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Obwohl die dunkle Materie die meiste Materie im Universum ausmacht,
bleibt ihre Natur unbekannt. Bisher ist die Existenz dunkler Materie nur
indirekt durch ihre Gravitationseffekte nachgewiesen worden. Sollte die
dunkle Materie jedoch aus Neutralinos bestehen, einer neuen
Teilchensorte, die von der Supersymmetrie vorausgesagt wird, so würde
sie, wenn auch nur sehr schwach, mit gewöhnlicher Materie
wechselwirken. So könnte sie vielleicht bald in Labors auf der Erde
nachgewiesen werden. Zusätzlich können sich Neutralinos, da sie
Majorana-Fermionen sind, gegenseitig selbst vernichten und dabei
gewöhnliche Partikel wie Positronen, Neutrinos und Gammastrahlen
produzieren. Wenn diese Produkte der Vernichtung zahlreich genug sind,
könnten sie durch Satelliten wie FERMI nachgewiesen werden, der den
Gammastrahlenhimmel seit Mitte des Jahres 2008 durchforstet.
Diese Gammastrahlung wird hauptsächlich in Regionen mit sehr hoher
Dichte produziert. Daher scheint es sinnvoll, in sehr dichten, nahe
gelegenen Gegenden nach ihr zu suchen, wie zum Beispiel im Zentrum
unserer Galaxie und/oder in den Zentren der Satellitengalaxien der
Milchstraße. Tatsächlich stellt sich heraus, dass die Erfolgschancen
für die Suche nach Gammastrahlung aus unserer Galaxie dann am höchsten
sind, wenn man leicht neben das galaktische Zentrum blickt, um eine
starke Vermischung des Signals mit Gammastrahlung aus anderen Quellen im
galaktischen Zentrum zu vermeiden
(siehe Aktuelle Forschung Dezember 2003).
Allerdings werden auch außerhalb der Milchstraße große Mengen an
Gammastrahlung durch Vernichtung dunkler Materie in all den vielen Halos
und Unterhalos entlang einer Sichtlinie produziert, was ingesamt zu
einem sogenannten Extragalaktischen Gammastrahlungshintergrund
(extragalactic gamma-ray background, EGB) führt. Obwohl der EGB auch
Anteile aus anderen Quellen, zum Beispiel von Blazaren oder von
beschleunigten geladenen Teilchen (den “kosmischen Strahlen”) enthält,
sollte das Energiespektrum und die Winkelverteilung der
Vernichtungsstrahlung ausgeprägte Signaturen aufweisen, die neue Wege
zur Entschlüsselung dieses Signals eröffnen. Daher ist eine detaillierte
Analyse des EGB eine vielversprechende Möglichkeit, dunkle Materie zu
entdecken.
In einer neuen Studie haben Wissenschaftler am MPA die neue
Millennium-II-Simulation verwendet, um für den gesamten Himmel Karten
des Beitrags der Vernichtungsstrahlung dunkler Materie zum EGB zu
erstellen. Dabei wurde eine spezielle Methode zur Erstellung der Karten
enwickelt, mit dessen Hilfe sich der rückwärtige Lichtkegel eines
virtuellen Beobachters in einer Bezugsgalaxie unter Einbeziehung der
Gammaleuchtkräfte aller Halos und Unterhalos konstruieren läßt. Außerdem
berücksichtigt die Methode Korrekturen für Emissionskomponenten, die von
der Simulation nicht aufgelöst werden können, sowie eine Extrapolation
des Signals bis zu der minimalen Masse für gebundene Neutralino-Halos.
Die Winkelauflösung der so erstellten Karten wurde ähnlich der von FERMI
gewählt, nämlich ungefähr 0,115 Grad.
Es stellte sich heraus, dass das Signal für einen großen Teil des
relevanten Energiespektrums (0.1-30 GeV) hauptsächlich aus Quellen mit
einer Rotverschiebung von bis zu z~2 stammt. Für die optimistischsten
teilchenphysikalischen Szenarien liegt das erwartete Energiespektrum des
isotropen Anteils der Hintergrundstrahlung etwa eine Größenordnung unter
den Werten, die das EGRET-Teleskop (der Vorläufer von FERMI) in dem
Energiebereich von 1-20 GeV für den EGB tatsächlich gemessen hat.
Ursprünglich wurde dieser beobachtete Überschuß an Gammastrahlen als ein
mögliches Signal der Vernichtung von Dunkler Materie interpretiert. Die
Ergebnisse der MPA-Gruppe zeigen nun, dass, sollten die Befunde von
FERMI bestätigt werden, nur dann Neutralinovernichtung für das Signal
verantwortlich sein kann, wenn der Prozeß in irgendeiner Weise verstärkt
wäre. Es gibt durchaus verschiedene Vorschläge für Mechanismen, die eine
solche Verstärkung verursachen könnten, zum Beispiel das Vorhandensein
extremer “Dichtespitzen” von dunkler Materie um mittelschwere schwarze
Löcher mit Massen zwischen 100 und einer Million Sonnenmassen herum,
oder die so genannte Sommerfeldverstärkung, ein quantenmechanischer
Bündelungseffekt, der den Wirkungsquerschnitt des Vernichtungsprozesses
vergrößert.
Die MPA-Gruppe untersuchte auch die anisotrope Komponente des EGB, indem
sie das Winkelenergiespektrum der simulierten Karten berechnete. Dies
lieferte insbesondere genaue Vorhersagen für die Form des Spektrums, die
dazu benutzt werden könnte, die Messungen klar gegen andere
Gammastrahlenquellen abzugrenzen, da das Vernichtungssignal auf ganz
besondere Art und Weise von der Verteilung und Häufigkeit von Halos auf
großen Skalen, von der Verteilung von Unterhalos innerhalb der Halos und
von der inneren Struktur der Halos abhängt. Außerdem zeigte sich, dass
die Winkelverteilung der Strahlung auch von der Energie der beobachteten
Photonen abhängt. Interessanterweise können diese Unterschiede
ausgenutzt werden, um “Farbkarten” zu erstellen, die das Signal naher
Strukturen aus dunkler Materie verstärken, analog zu Techniken, die in
Röntgenbeobachtungen verwendet werden. Beispielsweise fanden die
Wissenschaftler vom MPA heraus, dass es den Kontrast in den lokalen
Strukturen aus Dunkler Materie enorm verbessert, wenn man die Werte der
Karten bei 0,1 GeV und 32 GeV durcheinander teilt, da dadurch der
Gammahimmel von näher liegenden Strukturen deutlich sichtbarer
wird. Enthält das Emissionsspektrum der Vernichtungsstrahlung im
Ruhesystem markante Signaturen (z.B. Linien), könnte das vielleicht
sogar tomografische Aufnahmen der Strukturen in der dunklen Materie
ermöglichen.
Jesus Zavala, Volker Springel und Michael Boylan-Kolchin
Veröffentlichung
Jesus Zavala, Volker Springel, Michael Boylan-Kolchin,
"Extragalactic gamma-ray background radiation from dark matter annihilation",
2009, eingereicht bei MNRAS.
arXiv:0908.2428v2
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