Geschichtete Elementhäufigkeiten in Typ Ia Supernovae

Typ Ia Supernovae sind für die Astronomie fundamentale Ereignisse. Insbesondere aufgrund ihrer enormen Helligkeit und der kalibrierbaren Leuchtkraft eignen sie sich zur Entfernungsbestimmung auf kosmologischer Skala. Um hierbei verlässliche Aussagen treffen zu können, ist ein detailliertes Verständnis der physikalischen Prozesse notwendig, die in einer Supernova ablaufen. Die Berechnung synthetischer Spektren zur Bestimmung der Elementhäufigkeiten liefern durch die Kopplung theoretischer Explosionsmodelle an die Beobachtungen einen wichtigen Beitrag zu ihrer Entschlüsselung.

Abb. 1: Die Typ Ia Supernova SN 2002bo (Pfeil), entdeckt am 9. März 2002 in der Galaxie NGC 3190 von Paul Cacella und Yoji Hirose.

Abb. 2: Ein Spektrum der SN 2002bo, aufgenommen in der Nähe des optischen Maximums am 23. März 2002. Das gemessene Spektrum (schwarz) reicht bis ins nahe Infrarot. Ein berechnetes Spektrum ist in rot gezeichnet.

Abb. 3: Verteilung der chemischen Elemente in der SN 2002bo. Die Elementhäufigkeiten sind in Abhängigkeit von ihrer Geschwindigkeit aufgetragen. Dabei bedeutet niedrige Geschwindigkeit, dass diese Elemente mehr im Inneren der Supernova entstanden sind. Die hohen Geschwindigkeiten sind den äußeren Schichten zugeordnet.

Neue Computermodelle zur Berechnung der Explosionen von Supernovae Ia führen zur Zeit zu einem Durchbruch auf diesem Gebiet. Friedrich Röpke und Wolfgang Hillebrandt vom MPA simulieren dreidimensional die thermonukleare Explosion und die damit verbundene komplette Zerstörung eines Weißen Zwerges. Bei dieser Explosion wird der Weiße Zwerg, der ursprünglich fast nur aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestand, in schwerere Elemente bis hin zu Eisen und Nickel umgewandelt, und bereits wenige Sekunden nach dem Zünden der Explosion ist die Atomkernfusion abgeschlossen und die Supernovamaterie expandiert homolog, d.h. gleichförmig mit einer Geschwindigkeit, die proportional zum Abstand vom Explosionszentrum ist. Weil die Effizienz der Kernverschmelzung von den Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Dichte abhängt, erlaubt die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der Explosionswolke Rückschlüsse auf die Vorgänge, die zur Explosion geführt haben.

Parallel zu den Simulationen der Explosion werden deshalb im Rahmen eines von der Europäischen Union geförderten "Research Training" Netzwerks (RTN) The Physics of Type Ia Supernovae umfangreiche Beobachtungen relativ naher Supernovae durchgeführt. Mit Hilfe der gewonnenen Daten werden einerseits die physikalischen Eigenschaften der Supernovae aus Beobachtersicht untersucht, und andererseits dienen sie zum Test der theoretischen Modelle. Hier spielen synthetische Spektren eine herausragende Rolle. Insbesondere durch eine neue Methode, bei der die Elementhäufigkeiten individueller Supernovae schichtweise aus der Beobachtung rekonstruiert werden können, lassen sich erstmals Explosionsmodelle auch quantitativ überprüfen.

Bei diesem Verfahren wird eine Serie von beobachteten Spektren, die in Abständen von wenigen Tagen aufgenommen wurden und in ihrer zeitlichen Abdeckung von einigen Tagen nach der Explosion bis etwa ein Jahr danach reichen, mit Hilfe von Computermodellen simuliert. Jeder dieser Epochen wird eine sogenannte "Photosphäre" zugeordnet, oberhalb derer die Hülle weitgehend durchsichtig ("optisch dünn") ist, während die Photonen unterhalb dieser Schicht aufgrund der optischen Dicke gefangen bleiben. Als Folge der stetigen Expansion der Supernovamaterie wandert die Photosphäre immer weiter nach innen, d.h. zu immer niedrigeren Geschwindigkeiten, bis sie einige Zeit nach der maximalen Helligkeit ganz verschwindet und die Supernovahülle komplett durchsichtig wird.

