Sterne und Latte Macchiato

Was haben Sterne und Latte Macchiato gemeinsam? Dem aufmerksamen Kaffeetrinker mag aufgefallen sein, dass sich in einem Latte Macchiato manchmal Schichten bilden (Bild 1). Eine Reihe numerischer Experimente am Max-Planck-Institut für Astrophysik hat nun gezeigt, wie dieselben Schichtbildungsprozesse in Sternen stattfinden. Mit den Rechnungen wurde eine seit 50 Jahren offene Frage in der Theorie der Sternentwicklung beantwortet.

Abb 1: Doppelt-diffusive Schichten im Kaffeeglas.

Abb 2: Konvektion in einer doppelt-diffusiven Schicht. Das Bild oben zeigt die Temperaturverteilung (rot ist warm, blau ist kalt), das Bild unten die Heliumkonzentration (dunkle Zonen haben hohe Konzentration). Das Temperaturbild zeigt deutlich breitere Strukturen, da die Ströme durch die hohe thermische Diffusion verwischt werden (linkPfeil.gifFilm).

Abb 3: Strömungsmuster an der Grenze zwischen zwei doppelt-diffusiven Schichten (linkPfeil.gifFilm).

Machen wir ein kleines Experiment: Gießt man heißen Kaffee in ein Glas — nicht in eine Tasse, da wir ja sehen wollen, was in der Flüssigkeit passiert — so kühlt der Kaffee an der Oberfläche ab und sinkt zu Boden. Heißer Kaffee steigt auf und ersetzt den absinkenden: es bildet sich eine konvektive Strömung. (Randbemerkung: Rührt man Milch unter den Kaffee, die bereits leicht sauer ist, so kann man die Auf- und Abströmung besonders schön sehen.)

Wenn man nach Zugabe der Milch den Kaffee nicht umrührt, so stellt sich ein neues Strömungsmuster ein: Die Konvektion reicht nicht aus, um die bodennahe Milch, die etwas schwerer ist als Wasser, mit dem Kaffee zu mischen. Stattdessen tritt nach wenigen Minuten im Übergangsbereich zwischen der Milch und dem Kaffee eine Schichtbildung auf. (Das Experiment funktioniert am besten mit fettarmer Kondensmilch). Die Konvektion findet nun innerhalb der einzelnen Schichten statt, nicht global im ganzen Glas. Dieses Phänomen nennen die Physiker doppelt-diffusive Konvektion; in der Natur tritt es beispielsweise unter der arktischen Eisdecke auf, wo kaltes Süßwasser über wärmeres Salzwasser geschichtet wird. Eine ähnliche Schichtbildung tritt auch in ostafrikanischen Vulkankraterseen auf.

Die doppelt-diffusive Konvektion kann auch im Inneren von Sternen auftreten, wo Wasserstoff zu Helium fusioniert. Durch die Hitze der Kernfusion wird eine Konvektion angetrieben, die aber durch das (im Vergleich zu Wasserstoff) schwerere Helium behindert wird: das Helium mischt sich kaum mit der restlichen Sternmaterie, es bleibt wo es entstanden ist.

Die genaue Verteilung vom Helium im Stern hat aber einen starken Einfluss auf seine weitere Entwicklung. Im Laufe der langen Lebenszeit eines Sterns können auch schwache Mischungsprozesse diese Verteilung schließlich ändern. Für die Sternentwicklung ist es also wichtig zu wissen, wie schwach das Mischen genau ist.

Wissenschaftler am MPA haben nun ausführliche Simulationen durchgeführt, um das Ausmaß der Mischung bei der Schichtbildung zu messen. Wie auch in den genannten geophysikalischen Beispielen, stellt sich heraus, dass in Sternen die Vermischung sehr gering ist. Sie ist viel kleiner, als bisher in den meisten Theorien angenommen; ihr Effekt auf die Entwicklung eines Sterns ist daher wahrscheinlich vernachlässigbar.


F. Zaussinger, H. Spruit