Neue Vorhersagen bestärken die extragalaktische Suche nach Gravitationswellen von Supernovae

Nach Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie soll die Raumzeit wie eine Membran schwingen können. Nun endlich, mehr als 80 Jahre nach dieser theoretischen Vorhersage, sind so empfindliche Messgeräte im Bau, dass solche Gravitationswellen bald messbar werden. Diese Raumzeitschwingungen entstehen zum Beispiel, wenn der Kernbereich (englisch "Core") eines massereichen Sterns in weniger als einer Sekunde zu einem Neutronenstern kollabiert. Trotz der gewaltigen Masse, die dabei nahezu mit Lichtgeschwindigkeit bewegt wird, sind die abgestrahlten Wellen dennoch extrem schwach. Um sie überhaupt im Hintergrundrauschen zu finden, sind möglichst genaue Wellenmuster nötig. Mit neuen Supercomputer-Simulationen gelang es nun einer Arbeitsgruppe von Forschern unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik, die erwarteten Gravitationswellen vom Sternkollaps wesentlich zuverlässiger zu bestimmen.

Abb. 1: Luftansicht des Gravitationswellen-Detektors linkPfeilExtern.gifLIGO, in Livingston, USA.; die zwei Interferometer-Arme erstecken sich über eine Länge von 4 km. Ähnliche Detektoren sind in Betrieb in Hanford, USA (linkPfeilExtern.gifLIGO), in Pisa, Italien (linkPfeilExtern.gifVIRGO), in Hannover, Deutschland (linkPfeilExtern.gifGEO 600), und in Tokio, Japan (linkPfeilExtern.gifTAMA 300). Bildabdruck mit Genehmigung von LIGO Livingstone.

Abb. 2: Generische Gravitationalwellen-Signale vom Kollaps rotierender Stern-Cores. In den neuen Simulationen mit den realistischeren Anfangsmodellen und dem verbesserten Materiemodell treten nur Typ-I-Signal-Templates (blaue Kurve) auf. Die von älteren, einfacheren Modellen bekannten Typ-II-Signale (rote Kurve) und Typ-III-Signale (grüne Kurve) sind komplett unterdrückt.

Abb. 3: Aussichten für den Nachweis von Gravitationswellen-Signalen von extragalaktischen Supernovae. Für den geplanten Detektor Advanced LIGO im regulären Modus liegen alle Signale (blaue Punkte) von einem Ereignis in der Andromeda-Galaxie unterhalb der Empfindlichkeitsschwelle (blaue Kurve). Ein Advanced-LIGO-Detektor in Schmalband-Betrieb könnte ausnützen, daß die neuen Signal-Templates jetzt generisch sind (wobei viele von ihnen wie Perlen auf einer Kette bei einer Frequenz aufgereiht sind; rote Punkte) und einige davon messen (rote Kurve). Der (wiederum breitbandige) zukünftige EURO-Detektor ist empfindlich genug, um sogar viele der vom Virgo-Galaxiehaufen kommenden Signale (grüne Punkte) oberhalb seiner Empfindlichkeitsschwelle zu haben (grüne Kurve). Die Lage der Signale in diesem Graph hängt (wie farblich dargestellt) von der Detektor-Charakteristik ab.

Während Licht- oder Schallwellen sich durch Raum und Zeit bewegen, sind Gravitationswellen sich ausbreitende Wellenbewegungen von Raum und Zeit selbst. Solche Verformungen der Raumzeit werden durch katastrophenartige astrophysikalische Phänomene, bei denen extrem kompakte Objekte (wie z.B. kollidierende und verschmelzende schwarze Löcher oder Neutronensterne) beteiligt sind, erzeugt.

Trotz ihres Ursprungs in einer so rauhen Umgebung wird eine Gravitationswelle bei ihrer Ankunft auf der Erde eine relative Signalstärke von maximal 10-20 haben, was ein Teil in 100,000,000,000,000,000,000 ist. Dies entspricht einer Längenveränderung von nur circa 1/100 der Größe eines Atomkerns in einem 100 km langen Maßstab!

Obwohl Gravitationswellen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Einstein vorhergesagt worden sind, besitzen wir erst jetzt die Technologie, den ersten erfolgreichen Nachweis in Angriff zu nehmen. Gegenwärtig suchen fünf Laser-Interferometer-Detektoren der Kilometer-Klasse aktiv den Himmel nach Gravitationswellen ab, die von galaktischen oder extragalaktischen Ereignissen kommen (siehe Bild 1). Sie werden unterstützt durch resonante Detektoren, die im Unterschied zu den aktuellen Interferometern ihre optimale Empfindlichkeit in einem nur engen Frequenzband haben. In der nahen Zukunft werden die existierenden Experimente zu besserer Empfindlichkeit aufgerüstet werden, es werden bereits geplante neue Detektoren gebaut werden, und der weltraum-gestützte Satellit LISA wird die Detektoren auf der Erde komplementieren.

Ein erfolgreicher direkter Nachweis wird nicht nur Einsteins mutige Vorhersage unzweifelhaft bestätigen, sondern wird vor allem auch ein völlig neues "Fenster" zum Universum öffnen. Durch die routinemäßige Beobachtung von Gravitationswellen werden Astrophysiker neue und andernfalls komplett unerreichbare Erkenntnisse über solch faszinierende Objekte wie schwarze Löcher, die rätselhaften kosmischen Gammablitze oder die treibende Kraft hinter den stellaren Supernova-Explosionen gewinnen.

