|
Abb. 1: Abb.1: Die perfekte Übereinstimmung des von Rossi XTE gemessenen
R"ontgenbildes (Konturlinien) und des von COBE aufgenommenen Bildes der
Milchstraße im nahen Infrarot (Farbe) bedeutet, dass die R"ontgenstrahlung
die Verteilung der Sterne abbildet und dass der galaktische
Röntgenhintergrund von einer sehr großen Zahl von einzelnen,
von einer sehr großen Zahl von einzelnen, schwachen Quellen stammt.
|
|
|
Abb. 2:
Abb.2: Breitband-Verteilung (über rund 13 Größenordnungen
in der Leuchtkraft) der differentiellen Luminosit"at von galaktischen
Röntgenquellen pro Einheit der Sternmasse bei Energien zwischen
2 und 10 keV. Verschiedene hauptsächlich beitragende Quellen sind
markiert: aktive Doppelsterne (ABs), kataklysmische Variable (CVs)
und Röntgendoppelsterne mit einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch
(LMXBs).
|
| |
Nahezu 400 Jahre nachdem Galileo Galilei das schwache Leuchten der
Milchstraße auf die Beträge unzähliger Sterne
zurückführte, haben Wissenschaftler mit Hilfe des Rossi
X-ray Timing Explorer des NASA nun die verteilte Röntgenstrahlung
in der Milchstraße auf dieselbe Weise erklärt.
Der Ursprung dieses sog. galaktischen Röntgenhintergrunds blieb
lange rätselhaft. Die Forscher sind nun überzeugt, dass das
Rötgenleuchten nicht wie lange vermutet diffus ist, sondern von
Hunderten von Millionen einzelnen Quellen stammt, zumeist Weißen
Zwergen, d.h. toten Sternen mit der Größe der Erde aber der
Masse unserer Sonne.
Falls dieses Ergebnis bestätigt wird, hat es wichtige
Konsequenzen für unser Verständnis der Entwicklung der
Milchstraße, ihrer Sternentstehungs- und Supernovarate und ihrer
Sternentwicklung. Es löst damit wichtige theoretische Probleme,
weist aber gleichzeitig auf eine erstaunliche Unterschätzung der
Zahl von stellaren Objekten hin.
Astrophysiker des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA) in
Garching und des Weltraumforschungsinstituts der russischen Akademie
der Wissenschaften in Moskau beschreiben diese Beobachtungen in zwei
Artikeln, die von der Fachzeitschrift "Astronomy & Astrophysics" zur
Publikation angenommen wurden.
"Vom Flugzeug aus kann man das diffuse Leuchten einer nächtlichen
Stadt sehen", sagt Dr. Mikhail Revnivtsev vom MPA, der Erstautor einer
der beiden Publikationen. "Aber zu sagen, eine Stadt erzeugt Licht,
ist nicht genug. Nur beim Näherkommen kann man die einzelnen
Quellen erkennen, von denen die Strahlung stammt, die Lichter der
Häuser, Straßenlampen, Autos. In diesem Sinne haben wir die
einzelnen Objekte identifiziert, die zum Röntgenglühen der
Milchstraße beitragen. Unser Ergebnis wird viele Wissenschaftler
überraschen."
Röntgenstrahlen sind eine Art Licht hocher Energie, unsichtbar
für das Auge und weit hochenergetischer als sichtbares Licht oder
ultraviolette Strahlung. Unsere Augen sehen einzelne Sterne verteilt
auf einem größtensteils dunken Himmel. Im Röntgenlicht
ist der Himmel nirgends dunkel; er zeigt ein überall vorhandenes
und gleichbleibendes Glühen.
Frühere Beobachtungen konnten nicht genügend
Röntgenquellen finden, um das Röntgenleuchten der
Milchstraße zu erklären. Dies zog theoretische Probleme
nach sich. Wenn es Röntgenstrahlung von heißem, diffusem
Gas war, dann würde dieses Gas irgendwann "aufsteigen" und aus
dem Schwerkraftkäfig der Milchstraße
entweichen. Außerdem müßte all dieses heiße Gas
von Millionen von vergangenen Sternexplosionen, sog. Supernovae,
stammen, was bedeuten würde, dass unsere Schätzungen
für die Zahl enstehender und sterbender Sterne völlig falsch
wären.
