Chemische Fingerabdrücke der ältesten Sterne

Einige der ältesten Sterne in unserer Milchstraße enthalten erstaunlich viel Kohlenstoff, jedoch deutlich weniger Sauerstoff als erwartet. Diese überraschende Entdeckung machte ein internationales Team von Astronomen unter Leitung des Doktoranden Damian Fabbian und seines Betreuers Martin Asplund, der Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik ist. Die Elementhäufigkeiten zeugen von nuklearen Brennprozessen in der allerersten Generation von Sternen unmittelbar nach dem Urknall.

Abb. 1: Die Beobachtungen von einigen der ältesten bekannten Sterne in unserer Milchstraße wurden mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in Chile gemacht. Das VLT besteht aus vier einzelnen Teleskopen, von denen jedes einen Spiegeldurchmesser von 8,2 Metern besitzt. Es ist damit eines der größten optischen Instrumente der Welt.
Bildquelle: Pierre Kervella (Paris-Meudon Observatory) und European Southern Observatory

Abb. 2: Weil das Sonnensystem in der Ebene der Milchstraß liegt, kann man von der Erde aus keine Gesamtaufnahme unserer Heimatgalaxie machen. Dieses Bild zeigt daher die der Milchstraße nächstgelegene große Galaxie, den Andromedanebel, der ein sehr ähnliches Aussehen besitzt. Auch er ist eine Spiralgalaxie, die aus einer Scheibe und einer zentralen Verdickung von Sternen besteht. Letztere wird im Englischen mit `bulge' bezeichnet. Die ältesten Sterne befinden sich in einem weit ausgedehnten Halo, das die Scheibe und die zentrale Verdickung umgibt.
Bildquelle: Robert Gendler

Abb. 3: Gezeigt ist das Verhältnis der Häufigkeiten von Kohlenstoff zu Sauerstoff, [C/O] (vertikale Achse), als Funktion des Gehalts der Sterne an Sauerstoff (gemessen als Verhältnis [O/H], horizontale Achse). Beide Verhältnisgrößen sind auf die Werte in der Sonne normiert und logarithmisch wiedergegeben, d.h. [C/O]=0 entspricht dem solaren Wert und [C/O]=-1 einem um das Zehnfache geringeren Wert als in der Sonne. Genauso ist [O/H]=0 der Sauerstoffgehalt (relativ zur Häufigkeit von Wasserstoff) in der Sonne und [O/H]=-3 entspricht Sternen, in denen Sauerstoff 1000 mal seltener vorkommt als im solaren Gas. Da der Sauerstoffanteil im interstellaren Gas mit der Zeit stetig angestiegen ist, wird die horizontale Achse allgemein als Zeitachse verstanden: niedrigere Sauerstoffhäufigkeit bedeutet ältere Sterne, d.h. Sterne, die früher entstanden sind. Die roten Dreiecke markieren die neuen Beobachtungen mit dem Very Large Telescope, während die blauen Kreise für sonnenähnliche Sterne in der galaktischen Scheibe stehen, die von Bensby & Feltzing (2006) analysiert wurden. Das zunehmende [C/O] Verhältnis bei geringem [O/H] (ältere Sterne) läßt sich als Ergebnis der Elemententstehung in der allerersten Sterngeneration interpretieren (grüne durchgezogene Linie). Modelle ohne die Beiträge dieser Sterne sagen viel zu geringe Werte für [C/O] voraus (schwarze gestrichelte Kurve).

Alle chemischen Elemente im Universum außer Wasserstoff und Helium sind durch Kernreaktionen im Innern der Sterne entstanden und werden bei deren explosivem Tod ins interstellare Medium geschleudert. Aus dem so angereicherten interstellaren Gas bilden sich dann die nächsten Sterngenerationen. Auf diese Weise nimmt der Anteil von Elementen schwerer als Helium in den Galaxien und im Universum laufend zu. Jedes chemische Element hat seinen eigenen besonderen stellaren Ursprung. So kommt der Sauerstoff, den wir atmen, aus Sternen, die mehr als acht mal schwerer sind als die Sonne, wogegen der Kohlenstoff in unseren Zellen vorwiegend von sonnenähnlichen Sternen stammt. Weil Sterne wie unsere Sonne viele Milliarden Jahre leben, können sie aber nicht für die Kohlenstroffanreicherung des kosmischen Gases zur Entstehungszeit unserer Milchstraße verantwortlich sein. Daher könnte man erwarten, dass die astronomischen Fossilien aus jener Zeit, nämlich die ältesten noch existierenden Sterne in der Milchstraße, relativ wenig Kohlenstoff enthalten sollten.

Astronomen können durch Beobachtung der Strahlung, die von Sternen ausgeht, Rückschlüsse auf die chemische Komposition der Sternmaterie ziehen, denn die verschiedenen Elemente machen sich durch Absorptionslinien bei charakteristischen Wellenlängen im Sternspektrum bemerkbar. Unter Benutzung eines realistischen Modells, das die Spektrenbildung in den äußeren Sternschichten, der sog. Sternatmosphäre, beschreibt, kann dann auf die Häufigkeit beispielsweise von Kohlenstoff oder Eisen im Sterngas geschlossen werden. Eine Forschungsgruppe, geleitet durch den Doktoranden Damian Fabbian von der Australian National University und Prof. Martin Asplund vom Max-Planck-Institut für Astrophysik, hat einige der ältesten Sterne der Milchstraße mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile beobachtet. Zudem hat das Team die Spektrenentstehung unter Berücksichtigung bislang vernachlässigter Atomprozesse modelliert, was die theoretischen Vorhersagen zuverlässiger macht.

Zu ihrer Überraschung fand die Forschergruppe, dass die sehr alten Sterne große Mengen Kohlenstoff enthalten, gleichzeitig aber weniger Sauerstoff als aus früheren Studien geschlossen worden war. Tatsächlich ist die relative Häufigkeit von Kohlenstoff zu Sauerstoff, welche in den chemisch ursprünglichsten der beobachteten Sterne gesehen wurde, dieselbe wie in der Sonne. Die Kohlenstoff- und Sauerstoffatome müssen dabei aus einer noch früheren Sterngeneration stammen, den frühesten Sternen im jungen Universum. Diese sog. ersten Sterne sind nie direkt gesehen worden, weil sie heute längst verloschen sind, aber sie müssen sich stark von den heutigen Sternen unterschieden haben. In der Tat zeigen aktuelle theoretische Entwicklungsrechnungen, dass selbst sehr massereiche Sterne, die anfänglich nur aus Wasserstoff und Helium bestanden, die gemessenen großen Mengen Kohlenstoff erzeugen können. Mit ihren neuen Beobachtungen sind die Forscher nun diesen chemischen Fingerabdrücken auf der Spur, die von Kernreaktionsprozessen in der ersten, längst vergangenen Sterngeneration hinterlassen wurden.


Martin Asplund


Veröffentlichungen:

Damian Fabbian, Martin Asplund, Paul Barklem, Mats Carlsson and Dan Kiselman, "Neutral oxygen spectral line formation revisited with new collisional data: large departures from LTE at low metallicity", 2008, eingereicht bei Astronomy & Astrophysics

Damian Fabbian, Poul Erik Nissen, Martin Asplund and Max Pettini, "The [C/O] ratio at low metallicity: constraints on early chemical evolution from observations of Galactic halo stars", 2008, eingereicht bei Astronomy & Astrophysics

Damian Fabbian, "Chemical compositions of stars in the light of non-LTE spectral line formation: the evolution of carbon and oxygen in the Galaxy", 2008, Doktorarbeit, Australian National University