Ein Beispiel für eine vielversprechende Quelle von Gravitationswellen ist der Gravitationskollaps des rotierenden Cores eines massereichen Sterns in einem spektakulären Supernova-Ereignis: Während des Kollaps wird innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde eine Masse von mehr als der unserer Sonne zu Dichten oberhalb von 100 Millionen Tonnen pro Kubikzentimeter komprimiert, bis die Kontraktion durch den Core-Rückprall gestoppt wird. Die Suche nach Gravitationswellen einer Supernova wurde bisher jedoch durch die ziemlich unvollständige Kenntnis des zu erwartenden Signals vom Core-Rückprall erschwert.

Ein erster Versuch, Vorlagen (sogenannte Templates) für Gravitationswellen-Signale von als Supernova sterbenden Sternen zu berechnen, wurde vor Jahren schon von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Astrophysik erfolgreich unternommen (siehe linkPfeil.gifAktuelle Forschung November 2001). Allerdings prognostizierten diese Templates eine große Variabilität der Art und Weise, wie Kollaps und Rückprall ablaufen. Die entsprechende Unsicherheit beim Wellensignal verhinderte eine Anwendung der effektivsten verfügbaren Filter in der Signal-Analyse der Detektoren.

In einer stark verbesserten Erweiterung dieser bisherigen Ergebnisse haben jetzt wiederum Astrophysiker vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Zusammenarbeit mit Christian D. Ott (bisher linkPfeilExtern.gifMax-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Golm; jetzt linkPfeilExtern.gifDepartment of Astronomy and Steward Observatory, linkPfeilExtern.gifUniversity of Arizona, USA) und unterstützt von Ian Hawke (linkPfeilExtern.gifSchool of Mathematics, linkPfeilExtern.gifUniversity of Southampton, Großbritannien) sowie Erik Schnetter und Burkhard Zink (beide linkPfeilExtern.gifCenter for Computation & Technology, linkPfeilExtern.gifLouisiana State University, USA) neue multi-dimensionale Supercomputer-Simulationen einer Vielzahl von rotierenden stellaren Core-Kollaps-Modellen fertiggestellt. Im Gegensatz zu den alten, einfacheren Rechnungen wurden diesmal bessere Anfangsmodelle verwendet, wurde eine realistischere Berschreibung der Materie implementiert, und wurden die Effekte von Neutrinos in der Kontraktionsphase mit in Betracht gezogen.

Bemerkenswerterweise verschwindet bei einer Einbeziehung all dieser wichtigen Verbesserungen die bisher festgestellte Diversität der Gravitationswellen-Signale, und nur ein Signaltyp bleibt übrig (siehe Bild 2). Dieser Typ ist als Typ I bekannt und weist als Charakteristik einen positiven Signalanstieg vor dem Rückprall und eine große negative Signalspitze auf, gefolgt von einer Ausklingphase, während der das Signal langsam auf Null zurückgeht.

Die Erkenntnis, daß die Gravitationswellen-Templates für verbesserte Modelle gleichförmiger (also generischer) werden, hat wichtige Auswirkungen auf einen möglichen Nachweis eines solchen Ereignisses. Offenkundig können bei einer besseren Kenntnis der erwarteten Signals und bei robusteren Vorhersagen besser abgestimmte Datenanalyse-Methoden angewandt werden, um solche Signale aus den in den Detektoren gemessenen Datenströmen herauszufiltern. Da die Frequenzen der Signal-Templates sich in einem sehr engen Frequenzbereich gruppieren, können darüber hinhaus die Interferometer-Detektoren selbst fein eingestellt werden, um vor allem in einem engen Frequenzband zu suchen (siehe Bild 3). Zusätzlich können resonante Detektoren, die aufgrund ihrer Konstruktion sowieso schon schmalbandig sind, sehr effektiv die Suche begleiten.

Mithilfe solcher Methoden und eines gemeinsamen Vorgehens mehrerer Detektoren kann in naher Zukunft die Nachweis-Reichweite vermutlich bis weit über unsere Galaxie hinaus ausgedehnt werden. Dies erhöht die Aussichten für eine Signal-Detektion stark, da andernfalls die Hoffnungen allein auf dem eher seltenen Ereignis einer Supernova in unserer eigenen Galaxie ruhen würden.


H. Dimmelmeier, H.-T. Janka, A. Marek, E. Müller


Publication

C.D. Ott, H. Dimmelmeier, A. Marek, H.-T. Janka, I. Hawke, B. Zink, and E. Schnetter,
"3D Collapse of Rotating Stellar Iron Cores in General Relativity with Microphysics",
Physical Review Letters, eingereicht; linkPfeilExtern.gifastro-ph/0609819

H. Dimmelmeier, C.D. Ott, H.-T. Janka, A. Marek, and E. Müller,
"Generic Gravitational Wave Signals from the Collapse of Rotating Stellar Iron Cores",
Physical Review Letters, eingereicht; linkPfeilExtern.gifastro-ph/0702305

C.D. Ott, H. Dimmelmeier, A. Marek, H.-T. Janka, B. Zink, I. Hawke, and E. Schnetter,
"Rotating Collapse of Stellar Iron Cores in General Relativity",
Proceedings of the New Frontiers in Numerical Relativity Conference, AEI Golm, Germany, 2007; linkPfeilExtern.gifastro-ph/0612638