Ein Röntgenblitz von einem Neutronenstern in Supernova 2006aj

Sterne mit weit geringerer Masse als bisher angenommen können schwache Gammablitze produzieren. Diese unerwartete Entdeckung gelang einem internationalen Team von Wissenschaftern unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Garching durch Messungen mit dem Swift Satelliten der NASA und optische Beobachtungen mit dem Very Large Telescope des Europäischen Südsternwarte in Chile. (Nature, 31. August 2006)

Das untere Bild zeigt die Himmelsgegend der Supernova SN 2006aj vor der Explosion. Die Lichtquelle innerhalb des Kreises ist die Galaxie, in der der Stern explodierte. Sie ist rund 430 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Das obere Bild ist eine Aufnahme der Supernova (Pfeil) mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte. Beide Bilder haben einen Durchmesser von etwa einer Bogenminute.

Sterne leuchten, weil in ihren Innern Kernreaktionen stattfinden, die leichte chemische Elemente in schwerere umwandeln. Dadurch wird Energie freigesetzt, die den Stern strahlen lässt und ihn gegen die eigene Schwerkraft stabilisiert. Wenn ein Stern seinen nuklearen Brennstoff aufgebraucht hat, gewinnt die Gravitation die Oberhand, und der Kern des Sterns kollabiert in weniger als einer Sekunde. Dies löst eine gewaltige Explosion aus. Ein Teil des Stern wird dabei mit sehr hoher Geschwindigkeit auseinandergesprengt, während der Rest einen kompakten Überrest bildet. Normalerweise ist das ein Neutronenstern, für hinreichend massereiche Sterne aber vermutlich ein Schwarzes Loch.

Kernreaktionen und die Energie des Explosionswelle, die das Sterngas stark erhitzt, lassen den zerberstenden Stern hell aufleuchten. Für viele Tage kann eine solche Supernova so hell strahlen wie eine ganze Galaxie.

Eine besondere Art extrem energiereicher Supernovae erzeugt sogenannte Gammastrahlenblitze. Dies sind kurze Ausbrüche von hochenergetischer Gamma- und Röntgenstrahlung, typischerweise mit einer Dauer von 10 bis 100 Sekunden, die in fernen Galaxien beobachtet werden. Astronomen haben gefunden, dass solche langen Gammablitze bei Supernova-Explosionen von Sternen mit mehr als etwa vierzigfacher Sonnenmasse auftreten. Diese Sterne verlieren während ihrer Entwicklung ihre äußeren Hüllen aus Wasserstoff und Helium, während ihr Inneres so dicht wird, dass es zu einem Schwarzen Loch kollabiert. Die Bildung eines Schwarzen Lochs im Zentrum des Sterns galt bisher als Voraussetzung für die Erzeugung eines Gammablitzes.

Röntgenstrahlenblitze sind eine schwächere Abart von Gammablitzen. Sie sind weniger hell als Gammablitze und ihre Strahlung ist nicht so energiereich, zeigen aber sonst ähnliche Eigenschaften wie Gammablitze. "Es wurde bereits vermutet, dass Röntgenblitze auch von kollabierenden Sternen stammen. Sie sind aber deutlich lichtschwächer und daher schwer zu lokalisieren. Das ist der Grund, warum sie weniger gut untersucht sind als Gammabitze", sagt Elena Pian vom Italienischen Nationalen Institut für Astrophysik.

Am 18. Februar 2006 jedoch hatte das internationale Astronomenteam, an dem Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Garching, des Italienischen Nationalen Instituts für Astrophysik und der Universitäten von Tokyo und Kalifornien in Berkeley beteiligt sind, unerwartetes Glück. Der Gammablitz-Satellit der NASA entdeckte einen Röntgenblitz, XRF 060218, in einem Abstand von nur 430 Millionen Lichtjahren. Dies ist so nahe, dass die Wissenschaftler mit den Achtmeterspiegeln des Very Large Teleskope der Europäischen Südsternwarte in Chile nach einer Supernova Ausschau halten konnten, die vielleicht am Ort des schwachen Gammablitzes aufleuchtete. Und in der Tat war die Suche erfolgreich! Die Spektren, die die Astronomen einige Tage nach dem Blitz aufzeichnen konnten, stammten eindeutig von einer Supernova. Diese erhielt die Bezeichnung SN 2006aj und wurde fast so hell wie Supernovae, welche Gammablitze erzeugen. Auch ihre Spektren waren sehr ähnlich.

Die Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik entwickelten theoretische Modelle für die Entwicklung von Lichtabstrahlung und Spektren, um die Eigenschaften der Supernova 2006aj genau zu verstehen. "Wir fanden, dass sowohl die Explosionsenergie als auch die Menge an ausgeschleuderter Materie bei dieser Supernova zwischen den Werten lagen, die wir von Supernovae kennen, welche Gammablitze produzieren und denen, die keine solchen Blitze erzeugen", sagt Paolo Mazzali vom MPI für Astrophysik. Dies ist in Einklang mit der relativen Schwäche des Röntgenblitzes im Vergleich zu einem Gammablitz. "Wir schließen daraus, dass dies die Supernova-Explosion eines Sterns war, der bei seiner Entstehung nur rund die zwanzigfache Masse der Sonne hatte. Ein solcher Stern sollte beim Kollaps im Zentrum einen Neutronenstern bilden und kein Schwarzes Loch", erklärt Mazzali. "Da weniger massereiche Sterne sehr viel zahlreicher sind als schwerere Sterne, könnten Ereignisse dieser Art tatsächlich recht häufig sein, aber durch ihre relative Lichtschwäche sind sie sehr schwer zu beobachten", fügt Elena Pian hinzu.

Diese neue Entdeckung bedeutet, dass Gammablitze in Verbindung mit Supernova-Explosionen von einer wesentlich größeren Klasse von Sternen erzeugt werden als bisher gedacht. Es ist möglich, dass unterschiedliche physikalische Mechanismen dafür verantwortlich sind. "Während die massereicheren Sterne vermutlich zu einem rotierenden Schwarzen Loch zusammenstürzen, könnte beim Kollaps weniger massereicher Sterne eine Phase magnetischer Aktivität des entstehenden Neutronensterns für den Röntgenblitz verantwortlich sein", vermutet Mazzali. Die Wahrheit werden aber erst mehr gute Beobachtungen an den Tag bringen. Im Moment ist es ein ungelöstes Rätsel, warum manche Sterne explodieren und dabei einen Röntgenblitz aussenden, während andere lediglich als Supernova ihr Leben beenden.



Originalveröffentlichung:

Paolo Mazzali, Jinsong Deng, Ken'ichi Nomoto, Daniel N. Sauer, Elena Pian, Nozomu Tominaga, Masomi Tanaka, Keiichi Maeda, & Alexei V. Filippenko: A neutron-star-driven X-ray flash associated with supernova SN 2006aj, Nature, Vol. 442, Band 7106 (31. August 2006)



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Dr. Paolo Mazzali
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