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Die Kerne der Atome, aus denen die uns vertraute Materie besteht,
setzen sich aus positiv geladenen Protonen und elektrisch neutralen
Neutronen zusammen. Diese wiederum sind aus noch fundamentaleren
Bausteinen, den Quarks, aufgebaut. In Neutronen und Protonen, den
Nukleonen, kommen lediglich die zwei leichtesten der sechs bekannten
Arten von Quarks vor, nämlich die "up" und "down" (deutsch:
"oben" und "unten") Quarks. Um die anderen Quarks auf der Erde zu
erzeugen, brauchen Physiker große Beschleunigerexperimente wie
den gerade fertiggestellten Large Hadron Collider (LHC) am
europäischen Teilchenforschungslabor CERN nahe Genf. Am LHC
werden dazu Protonen fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und
dann zur Kollision gebracht. Bei solchen Crashes entstehen kurzzeitig
extreme Bedingungen, wie sie nur kleinste Bruchteile einer Sekunde
nach dem Urknall im Universum geherrscht haben.
Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass es im heutigen Weltall auch
noch Quarks einer anderen Familie, die sog. "strange" (deutsch:
"seltsamen") Quarks, gibt. Diese sind deutlich schwerer als ihre
Verwandten vom up und down Typ und zerfallen normalerweise sofort in
die energetisch günstigeren nukleonischen Quarks. Die
Wechselwirkungen zwischen den Quarks könnten jedoch dafür
sorgen, dass Objekte nicht aus up und down Quarks allein bestehen,
sondern auch die seltsamen Quarks enthalten. Solche Objekte wären
aufgrund ihres niedrigen Energiezustandes stabiler als Atomkerne. Es
könnte sie als winzige "Klümpchen" aus wenigen hundert
Nukleonen geben, die mit der kosmischen Strahlung durch das Weltall
fliegen und aufgrund ihrer Kleinheit "strangelets" genannt werden.
Seltsame Quarks könnten aber auch im Innern von Neutronensternen
entstehen, den dichtesten bekannten Objekten, die als extrem kompakte
Überreste beim Gravitationskollaps von Sternen
zurückbleiben. Solche Sternleichen wären dann gar keine
Neutronensterne, sondern "seltsame Sterne" (strange stars). Diese
stellaren Exoten hätten etwa die 1,5-fache Sonnenmasse und einen
Radius von rund 10 Kilometern. Bei gleicher Masse wären sie
kompakter als Neutronensterne, was ein charakteristisches Merkmal zu
ihrer Identifizierung sein könnte. Denn im Gegensatz zu
Neutronensternen wäre ihre Materie nicht nur durch
Gravitationskräfte gebunden, sondern durch die starke
Wechselwirkung der Quarks, weshalb seltsame Sterne viel schärfere
Oberflächen hätten.
Astronomen sind auf intensiver Suche nach den seltsamen Sternen. Ihre
Entdeckung wäre eine Sensation, würde sie doch bedeuten,
dass es den stabilen, exotischen Grundzustand von Materie aus
seltsamen Quarks tatsächlich gibt. Leider gestaltet sich die
Suche extrem schwierig, weil bislang nur bei wenigen Neutronensternen
in Doppelsystemen die Massen genau gemessen wurden und Radien nur
ungenau und unter unsicheren theoretischen Annahmen bestimmt werden
können. Mit den bekannten Daten läßt sich die
Kompaktheit nicht ausreichend einschränken.
