabello, und Jing Wang vom Max-Planck-Institut für Astrophysik sowie Mitarbeiter aus anderen Institutionen angehören. Das Team führt ein neues Programm durch, den “GALEX Arecibo SDSS Survey” oder kurz GASS, bei dem die 1000 größten und massereichsten Galaxien des nahen Universums untersucht werden. Diese massereichen Galaxien haben sich höchstwahrscheinlich gebildet, als das Universum noch sehr jung war. Heute allerdings scheinen einige von ihnen keine neue Sterne mehr zu bilden. Stockt die Sternentstehung in diesen Galaxien, weil der Gasvorrat komplett aufgebraucht ist? Oder wurde das Gas in die äußeren Regionen dieser Galaxien abgedrängt oder auf so hohe Temperaturen aufgeheizt, dass der zur Entstehung von Sternen nötige Gravitationskollaps verhindert wird? GASS wurde konzipiert, auf diese Fragen eine Antwort zu finden.

GASS untersucht das Verhältnis von Sternen und Gas indem es mehrere große, kürzlich im sichtbaren und UV-Licht durchgeführte Galaxien-Surveys mit Beobachtungen des größten Radioteleskops der Welt in Arecibo verbindet. Die Studien mit bodengebundenen optischen Teleskopen (SDSS) und Satelliten-gestützten UV-Kameras (Galaxy Evolution Explorer, GALEX) messen die jungen und alten Sterne in Galaxien, während die derzeitigen Messungen mit Arecibo den Gehalt an neutralem Wasserstoff in jeder Galaxie feststellen werden. Die 2008 begonnenen Arecibo-Beobachtungen dauern derzeit noch an. Eine Galaxie wird dabei so lange beobachtet, bis sie entweder sicher nachgewiesen wird oder bis eine Untergrenze für die Gasmasse erreicht wird (siehe Abb. 2). Erste Ergebnisse zeigen, dass selbst im Bereich hoher Sternmassen etwa 60 Prozent der Galaxien einen wesentlichen Anteil an HI-Gas enthalten. In unserem ersten Datensatz mit rund 200 Galaxien untersuchten wir, wie der Gasanteil von der Struktur und den Eigenschaften der Sternpopulation abhängt. Dabei stellten wir fest, dass der Gasanteil massereicher Galaxien eng mit der Sternmasse, der stellaren Oberflächendichte sowie der NUV-r-Farbe korreliert ist, aber nur schwach von der Konzentration zum Zentrum abhängt (Abb. 3).

Eine der wichtigsten Aufgaben von GASS besteht darin, Objekte, die sich gerade im Übergangsstadium zwischen blauen Galaxien mit Sternentstehung und roten, passiven Galaxien befinden, zu identifizieren und mengenmäßig zu erfassen. Je nachdem, welchen Weg diese Galaxien in ihrer Entwicklung nehmen, sollten sie Anzeichen einer kürzlich gestoppten Sternentstehung oder den Zufluss von Gas zeigen. Objekte, die sich stark vom durchschnittlichen Verhalten der ausgewählten Galaxien unterscheiden, sind die besten Kandidaten für Galaxien im Übergangsstadium zwischen blauer und roter Sequenz. Wir haben deshalb interessante Objekte identifiziert, die sowohl aufgrund ihrer Farben und Dichten ungewöhnlich viel Gas enthalten, als auch Galaxien mit wenig Gas, die trotzdem immer noch Sternentstehung zeigen. Objekte der ersten Kategorie könnten weiterhin Gas von einem kurz zuvor stattgefundenen Zusammentreffen mit anderen Galaxien oder aus der Umgebung erhalten; in einigen Fällen könnte sich sogar erneut eine Scheibe mit Sternentstehungsgebieten bilden. Objekte der zweiten Kategorie könnten Systeme sein, in denen das HI-Gas kürzlich durch Gezeitenkräfte oder den Druck des intergalaktischen Gases entfernt wurde, oder bei denen andere Rückkopplungsprozesse das Gas herausschleuderten. Diese unterschiedlichen Kategorien an Übergangs-Galaxien sollen in zukünftigen Arbeiten näher untersucht werden.

Um die physikalischen Prozesse, die für den Übergang zwischen blauen und roten Galaxien verantwortlich sind, besser zu verstehen, führen wir außerdem die “COLD GASS”-Studie (CO Legacy Database for GASS) durch. Dieses große Programm wird derzeit zusammen mit Kollegen am Max-Planck-Insitut für extraterrestrische Physik und dem IRAM-Observatorium in Grenada (Spanien) durchgeführt. Hierbei wird mithilfe des IRAM 30m-Radioteleskops der Anteil molekularen Wasserstoffs in einem Drittel der GASS-Galaxien gemessen. Molekularer Wasserstoff ist ein weiterer wichtiger Bestandteil, um Übergangsgalaxien zu verstehen und theoretische Modelle einzuschränken, da es einen Zwischenschritt vom neutralen Wasserstoffreservoir zur Entstehung neuer Sterne darstellt.


Barbara Catinella


Veröffentlichungen und Links

Catinella, B., Schiminovich, D., Kauffmann, G., et al., "The GALEX Arecibo SDSS Survey. I. Gas Fraction Scaling Relations of Massive Galaxies and First Data Release", 2010, MNRAS, in press linkPfeilExtern.gif(arXiv:0912.1610)

linkPfeil.gifGASS Webseite
linkPfeil.gifCOLD GASS Webseite
linkPfeilExtern.gifALFALFA Webseite
linkPfeilExtern.gifWebseite des Arecibo Observatoriums