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Die endlosen Weiten des Universums sind erfüllt von Galaxien,
deren Milliarden Jahre altes Licht wir heute in unseren Teleskopen
beobachten. Dabei sind sie nicht in beliebiger Weise im All verteilt,
sondern zeichnen die Konturen eines gigantischen kosmischen Geflechtes
ab. Dieses besteht aus mysteriöser unsichtbarer dunkler Materie
und hat sich in der Geschichte des Kosmos durch das Zusammenspiel
vieler physikalischer Phänomene gebildet.
Der Ursprung dieser beobachteten kosmischen Struktur findet sich in
den mikroskopischen Quantenfluktuationen, die während der ersten
Sekundenbruchteile des Universums auftraten. Unter dem wesentlichen
Einfluss der Gravitation formten diese, im Verlauf der folgenden 14
Milliarden Jahre, das kosmische Netzwerk, wie wir es heute beobachten.
Eine exakte Vermessung und Kartographierung dieser kosmischen Struktur
ermöglicht daher einen Einblick in die Frühphasen des
Universums kurz nach dem Urknall, als der Raum noch mit Strahlung und
heißem Plasma gefüllt war, und es weder Sterne noch
Galaxien gab. Zudem liefern Analysen dieser Struktur Aufschluss
über die Eigenschaften der kosmischen Materie, der Gravitation
und Galaxienbildung sowie über geometrische Eigenschaften von
Raum und Zeit des Universums. Solche kosmischen Karten
ermöglichen ebenfalls die Vorhersage vieler beobachtbarer
Effekte, welche durch Vergleiche mit tatsächlichen Messungen
unser Verständnis von Raum, Zeit und Materie
überprüfbar machen.
Anders jedoch als vergangene Seefahrer und Entdecker, welche die
Umrisse der Kontinente mit ihren Schiffen erkundeten, können wir
heute die Strukturen im Universum nur mittels unsere Teleskope auf der
Erde kartographieren. Dabei unterliegt eine jede Beobachtung oder
Messung der Galaxienverteilung auch leider immer einer Vielzahl von
Messungenauigkeiten. Insbesondere können lichtschwache Galaxien
mit zunehmendem Abstand von der Erde immer schlechter detektiert
werden. Somit verschwindet auch die Information über die
kosmische Struktur bei großen Abständen im Nebel der
Ungewissheit. In großer Entfernung, oder aber auch in schlecht
beobachteten Bereichen, erscheinen die kosmischen Strukturen daher
unscharf und ihre Konturen können nur noch erahnt werden.
Eine wissenschaftlich gehaltvolle Karte des Universums muss daher
neben der Darstellung der kosmischen Struktur auch noch Aussagen
über deren Glaubwürdigkeit tätigen. Hierbei wird die
Glaubwürdigkeit - gemäß dem Mathematiker Bayes -
mittels einer Wahrscheinlichkeit quantifiziert, die ausdrückt,
wie gut wir das kosmische Netz erkennen können.
Die Erstellung derartiger Karten bedarf der Durchmusterung von extrem
hochdimensionalen Räumen und war bisher ein nicht zu
bewältigendes Rechenproblem. Am Max-Planck-Institut für
Astrophysik hat nun Jens Jasche den auf der Bayesischen Statistik
basierenden Computeralgorithmus HADES (HAmiltonian Density Estimation
and Sampling) entwickelt, der es erlaubt, die dreidimensionalen
kosmischen Strukturen zu analysieren und zu bewerten.
HADES liefert nicht nur eine einzige Karte des Universums, sondern
gleich einen Satz unterschiedlicher Karten, die alle im Mittel die
gleichen durch die Beobachtungsdaten aufgezeigten Strukturen zeigen,
sich aber in ihren sonstigen Details unterscheiden. Jede dieser Karte
zeigt ein mögliches Universum, welches mit den Daten kompatibel
ist. Strukturen, die in allen Karten vorhanden sind, sind daher
glaubwürdiger als Strukturen, die sich nur in wenigen dieser
Karten finden. Der Satz dieser Karten liefert also die Information
über die Vertrauenswürdigkeit aller kartographierten
Strukturen, die notwendig für eine weitere wissenschaftliche
Analyse ist.
Basierend auf dieser Methode hat ein internationales Team, bestehend
aus Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in
Deutschland und der Scuola Normale Superiore di Pisa in Italien, aus
den Galaxiendaten des Sloan-Digital-Sky-Surveys die bisher
detailgetreuste Abbildung unserer kosmischen Umgebung ermittelt. Die
Analyse der Daten umfasst ein kubisches Gebiet mit einer
Seitenlänge von mehr als 2,1 Milliarden Lichtjahren und spiegelt
in überraschender Qualität das großskalige kosmische
Geflecht wieder. Dieses besteht, wie von Simulationen vorhergesagt,
aus vielen filamentären Strukturen und großen leeren
Regionen.
Insgesamt erzeugten die Forscher 40.000 solcher möglichen
Universen und erhielten drei Terabyte an Daten, mittels derer sie die
Glaubwürdigkeit der erkannten Strukturen bewerten und
präzise Vertrauensgrenzen bestimmen können. Das gewonnene
kosmische Kartenmaterial erlaubt nun weitergehende Analysen der
Galaxien- und Strukturentstehung im Universum sowie die Vorhersage
einer Reihe physikalischer Effekte, die mittels der Planck-Surveyor
Satelliten Mission oder dem LOFAR Radiointerferometer gemessen und
bestätigt werden können.
Zukünftige Beobachtungen der Galaxienverteilung werden noch
weitaus größere und detailliertere kosmische Karten
ermöglichen. Dann steht auch das Forscherteam am
Max-Planck-Institut bereit, die Grenzen des bekannten Universums
weiter in die Tiefen des Raumes zu verschieben.
Jens Jasche, Franciso S. Kitaura, Cheng Li, Torsten A. Enßlin
Beteiligte Institute:
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching (JJ, CL, TAE)
Scuola Normale Superiore di Pisa (FSK)
Veröffentlichungen
Details der kosmographischen Analyse werden in den folgenden
Publikationen beschrieben:
J. Jasche, F.S. Kitaura, C. Li, T.A. Enßlin,
"Bayesian non-linear large scale structure inference of the Sloan Digital Sky Survey data release 7",
arXiv:0911.2498
J. Jasche, F.S. Kitaura,
"Fast Hamiltonian sampling for large scale structure inference"
arXiv:0911.2496
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