Ein Team aus Astrophysikern des Max-Planck-Instituts für
Astrophysik und der Universität Jena zusammen mit Kernphysikern
der Universitäten in Frankfurt und Heidelberg zeigt nun einen
anderen Weg auf, wie der Existenz der exotischen Sterne auf die Spur
zu kommen ist. Dazu untersuchte das Team mit Computermodellen die
messbaren Signale, die bei der Kollision zweier Sterne aus seltsamer
Materie in einem Doppelsystem erzeugt werden. Doppelsterne leben nicht
ewig. Sie strahlen als bewegte Massen nach Albert Einsteins
allgemeiner Relativitätstheorie Gravitationswellen ab,
Schwingungen der Raumzeit, die sich wellenartig ausbreiten. Dabei
verlieren die sich umkreisenden Sterne Energie. Deshalb schrumpft ihr
Abstand stetig, so dass sie immer schneller umeinander wirbeln. Die
Gravitationswellenabstrahlung steigt ständig weiter, bis die
Sterne in einer finalen Katastrophe ineinander stürzen (Abbn.1
und 2). Wenn das passiert, kommt es zu einem heftigen Ausbruch von
Gravitationswellen, der danach abklingt, wenn der aus der
Sternverschmelzung hervorgegangene, wild vibrierende, superschwere
Körper allmählich zur Ruhe kommt und schließlich zu
einem Schwarzen Loch kollabiert. Die Modellrechnungen des
Physikerteams zeigen nun, dass eine ganze Reihe von Eigenschaften des
Gravitationswellensignals sich eignen, Neutronensterne von seltsamen
Sternen zu unterscheiden.
Die kosmischen Kollisionen von zwei Sternen aus Neutronen oder
seltsamer Materie sollten sich nach Schätzungen der Astrophysiker
in Galaxien wie der Milchstraße im optimistischen Fall einmal
alle 10.000 Jahren ereignen. Das ist natürlich viel zu selten,
um es in unserer eigenen Welteninsel zu erwarten. Allerdings werden
die großen Gravitationswellenantennen wie das vom
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik betriebene
GEO600-Instrument
bei Hannover oder das
LIGO-Experiment
in den USA in wenigen Jahren so weit aufgerüstet sein, dass sie die schwachen
Signale auch aus dem
Virgo-Galaxienhaufen
in 65 Millionen Lichtjahren
Entfernung auffangen können, wo sich Tausende von Galaxien
tummeln.
Aber selbst dann wird für eine solche Gravitationswellenmessung
ein bißchen Glück nötig sein. Gut daher, dass die
Ergebnisse des Forscherteams eine weitere interessante
Möglichkeit aufzeigen. Die kosmischen Sternkollisionen schleudern
nämlich Materie in die stellare Umgebung. Falls die aufeinander
prallenden seltsamen Sterne nicht zu kompakt sind, können so
etliche Erdmassen als kleine Klümpchen seltsamer Quarkmaterie in
die den Weltraum durchflutende kosmische Teilchenstrahlung injiziert
werden (Abb.2). Mit einem im kommenden Jahr auf der Internationalen
Raumstation ISS geplanten Experiment, dem
"Alpha Magnetic Spectrometer" (AMS-02)
, wird auch nach solchen exotischen
Bestandteilen der die Erde erreichenden kosmischen Strahlung gefahndet
werden. Sollte AMS-02 die strangelets finden, wäre die erhoffte
Sensation perfekt. Aber selbst wenn dies ausbleibt, lassen sich mit
Hilfe der Berechnungen der Astro- und Kernphysiker den Messungen noch
nützliche Informationen über die Eigenschaften
möglicher Quarksterne entlocken. In jedem Fall wird daher die
Spannung steigen, wenn das neue Experiment auf den Weg zur ISS geht.
A. Bauswein und H.-Thomas Janka
Publikationen:
A. Bauswein, H.-T. Janka, R. Oechslin, G. Pagliara, I. Sagert,
J. Schaffner-Bielich, M.M. Hohle and R Neuhäuser,
Physical Review Letters, 103, 011101 (2009)
A. Bauswein, R. Oechslin and H.-T. Janka, Physical Review D,
2009, submitted
arXiv:0910.5169
Danksagung:
Die Simulationen wurden im Rechenzentrum Garching (RZG) und
Leibniz-Rechenzentrum Garching (LRZ) durchgeführt. Wir danken
Markus Rampp (RZG) für die Visualisierung der Ergebnisse. Dabei
wurde die Splotch Visualisierungs-Software von K. Dolag, M. Reinecke,
C. Gheller und S. Imboden verwendet.
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