Massive, dichte Kerne in jungen Galaxien mit sehr hohen Sternentstehungsraten: Vorläufer der konzentrierten zentralen Regionen in heutigen elliptischen Galaxien?

Ein internationales Astronomenteam unter der Leitung von Tim Heckman (Johns Hopkins Universität, USA) und Roderik Overzier (Max-Planck-Institut für Astrophysik) hat eine neuartige Methode entwickelt, um neue Einsichten in die Bildung und Evolution von Galaxien zu erhalten. Um eine Reihe wichtiger Prozesse näher zu untersuchen, konzentrierten sich die Wissenschaftler auf eine seltene Untergruppe der nahen Galaxienpopulation. Diese entspricht lokal am ehesten einem Typ von Galaxien mit sehr hohen Sternentstehungsraten, den sogenannten Starburstgalaxien, die es nur im sehr frühen Universum häufig gab. In Folge der Studie entdeckte das Team, dass einige dieser lokalen Starburstgalaxien sehr junge, massive und dichte Kerne in ihren Zentren beherbergen. Diese Kerne könnten möglicherweise die Vorläufer der hochkonzentrierten Kerne von typischen massearmen, jungen Galaxien sein, allerdings zu einem sehr frühen Zeitpunkt in ihrer Entwicklung, direkt nachdem ihre Entstehung durch einen gewaltigen Gaszustrom nach einer Galaxienverschmelzung ausgelöst wurde. Diese sich bildenden Galaxienzentren könnten ideale Gebiete für die Entstehung oder das Wachstum von supermassiven schwarzen Löchern sein.

Abb. 1: Falschfarben HST-Aufnahme der Auswahl naher Starburstgalaxien, wobei das UV im Bezugssystem der Galaxie in blau/violett und das optische Licht in gelb/rot dargestellt sind. Die Bilder sind 6" mal 6" groß. Obwohl die meisten Objekte sowohl im UV als auch im optischen Licht sehr kompakt erscheinen, zeigen einige wenige ein sehr helles, unaufgelöstes Objekt in der Mitte einer ausgedehnten Scheibe mit schwacher Oberflächenhelligkeit. Die Bilder zeigen eine Vielfalt an komplexen Morphologien, die oft ein Hinweis auf Wechselwirkungen oder Verschmelzung von Galaxien sind.

Abb. 2: Optische HST-Aufnahmen von sechs nahen, UV-leuchtstarken Starburstgalaxien aus Abbildung 1, die ein helles, unaufgelöstes Objekt in der Mitte einer größeren, stark disturbierten Scheibe zeigen.

Abb. 3: Masse (M*) und effektiver Radius (Re) verglichen mit der effektiven Flächenmassendichte (Σe) der hellsten Verdickung in jeder Galaxie (eingezeichnet). Die Vergleichsdaten stammen aus einer Aufstellung bereits veröffentlichter Daten, die ähnlich wie in Abbildung 45 von Hopkins et al. (2009) dargestellt sind, wobei Kugelhaufen (Kreuze), zentrale Sternhaufen (Dreiecke) und die zusätzlichen Lichtkomponenten in frühen Galaxien aus der Selektion von Komendy et al. (2009, Sterne) und Lauer et al. (2007, Kreise) von Hopkins et al. (2009) gemessen wurden. Die sechs unaufgelösten Objekte aus Abbildung 2 sind durch ausgefüllte Quadrate repräsentiert. Diese Objekte passen zu den Starburst-Vorläufern, die die alten, zentralen Komponenten für das ”Extra-Licht“ bildeten, die in nahen, elliptischen Galaxien mit hochkonzentrierten Zentren beobachtet werden. Man nimmt an, dass sich diese lokalen Kerne in den hoch dissipativen Verschmelzungen bei hoher Rotverschiebung bildeten, möglicherweise in ähnlicher Art und Weise, wie man es in der Auswahl an nahen Galaxien beobachten kann, die den hochrotverschobenen Starbursts ähneln.