"Die Strahlung von einzelnen Quellen, die mit Röntgenteleskopen
ausgemacht werden konnten, schien nicht mehr als 30 Prozent des
Röntgenleuchtens zu erklären", sagt Dr. Jean Swank,
Projektwissenschaftler für den Rossi Explorer am NASA Goddard
Space Flight Center in Greenbelt, Maryland. "Viele Forscher glaubten,
dass der Löwenanteil der Strahlung wirklich diffuser Natur ist,
z.B. von heißem Gas zwischen den Sternen stammt. Nun scheint es
als könnte man die gesamte Strahlung durch zwei Arten von Sternen
erklären."
Die neue Studie basiert auf fast zehnjärigen Messungen mit dem
Rossi Explorer,die die genaueste Karte unserer Milchstraße im
Röntgenlicht hervorgebracht haben. Das Team von Wissenschaftlern
kam zu dem Schluss, dass es in unserer Milchstraße
tatsächlich von Sternen mit Röntgenemission nur so wimmelt,
die größtenteils aber nicht sehr hell sind und deren Zahl
daher früher um das Hundertfache unterschätzt worden war.
Überraschenderweise sind die üblichen Verdächtigen
für die Herkunft von Röntgenstrahlung, nämlich Schwarze
Löcher und Neutronensterne, hier nicht beteiligt. Bei
höheren Energien der Röntgenstrahlung wird nahezu die
gesamte Strahlung von sog. "kataklysmischen Variablen" erzeugt.
Kataklysmische Variable sind Doppelsternsysteme, die aus einem recht
gewöhnlichen Stern und einem Weißen Zwerg bestehen, der als
Überrest eines Sterns wie der Sonne zurücl bleibt, wenn der
nukleare Brennstoff im Innern aufgebraucht ist. Für sich allein
leuchtet ein Weißer Zwerg nur schwach. In einem
Doppelsternsystem jedoch kann er Gas von seinem Begleitstern abziehen
und sich dabei in einem Vorgang stark aufheizen, den man "Akkretion"
nennt. Das akkretierte Gas wird so heiß, dass es intensive
Röntgenstrahlung abgibt.
Bei etwas geringeren Röntgenenergien stammt das galaktische
Glühen zu einem Drittel von kataklysmischen Variablen und zwei
Dritteln von aktiven Vorgängen in der heißen Gashülle,
der Korona, von Sternen. In den meisten Fällen findet die
Koronaktivität bei Sternen in Doppelsystemen statt, in denen ein
naher Begleitstern die äußeren Schalen des Sterns stark
"aufrührt. Dies führt zu Ausbrüchen ähnlich den
solaren Flares, bei denen Röntgenstrahlung frei wird. Die
Wissenschaflergruppe schätzt, dass es rund eine Million
kataklysmischen Variable und nahezu eine Milliarde aktive Sterne in
unserer Milchstraße gibt. Beide Zahlen bedeuten, dass
frühere Schätzungen deutlich zu niedrig lagen.
"Wie eine medizinische Röntgenaufnahme enthüllt die Karte
des galaktischen Röntgenhintergrunds Feinheiten der Struktur
unserer Heimatgalaxie", sagt Revnivtsev. "Wir können durch unsere
gesamte Milchstraße hindurch sehen und einzelne
Röntgenquellen zählen. Dies ist von großer Bedeutung
für die Astronomen, die die Entwicklung von Sternen mit Computern
berechnen."
Der Rossi Explorer Satellit wurde im Dezember 1995 gestartet. Das
Projekt wird vom NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland,
geleitet.
Revnivtsev M., Sazonov S., Gilfanov M., Churazov E., Sunyaev R.
Weitere Informationen
Science News Artikel
Sky & Telescope Artikel
Publikationen
M.Revnivtsev, S.Sazonov, M.Gilfanov, E.Churazov, R.Sunyaev:
"Origin of the Galactic ridge X-ray emission",
Astron. & Astrophys., im Druck;
astro-ph/0510050
S. Sazonov, M. Revnivtsev, M. Gilfanov, E. Churazov, R. Sunyaev:
"X-ray luminosity function of faint point sources in the Milky Way",
Astron. & Astrophys., im Druck;
astro-ph/0510049
Kontakt (englischsprachig)
Dr. Mike Revnivtsev, Max-Planck-Institut für Astrophysik,
Tel. 089/30000-2396, E-mail: mikej mpa-garching.mpg.de
|