Punktquellen im galaktischen Röntgenhintergrund

Mit Hilfe von Langzeitbeobachtungen des galaktischen Zentrums konnte eine Gruppe von Röntgenastronomen vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics das dreißig Jahre alte Problem lösen, woher der galaktische Hintergrund von Röntgenstrahlung stammt.

Abb. 1: Bild des galaktischen Zentrums, wie es mit Chandra beobachtet wurde. Die Kreise zeigen die Positionen von beobachteten Punktquellen.

Abb. 2: Helligkeitsfunktion der schwachen Röntgenquellen, wie sie in der Umgebung unserer Sonne beobachtet wurde (roter Bereich), und des galaktischen Zentrums (grauer Bereich). Beide stimmen recht gut miteinander überein. Die Quellen des grauen Bereiches tragen etwa 40-50% zum gesamten Röntgenfluss aus dem galaktischen Zentralgebiet bei, während sich der Rest vermutlich durch weitere schwache Quellen entsprechend denen in der Nachbarschaft unserer Sonne erklären lässt.

Seit Ende der 70er Jahre ist bekannt, dass neben der Strahlung von hellen Röntgenquellen (hauptsächlich Neutronensterne und schwarze Löcher) auch eine über die gesamte Milchstrasse ausgedehnte, jedoch unaufgelöste Röntgenemission existiert. Der Ursprung dieses galaktischen Röntgenhintergrunds (engl. "Galactic ridge X-ray emission") war jedoch für lange Zeit unklar. Beobachtungen zeigten, dass diese Emission in der galaktischen Ebene konzentriert ist. Das gemessene Röntgenspektrum sprach jedoch dafür, dass emittierendes Plasma viel zu heiß sein müßte (kT>5-10 keV), um durch das Gravitationspotential der Milchstrasse festgehalten zu werden. Daher würde dieses Plasma kontinuierlich entweichen und dabei enorme Energiemengen mit sich davontragen, wobei die Quelle dieser Energie jedoch völlig unklar wäre.

Eine alternative Erklärung für den galaktischen Röntgenhintergrund wurde kurz nach der Entdeckung vorgeschlagen und basiert auf der Idee, dass sich dieser aus der überlagerten Strahlung vieler Röntgenpunktquellen zusammensetzt, wobei diese Quellen jedoch einzeln zu schwach sind, um mit den damals verfügbaren Instrumenten aufgelöst zu werden. Damit gäbe es das oben erwähnte Problem nicht. Eine Bestätigung dieser Hypothese erwies sich jedoch als schwierig, da die Summenhelligkeit verschiedener Arten von Röntgenquellen extrem unsicher war.

Wissenschaftler des MPI für Astrophysik konnten diesbezüglich erst jüngst einige Fortschritte vermelden (vgl. linkPfeil.gif Aktuelle Forschung März 2006 linkPfeil.gif Aktuelle Forschung April 2006 linkPfeil.gif Aktuelle Forschung August 2006 ). Die endgültige Antwort auf die Frage, ob sich der galaktische Röntgenhintergrund durch die Strahlung vieler einzelner Punktquellen erklären lässt oder doch auf der Emission diffusen interstellaren Plasmas beruht, erfordert aber die direkte Beobachtung der Quellen. Das hierfür beste Instrument ist momentan das Röntgenobservatorium Chandra, welches mit seiner hohen Winkelauflösung (~Bogensekunden) und großen Empfindlichkeit erlaubt, die Quellen sichtbar zu unterscheiden und somit das Problem der sog. "Quellenverschmelzung" (engl. "source confusion") zu vermeiden.

Mikhail Revnivtsev und Sergey Sazonov von MPI für Astrophysik und Alexey Vikhlinin vom Center for Astrophysics in Harvard (USA) konnten nun mit Chandrabeobachtungen des galaktischen Zentrums von insgesamt rund einer Million Sekunden Dauer den Nachweis erbringen, dass Punktquellen mit Röntgenhelligkeiten von mehr als 1031 erg/s mindestens 40% zum gesamten Röntgenhintergrund dieser Region beitragen. Ausserdem zeigte ein Vergleich zwischen der rekonstruierten Helligkeitsfunktion (engl. "luminosity function") dieser Punktquellen und der schon vorher gemessenem Helligkeitsfunktion von Röntgenquellen in der Nachbarschaft der Sonne eine gute Übereinstimmung. Dieser Befund legt nahe, dass sich die restlichen 60% des galaktischen Röntgenhintergrunds vermutlich aus der Strahlung koronal-aktiver Sterne und von Doppelsternsystemen mit Weißen Zwergen zusammensetzt, die Helligkeiten unter 1031 erg/s (der momentanen Empfindlichkeitsgrenze von Chandra) besitzen.


Mikhail Revnivtsev, Sergey Sazonov