Das “Lyman Break Galaxy Analogs”-Projekt wird mit dem “Galaxy Evolution Explorer” GALEX durchgeführt. GALEX ist ein UV-Satellit, der einen Großteil des Himmels im fernen und nahen Ultraviolett beobachtete, mit einer bis dahin unerreichten Kombination aus Tiefe, Auflösung und Himmelsbedeckung. In Verbindung mit der großen spektroskopischen Galaxiendatenbank des Sloan Digital Sky Survey konnte das Team eine Anzahl von Galaxien im nahen Universum (z<0.3) identifizieren und untersuchen, die sowohl die lichtstärksten als auch kleinsten Galaxien sind, die im fernen UV nachgewiesen wurden. Diese Auswahl wurde getroffen, um nach Starburstgalaxien mit hohen Sternentstehungsraten, wenig Verdunkelung durch Staub und kleinen Ausmaßen zu suchen, die besonders typisch für die UV-selektierten Lyman-Break-Galaxien (LBGs) bei hoher Rotverschiebung (z>3) sind. Solche Galaxien könnten als lokale Beispielobjekte dienen, um typische Prozesse in Starburstgalaxien zu untersuchen und diese dann mit LBGs zu vergleichen, zu denen nur wenige Informationen vorliegen, da sie aufgrund ihrer hohen Rotverschiebung klein und schwach erscheinen.

Die neue Methode war sehr erfolgreich und zeigte, dass es eine kleine aber nachweisbare Population naher Galaxien gibt, die den LBGs in den meisten ihrer physikalischen Eigenschaften ähneln, wie Sternenmasse, Alter, Metallizität, Extinktion, Sternentstehungsrate, Größe, Morphologie, (Gas-)Kinematik und die Beschaffenheit der interstellaren Materie. Abbildung 1 zeigt eine Kollage aus Bildern des Hubble-Space-Telescops (HST). Die Auswahl an nahen, LBG-ähnlichen Galaxien setzt sich zusammen aus einer Vielfalt an gestörten und “klumpigen” Galaxien. Im UV-Bereich zeichnen sich diese Galaxien durch gewaltige Komplexe an relativ wenig von Staub verhüllten Sternentstehungsgebieten aus, während sie im optischen Bereich meist schwache Gezeitenmerkmale zeigen, die normalerweise mit verschmelzenden und wechselwirkenden Galaxien in Verbindung gebracht werden.

Im Rahmen einer HST-Folgestudie entdeckte das Team eine geringe Anzahl von Galaxien (Abbildung 2), bei denen die UV- und die optische Morphologie durch eine einzige, unaufgelöste Komponente dominiert wird, die für einen Großteil der Kontinuums- und Linienemission verantwortlich ist. Aufgrund ihrer optischen Spektren können diese keine aktiven Galaxienkerne (vom Typ 1) sein, die nicht von Staub verdeckt werden. Diese ungewöhnlichen Kerne werden stattdessen als Folge des intensiven Lichts junger Sterne gedeutet. Modelle der Lichtintensität und -farbe zeigen, dass die Kerne zwischen wenigen hundert Millionen und einigen Milliarden Sonnenmassen in Sternen beherbergen müssen, die in einem sehr kompakten Gebiet von nur wenigen hundert Parsec im Durchmesser verteilt sind. Die sehr hohen Sternmassendichten sind ähnlich denen, die man in den massereichsten Kugelsternhaufen und zentralen Sternhaufen von Scheibengalaxien findet. Die Gesamtmassen und Ausdehnungen dieser neuen Klasse von Objekten aber sind bis zu zwei Größenordnungen größer. Trotzdem ähneln diese dichten Kerne, wenigstens strukturell, den dichten Zentren die man in typischen, massearmen, elliptischen Galaxien findet (Abbildung 3). In diesen Galaxien ergeben sich die dichten Kerne durch einen Überschuss der zentralen Sternmasse relativ zu der, die man aufgrund einer Extrapolation des äußeren Sersic-Profils der Galaxie nach innen erwarten würde. Man nimmt an, dass diese dichten Kerne die Überreste von (hypothetischen) dissipativen Galaxienverschmelzungen bei hoher Rotverschiebung sind. Diese Verschmelzungen lieferten das Material für gewaltige Sternentstehungsgebiete in der Vorgängerpopulation der heutigen massearmen elliptischen Galaxien. Die Entdeckung von jungen, dichten Kernen in nahen Galaxien, die den hoch-rotverschobenen Starburstgalaxien ähneln, impliziert, dass genau dieser Prozess immer noch in einem kleinen Bruchteil der Galaxien des nahen Universums stattfindet. Ein weiterer Hinweis darauf ist die Tatsache, dass die gesamte Sternmasse von Galaxien mit dichten Kernen mit der Masse von typischen dichten, elliptischen Galaxien vergleich bar ist (wenige 1010 Sonnenmassen) und dass sie gestörte optische Morphologien aufweisen (Abbildung 3). Dies lässt darauf schließen, dass die Sternentstehung im Zentrum durch einen großen Materialzustrom ausgelöst wurde.