Aus der Simulation des frühesten Spektrums lassen sich die Elementhäufigkeiten oberhalb dieser ersten Photosphäre bestimmen. Diese werden für die folgenden Berechnungen gespeichert. Nur die Häufigkeiten der neu hinzugekommenen Schicht zwischen erster und zweiter Photosphäre werden anhand des zweiten Spektrums ermittelt. Wird dieses Verfahren konsequent auf die gesamte zeitliche Reihe von Spektren angewandt, erhält man eine detaillierte Schichtung der Elementhäufigkeiten in der Supernova, die dann mit den Vorhersagen der Explosionsmodelle verglichen werden können.

Die Supernova SN 2002bo (s. Abb. 1) eignet sich hervorragend für diese Analyse. Eine enge zeitliche Abfolge von Beobachtungen zwischen ca. 13 Tage vor Maximum bis etwa 10 Tage nach Maximum, sowie zwei Spektren der sogenannten Nebelphase machen dies möglich. Exemplarisch für die 13 Modelle, die gerechnet wurden, zeigt Abb. 2 ein Spektrum, aufgenommen in der Nähe des optischen Maximums. Das gemessene Spektrum reicht vom Ultravioletten bis ins nahe Infrarot. Aus den Absorptionslinien und deren Tiefe lassen sich die Elementhäufigkeiten ableiten, die in dem synthetischen (rot gezeichneten) Spektrum bekannt sind.

Die Analyse aller gerechneten Spektren ergibt die Häufigkeiten der in der Supernova vorkommenden Elemente in Abhängigkeit ihrer Expansionsgeschwindigkeit (Abb. 3). Deutlich zu sehen ist die Aufteilung nach schweren Elementen (Eisen, Nickel, Titan und Chrom) im Zentrum der Supernova, den mittelschweren Elementen (Silizium, Kalzium, Magnesium) in den weiter außen liegenden Schichten und unverbrannten Materials (im wesentlichen Sauerstoff) in den äußersten Schalen. Interessanterweise gibt es eine Überlappung der verschiedenen Zonen, die auf eine Durchmischung als Folge der Explosion zurückzuführen ist. Ohne diesen Effekt ließen sich die gemessenen Spektren nicht in dieser Qualität reproduzieren. Inzwischen gibt es zahlreiche Indizien, inbesondere auch aus den Explosionsmodellen, dass diese Durchmischung weniger ein globaler Effekt ist, sondern dass er sich vielmehr als lokales Phänomen erklären lässt. Somit zeigt sich hier deutlich der dreidimensionale Charakter der Supernovaexplosionen. Die Spektren, und damit verbunden auch die Elementhäufigkeiten, sollten also leicht unterschiedlich erscheinen, wenn man eine Supernovae aus verschiedenen Richtungen beobachten könnte.

Um genauere Aussagen über die Richtigkeit der Explosionsmodelle zu bekommen, ist es wichtig, absolute Elementhäufigkeiten und deren Verteilung zu bestimmen. Insbesondere der Gehalt und die Verteilung von radioaktivem 56Ni, das die Explosionsenergie und auch die maximale Helligkeit bestimmt, ist ein bedeutender Aspekt.

Diese Fragen werden sich in naher Zukunft beantworten lassen, wenn wir eine Vielzahl von Supernovae auf gleiche Weise analysiert haben. Auch die Entwicklung von Computerprogrammen, die die Spektren dreidimensional simulieren, wird sehr hilfreich sein. Damit wiederum lassen sich die Unsicherheiten der Entfernungsbestimmung mit Hilfe von Typ Ia Supernovae stark reduzieren, und die kosmologischen Konsequenzen werden ein stabileres Fundament erhalten.


M. Stehle, P.A. Mazzali, W. Hillebrandt


Weitere Informationen:

M. Stehle, P.A. Mazzali, S. Benetti, W. Hillebrandt, Abundance stratification in Type Ia Supernovae: I. The case of SN 2002bo, 2005, MNRAS, 360, 1231