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Abb. 1:
Der Krebsnebel mit dem Krebs-Pulsar, gasförmiger und kompakter
Überrest einer Supernova-Explosion vom Jahr 1054 nach
Christus. Sehr schnelle Teilchen, die der Pulsar beschleunigt, bringen
das Gas selbst 950 Jahre nach der Explosion zum Leuchten. Die
äußeren Filamente bestehen hauptsächlich aus dem
Wasserstoff und Helium des zersprengten Sterns.
Quelle: www.spacetelescope.org
Urheber: NASA, ESA and Allison Loll/Jeff Hester (Arizona State University).
Danksagung: Davide De Martin (www.skyfactory.org)
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Abb. 2:
Beginn der Explosion eines Sterns mit acht- bis zehnfacher
Masse der Sonne. Die Bilder sind Momentaufnahmen einer
zweidimensionalen Computersimulation, die das expandierende Gas
0,08, 0,1, 0,15 und 0,25 Sekunden nach Bildung der Explosionswelle
zeigen (im Uhrzeigersinn, links oben beginnend).
Blasen von Neutrinos geheizter Materie steigen auf, getrennt
von engen Strömen schwererer, kalter Materie. Die Blasen dehnen
sich vom zentralen Neutronenstern weg aus und schieben die
Explosion des Sterns an. Die radiale Skala gibt den Abstand vom
Zentrum in Kilometern und vergrößert sich um einen Faktor 20
zwischen dem Bild links oben und dem Bild rechts unten. Die
sichtbaren Anisotropien sind die Saatkeime für die Asymmetrie
des Krebsnebels 950 Jahre nach der Supernova-Explosion.
Zu dieser Simulation gibt es auch einen
Film (MPEG,32MB) .
Urheber: Max-Planck-Institut für Astrophysik
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Abb. 3:
Computersimulation von Kollaps und Explosion des stellaren
Kerns eines Sterns mit acht- bis zehnfacher Masse der Sonne. Die
Linien markieren den zeitlich veränderlichen Abstand ausgewählter
Schalen im Stern vom Zentrum. Die Stoßwelle der Explosion ist
als dicke, schwarze, aufsteigende Linie erkennbar. Es entwickelt
sich eine Zweiteilung zwischen dem sich im Sternzentrum bildenden
Neutronenstern (unten) einerseits und dem durch Neutrinoheizen
nach außen getriebenen Sterngas andererseits. Farbige
Linien kennzeichnen die Grenzen zwischen Schichten unterschiedlicher
chemischer Komposition im sterbenden Stern und zeigen an, dass nur
wenig Kohlenstoff und Sauerstoff in der Explosion ausgeschleudert
werden.
Urheber: Max-Planck-Institut für Astrophysik
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Als chinesische und arabische Astronomen im Frühling des
Jahres 1054 nach Christus den Himmel beobachteten, fiel ihnen
ein neuer Stern im Sternbild Stier auf, der so hell wie die Venus
war. Ihren historischen
Überlieferungen zufolge wurde dieser "Gaststern" innerhalb
von Wochen zunehmend heller und konnte im Juli dann für 23
Tage sogar am Taghimmel gesehen werden. Seine Beobachtung mit
bloßen Augen war über zwei Jahre hinweg möglich.
Heute wissen wir, dass diese Beobachtungen mit der Geburt des
Krebsnebels in einer gigantischen Supernova-Explosion
zusammenfallen. Nach Millionen von Jahren ruhiger Entwicklung
hatte ein massereicher Stern seinen nuklearen Brennstoff
aufgebraucht. Damit war die Energiequelle in seinem Zentrum
erloschen, die ihn gegen die gewaltigen Kräfte seiner
eigenen Gravitation stabilisierte. Innerhalb von Bruchteilen
einer Sekunde stürzte daraufhin sein Kern zu einem
Neutronenstern zusammen. Ein solches kompaktes Objekt hat
mehr Masse als die Sonne, dabei aber nur einen Durchmesser von
rund 20 Kilometern. Dieser Neutronenstern ist als Pulsar im
Krebsnebel sichtbar. Er dreht sich 33 mal pro Sekunde um die
eigene Achse und sendet dabei periodische Strahlungspulse aus.
Der größte Teil des Sterns wurde jedoch in einer ungeheuren
Explosion mit einer Energie auseinandergesprengt, die aller
Strahlung gleichkommt, welche die Sonne in fünf Milliarden
Jahren abgegeben hat. Die heißen Sterntrümmer leuchteten
dann als der neue Stern auf, von dem die chinesischen und
arabischen Astronomen berichteten. Heute sieht man an dieser
Himmelstelle die filigrane Gas- und Staubwolke des Krebsnebels,
die mittlerweile eine Ausdehnung von rund sechs Lichtjahren
hat und sich immer noch mit 1500 Kilometern in der Sekunde
ausdehnt (Abb.1). Sie enthält neben den chemischen Elementen,
die der Stern in einer Folge nuklearer Brennphasen aufgebaut
hat — zuerst Helium aus Wasserstoff, dann Kohlenstoff aus Helium
und schließlich Neon, Magnesium und Sauerstoff aus Kohlenstoff
— auch radioaktive Atomkerne, z.B. Nickel, die während der
Explosion selbst entstanden sind.
