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Abb. 1:
Umlaufbahnen von Erde, Venus und der extrasolaren Planeten GJ 317b
(grün) und HD 80606b (hellblau). Der rote Punkt in der Mitte zeigt die
Position des Sterns an (der Sonne oder GJ 317); der Punkt ist jedoch
viel größer als die tatsächliche Größe des Sterns. Die Bahnen beider
extrasolarer Planeten sind viel stärker längsverzerrt als die von Erde
und Venus.
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Abb. 2:
Die Verteilung der Exzentrizitäten (Rundlaufabweichungen) bei den
Bahnen der bekannten extrasolaren Planeten wird als schwarzes
Balkendiagramm gezeigt. Kreisförmige Umlaufbahnen haben eine
Exzentrizität von 0, extrem gestreckte Bahnen haben eine Exzentrizität
von 1, und GJ 317b hat eine Exzentrizität von 0,19. Die farbigen
Bereiche zeigen die Exzentrizitätsverteilungen der Simulationen. Sie
stimmen mit den Beobachtungen überein, bis auf ein Übermaß an
beobachteten Systemen mit Exzentrizitäten von weniger als 0,1: Diese
stellen wahrscheinlich Systeme wie das Sonnensystem dar, in denen kein
Spätstadium mit dynamischer Entwicklung stattgefunden hat.
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Unser Verständnis der Ursprünge und der Verteilung von Planeten wie
der Erde hat sich im letzten Jahrzehnt durch die Entdeckung von über
300 Planeten, die andere Sterne umkreisen, von Grund auf
verändert. Diese Planetensysteme weichen in grundlegender Weise von
unserem eigenen Sonnensystem ab und zeigen uns damit, dass die
Vielfalt möglicher Systeme deutlich größer ist als die meisten
Astronomen vermutet hatten.
Eine der wichtigsten Abweichungen liegt in den Formen der
Planetenbahnen. Die Bahnen der meisten Planeten im Sonnensystem sind
fast vollständig kreisförmig. Zum Beispiel schwankt die Entfernung der
Erde von der Sonne, während sie sie umkreist, nur um 3
Prozent. Mathematisch lässt sich die Gestalt einer Umlaufbahn durch
ihre Exzentrizität (Rundlaufabweichung) beschreiben, das Maß für die
Abweichung von der Kreisform. Die Exzentrizität bewegt sich zwischen
dem Wert Null für eine kreisrunde Umlaufbahn wie die der Erde bis in
die Nähe des Wertes Eins für extrem gestreckte Kreisbahnen wie die
einiger Kometen.
Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften der Planeten, die in der
Nähe anderer Sterne entdeckt worden sind, ist, dass ihre Bahnen viel
stärker in die Länge gezogen sind als die Planetenbahnen im
Sonnensystem. Abbildung 1 zeigt die Umlaufbahnen zweier dieser
Planeten im Vergleich zu Erde und Venus. Der grüne Planet, GJ 317b,
hat eine typische Exzentrizität, während der hellblaue Planet, HD
80606b, die größte für irgendeinen Planeten bekannte Exzentrizität
hat. Diese in die Länge gezogenen Formen sind überraschend, da man
annimmt, dass Planeten sich aus einer kreisförmigen Gas- und
Staubscheibe verdichtet haben, die den Stern umgibt (eine Auffassung,
die erstmals von dem preußischen Philosophen Immanuel Kant im Jahr
1755 vertreten wurde) und dass die Planetenbahnen daher kreisförmig
sein sollten, wie die Form des Gases, aus dem sich die Planeten
gebildet haben.
Die Forscher Scott Tremaine (MPA und Institute for Advanced Study) und
Mario Juric (Princeton University) untersuchten nun die Möglichkeit,
dass Planetenbahnen ihre Formen erlangen, nachdem der Prozess der
Planetenbildung abgeschlossen ist und die Gasscheibe sich aufgelöst
hat. Nach dieser Hypothese bilden sich Planeten in kreisförmigen
Bahnen, aber dann verzerren die gravitativen Wechselwirkungen, die sie
auf einander ausüben, während sie ihre Bahnen ziehen, ihre Umläufe
immer mehr ins Längliche. In einigen Fällen führt dieser Prozess dazu,
dass Planeten zusammenstoßen, in den interstellaren Raum hinaus
gestoßen oder durch den Stern verbrannt werden, während in anderen
Fällen einige oder alle Planeten überleben, aber in Umlaufbahnen, die
erheblich von der Kreisform abweichen.
Um diese Hypothese zu überprüfen, entwarfen Juric und Tremaine einige
Tausend Modelle von Planetensystemen, in denen mehrere Planeten ihre
Sterne in fast kreisrunden Bahnen umliefen, und verfolgten die
Entwicklung dieser Bahnen numerisch über 100 Millionen Jahre
hinweg. Sie fanden heraus, dass in einem bemerkenswert großen Teil
dieser Modellsysteme die Verteilung der Kreisformen oder
Rundlaufabweichungen der überlebenden Planeten der Verteilung der
Exzentrizitäten in den bekannten extrasolaren Planetensystemen
entsprach (siehe Abbildung 2). Andere Eigenschaften der Modellsysteme,
wie die Abstände der Planeten, stimmten ebenfalls gut mit den
Beobachtungen überein.
Diese Befunde implizieren, dass, obwohl Riesenplaneten wie Jupiter und
die meisten der bekannten extrasolaren Planeten sich innerhalb der
ersten Million Jahre nach der Geburt ihrer Sterne bildeten, einige
Eigenschaften der Planetensysteme viel später bestimmt werden, in
einer ungefähr 100 Mal so lang dauernden Entwicklungsphase. Die
Ergebnisse weisen auch darauf hin, dass die Umlaufbahnen der Planeten
im Sonnensystem fast kreisrund sind, weil die Planeten zu weit
voneinander entfernt sind oder eine zu geringe Masse haben, um
nachweisbare Rundlaufabweichungen hervorzurufen. Die spannende Frage,
warum der Mensch ausgerechnet in einem so ungewöhnlichen
Planetensystem lebt, wird von den Autoren allerdings nicht
angesprochen. Eine nahe liegende Vermutung wäre, dass die
Klimaverhältnisse ungünstig zum Leben sind, wenn die Planetenbahnen zu
stark von der Rundform abweichen.
Scott Tremaine; Mona Clerico (Übersetzung)
Publications
M. Juric and S. Tremaine,
"Dynamical origin of extrasolar planet eccentricity distribution ",
2008,
Astrophysical Journal
(eingereicht)
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