| |
Ungefähr 260.000 Jahre nach dem Urknall war das zu Beginn vollständig
ionisierte Plasma ausreichend abgekühlt, um die Bildung neutraler
Wasserstoffatome zu erlauben. Zu diesem Zeitpunkt war die Temperatur
der annähernd isotropen CMB Schwarzkörperstrahlung, welche das
Universum anfüllt, auf etwa 3800 K gesunken. Der Rekombinationsprozess
ist mit der Freisetzung mehrerer Photonen verknüpft, die bei dem
Übergang der Elektronen aus stark angeregten atomaren Zuständen in den
Grundzustand emittiert werden. Schon seit etwa 40 Jahren ist
bekannt, dass die Kinetik der kosmologischen Rekombination extrem
ungewöhnlich ist: Aufgrund der niedrigen Expansionsrate des Universums
wird das Entfliehen der Photonen von der Lyman-α Resonanz extrem
erschwert. Dadurch kommt dem sehr unwahrscheinlichen Zwei-Photonen
Übergang des metastabilen 2s-Levels in den Grundzustand eine
entscheidende Rolle für die Kinetik der Rekombination zu. Etwa 57%
aller Elektronen in neutralen Wasserstoffatomen haben den Grundzustand
über den 2s-1s Zwei-Photonen Zerfall erreicht. Als Folge wird die
Kinetik der Rekombination nicht durch Gleichungen, die ein
kühlendes Plasma im Saha-Gleichgewicht beschreiben, wiedergegeben, und
der Rekombinationsprozess ist stark verzögert. Aufgrund der extrem
großen Entropie des Universums (mit etwa 2x109 Photonen pro Baryon)
wird das primordiale Plasma außerdem von Photonen dominiert. Dadurch
spielen Kollisionen von Atomen mit freien Elektronen und Ionen eine
vernachlässigbare Rolle, und die Populationen der hoch angeregten
Atomniveaus werden vollständig durch die Strahlungsübergangsraten,
einschließlich stimulierter Rekombination und induzierter Emission,
definiert.
Detailierte Rechnungen haben es erlaubt, das Spektrum dieser
Rekombinationsstrahlung zu ermitteln. Hierbei wurden alle möglichen
atomaren Übergänge des Wasserstoffs für Elektronen in angeregten
Zuständen mit Hauptquantenzahlen bis zu n=100 berücksichtigt. Das
berechnete Spektrum ist aufgrund der Expansion des Universums mehr als
1000-fach rotverschoben, und ursprüngliche UV Photonen erreichen den
Beobachter heute im sub-mm Band des elektromagnetischen
Spektrums. Übergänge zwischen stark angeregten Zuständen führen zu
Photonen die heutzutage bei Radiofrequenzen beobachtbar sein
sollten. Gerade in diesem Frequenzband haben experimentelle Techniken
im Zusammenhang mit den extrem erfolgreichen Untersuchungen der
richtungsabhängigen Temperaturfluktuationen der CMBR unübertroffene
Empfindlichkeit erreicht.
Das resultierende Spektrum ist in Abbildung 1 gezeigt. Für
Experimentatoren ist das Verhältnis des berechneten Signals zur CMB
Schwarzkörperstrahlung entscheidend (vgl. Abb. 2). Vermutlich ist es am
besten bei niedrigen Frequenzen, direkt oberhalb von 1.4 GHz, nach dem
Rekombinationssignal zu suchen. Dort ist die Linienemission
entfernter Galaxien, insbesondere in Verbindung mit der 21 cm Linie
des neutralen Wasserstoffs, am geringsten. Die eingefügte Abbildung
illustriert die Frequenzabhängigkeit des Rekombinationssignals. Es hat
ein besonderes "Muster", welches nicht leicht von anderen
astrophysikalische Quellen nachgeahmt werden kann. Daher können
Beobachter dieses "Template" benutzen, um das Rekombinationssignal von
anderen Signalen zu trennen
Wissenschaftler des MPA schlagen daher einen neuen Typ von CMB
Experiment vor: Anstatt den Himmel bei fester Frequenz nach winzigen,
richtungsabhängigen Fluktuationen der CMB Temperatur abzusuchen,
sollte man die Strahlung von einem großen Bereich des Himmels bei
verschiedenen Frequenzen abscannen, und nach der vorhergesagten,
charakteristischen spektralen Variabilität suchen. Experimente, die
momentan in den USA zur Vermessung der richtungsabhängigen Fluktuation
der CMB Temperatur vorbereitet werden, erreichen bereits eine
Empfindlichkeit von 10 nK. Das Rekombinationssignal hingegen hat eine
Amplitude von 50 bis 100 nK. Zudem ist das diskutierte Spektrum der
Rekombinationsstrahlung in allen Richtungen des Himmels gleich.
Die Position der Maxima und Minima im Rekombinationsspektrum hängt
stark von der Temperatur des CMB ab. Die bisher einzige genaue Messung der
Temperatur des CMB mit Hilfe des COBE Raumsonde wurde 2006 mit dem Nobelpreis
für Physik gewürdigt. Es ist wichtig, neue, unabhängige Methoden zur Bestimmung
des CMB Monopols zu entwickeln, und die hier diskutierten
Rekombinationslinien könnten dafür eine Möglichkeit bieten. Außerdem
hängt die Intensität des Rekombinationsspektrums von der Gesamtmenge
der Wasserstoffatome im Universum ab, ist jedoch weitgehend
unabhängig von den anderen kosmologischen Parametern. Daher könnten
es die Rekombinationslinien erlauben, die Entropie des Universums zu
bestimmen. Im Prinzip sollte es auch möglich sein das Mengenverhältnis
von Helium und Wasserstoff zu messen und die genaue Rekombinationsgeschichte
zu rekonstruieren.
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die Photonen, welche
das Rekombinationssignal bilden, hauptsächlich bei Rotverschiebungen
z~1300 und 1400 emittiert wurden, also vor dem Zeitpunkt, an dem das
Universum aufgrund der Rekombination transparent wurde und die "letzte
Streuung" der CMB Photonen stattfand. Gerade diese letzte Streuung
spielt aber für die beobachteten richtungsabhängigen Fluktuationen der
CMB Temperatur eine sehr wichtige Rolle. Daher könnte die Existenz
der Rekombinationslinien im CMB Spektrum den endgültigen Beweis dafür
liefern, dass die Rekombination im Universum so stattgefunden hat, wie
wir es aus theoretischer Sicht erwarten.
R.A. Sunyaev und J. Chluba
Veröffentlichungen
Jens Chluba, Rashid Sunyaev
"Free-bound emission from cosmological hydrogen recombination"
A&A, 458, L29 (2006)
Jose Alberto Rubiño-Martín, Jens Chluba and Rashid Sunyaev
"Lines in the cosmic microwave background spectrum from the epoch of
cosmological hydrogen recombination"
Mon. Not. R. Astron. Soc., 371, 1939 (2006)
|