Der hohe Anteil von Helium und die relativ
geringen Häufigkeiten von Kohlenstoff und Sauerstoff im Krebsnebel
wurden als Hinweise darauf interpretiert, dass der explodierende
Stern nur die acht- bis zehnfache Masse der Sonne hatte, also
gerade genug, um sein Leben in einer Supernova-Explosion zu
beenden.
Aber warum explodierte der Stern? Was war der Grund für dieses
spektakuläre Ereignis? Eine Forschergruppe am Max-Planck-Institut
für Astrophysik in Garching ist überzeugt, nun die Antwort
auf dieses lang ungeklärte Rätsel gefunden zu haben. Ihre
ausgeklügelten Computermodelle belegen, dass Neutrinos die
treibende Kraft hinter der Explosion sind. Diese Elementarteilchen
entstehen in riesiger Zahl im sehr heißen und extrem dichten
Innern des neu entstandenen Neutronensterns, vor allem durch
Reaktionen von Elektronen und Positronen mit Protonen und Neutronen,
den Bausteinen von Atomkernen. Nachdem die Neutrinos ihren Weg zur
Oberfläche des Neutronensterns gefunden haben, verlassen die
meisten davon den Stern und tragen auf diese Art 99 Prozent der
Energie fort, die während der Neutronensternbildung freigesetzt
wird. Weniger als ein Prozent der Neutrinos wird aber in dem stellaren
Gas, das den Neutronenstern umgibt, absorbiert, bevor sie entweichen
können. Die dadurch übertragene Energie heizt das Sterngas
und bringt es zum Brodeln wie Suppe in einem Dampfkochtopf
(Abb.2). Der sich aufbauende Druck beschleunigt schließlich die
äußeren Sternschichten und zersprengt den Stern in einer
Supernova-Explosion (siehe Aktuelle
Forschung, Februar 2001).
Obwohl diese Theorie für den Beginn der Explosion schon 25 Jahre
alt ist, stellte sich heraus, dass ihre Gültigkeit nur sehr
schwer mit Computermodellen zu belegen ist (siehe Aktuelle
Forschung, Juni 2003). Nun konnten die Modelle der Garchinger
Forscher die theoretischen Ideen zumindest für Sterne im unteren
Massenbereich von Supernova-Vorläufersternen stützen. "Mit
unserer detaillierten und genauen Beschreibung, wie Neutrinos in der
Materie im Supernova-Zentrum entstehen und wechselwirken, konnten wir
bestätigen, dass das Neutrinoheizen Sternexplosionen
auslösen kann wie diejenige, die zur Entstehung des Krebsnebels
geführt hat", sagt Francisco Kitaura, der die
Computersimulationen durchgeführt hat. Die neuen Berechnungen
stimmen sehr gut mit Beobachtungen überein, nach denen die
Energie dieser Explosion nur rund ein Zehntel der einer typischen
Supernova war. Anders als frühere Simulationen sagen sie auch nur
geringe Mengen Kohlenstoff, Sauerstoff und Nickel im ausgeschleuderten
Sterngas voraus (Abb.3). Außerdem fehlt die starke Anreicherung
der chemischen Zusammensetzung des Supernova-Überrests mit
exotischen, seltenen Elementen, die in den älteren Modellen
vorhanden war und in krassem Widerspruch zu den beobachteten
Elementhäufigkeiten in unserer Milchstraße stand. Wegen der
relativ geringen Masse von ausgeschleudertem Sterngas, der niedrigen
Explosionsenergie und der kleinen Menge von radioaktivem Material
sollten andere Supernovae des Krebs-Typus eine
verhältnismäßig schwache Leuchtkraft haben und damit
nur schwer bei großen Entfernungen zu entdecken sein, obwohl ein
Drittel aller Sternexplosionen von dieser Art sein könnte.
"Unsere Computermodelle legen nahe, dass die Krebs-Supernova nur
deshalb ein so ungeheuer helles Ereignis war, weil sie sich in
nur 6300 Lichtjahren Abstand von der Erde ereignete", erklärt
Wolfgang Hillebrandt, der Leiter der Forschergruppe. "Verglichen
mit anderen Supernovae war es eigentlich ein relativ schwaches
und unspektakuläres Ereignis. Unsere Computermodelle werden uns
sagen, nach was wir Ausschau halten müssen, um weitere solche
Fälle aufzuspüren."
F.S. Kitaura, H.-Th. Janka, R. Buras, A. Marek, W. Hillebrandt
Veröffentlichung:
F.S. Kitaura, H.-Th. Janka, and W. Hillebrandt, Explosions of
O-Ne-Mg cores, the Crab supernova, and subluminous type II-P
supernovae, Astronomy and Astrophysics, 450 (2006) 345-350
Weitere Informationen:
Hans-Thomas Janka, thj mpa-garching.mpg.de
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