Das neue Ergebnis bietet auch einen interessanten Ansatz für die Bildung superschwerer schwarzer Löcher. In den Zentren von nahen, schweren Galaxien konnten (ruhende) superschwere schwarze Löcher nachgewiesen werden, die etwa ein Tausendstel der Gesamtmasse der Galaxie enthalten. Man weiß nicht genau, wann und wie sich diese schwarzen Löcher gebildet haben, aber die enge Korrelation zwischen ihrer Masse und der Masse der Galaxie insgesamt deutet auf einen gemeinsamen Ursprung hin. Die gewaltigen Vorräte an kaltem Gas in den dichten Kernen der LBG-ähnlichen Galaxien könnten die ideale Kinderstube für die Bildung dieser schweren schwarzen Löcher sein. Zurzeit sind diese Kerne wahrscheinlich zu jung (wenige Millionen Jahre) um effizient ein superschweres schwarzes Loch wachsen zu lassen. Sie befinden sich noch in einer von Supernovae dominierten Abflussphase, die das Gas daran hindern würde, sich in einer Akkretionsscheibe um das zentrale schwarze Loch zu sammeln. Etwa 50 bis 100 Millionen Jahre nach dem letzten Starburst werden sich die starken, mechanischen Auswirkungen der Winde aus den massereichsten Sternen und Kernkollaps-Supernovae gelegt haben und die langsamen Winde der älteren Sterne werden die lokale Gaskinematik dominieren. Das könnte zu einem stetigen Zufluss an Material führen, das im Schwerefeld des Kerns festgehalten wird, wo es sich abkühlen kann und (teilweise) vom schwarzen Loch aufgesammelt wird. Um zu untersuchen ob sich in den dichten Kernen bereits schwach akkreditierende schwarze Löcher befinden, begann das Team kürzlich mit einer Folgestudie, die Röntgenspektroskopie, Infrarotspektroskopie und Radiointerferenz vereint. Die Ergebnisse dürften ein neues Licht auf die Entstehung schwarzer Löcher mittlerer Masse tief im Innern der sich bildenden Zentren junger Galaxien werfen.


Roderik Overzier


Publikationen

Heckman, T.M., Hoopes, C., et al., "The Properties of Ultraviolet-luminous Galaxies at the Current Epoch", 2005, ApJ, 619, L35

Hoopes, C., Heckman, T.M., et al., "The Diverse Properties of the Most Ultraviolet-Luminous Galaxies Discovered by GALEX", 2007, ApJS, 173, 441

Overzier, R.A.,Heckman, T.M., et al., "Morphologies of Local Lyman Break Galaxy Analogs. I. Evidence for Starbursts Triggered by Merging", 2008, ApJ, 677, 37

Overzier, R.A.,Heckman, T.M., et al., "Morphologies of local Lyman break galaxy analogs. II. A Comparison with galaxies at z=2-4 in ACS and WFC3 images of the Hubble Ultra Deep Field", 2009, ApJ, In Press linkPfeilExtern.gif(arXiv:0911.1279)

Overzier, R.A.,Heckman, T.M., et al., "Local Lyman Break Galaxy Analogs: The Impact of Massive Star-Forming Clumps on the Interstellar Medium and the Global Structure of Young, Forming Galaxies", 2009, ApJ, 706, 203