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Abb. 1: Spektrum der
e+e--Annihilationstrahlung, aufgenommen mit
SPI in Richtung des Zentralbereichs unserer Galaxie
für eine Belichtungszeit von 3.5 Millionen Sekunden. Die rote
Linie zeigt die Positron-Annihilations-Linie, während die blaue
Linie das Kontiuumsspektrum infolge des Drei-Photonen-Zerfalls von
Ortho-Positronium darstellt.
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Abb. 2: Stark geglättetes Bild der Verteilung der Elektron
- Positron - Annihilationsstrahlung in der Milchstrasse. Der helle
Bereich in der Mitte ist das Zentrum der Milchstrasse.
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Während die Produktion von Antimaterie im Labor mit erheblichem technischen
Aufwand verbunden ist, werden einige Antiteilchen - insbesondere die
leichteren — regelmäßig in großen Mengen in der Natur produziert.
So führt zum Beispiel der sogenannte ß+-Zerfall radioaktiver Isotope
zur Entstehung von Positronen. Positronen sind Antiteilchen der Elektronen und
unterscheiden sich von letzteren lediglich durch ihre positive elektrische
Ladung. Ein Beispiel für die Erzeugung von Positronen ist der nukleare
Zerfall des Aluminium-Isotops Al26 zu Magnesium Mg26. Große
Mengen von Positronen enstehen in den Reaktoren gewöhnlichen
Kernkraftwerke. Eine natürliche Positronenquelle sind radioaktive
Zerfälle, die durch extreme astrophysikalischen Bedingungen ausgelöst
werden, wie sie zum Beispiel für Supernovae bzw. Nova-Explosionen typisch
sind. Darüberhinaus können Positronen auch in der Umgebung schnell
rotierender Neutronensterne oder Schwarzer Löcher, durch Wechselwirkung
kosmischer Strahlung mit Materie oder in Gammastrahlungsausbrüchen (gamma
ray bursts) erzeugt werden. Der wohl faszierendste Aspekt besteht jedoch in
einer möglichen Verbindung zwischen der Positron-Erzeugung und sogenannten
"Dunkle Materie"-Teilchen. Nach dem gegenwärtigen kosmologischen
Standardmodell tragen letztere wesentlich zur Gesamtmasse des Universums bei
— in etwa sechs mal so viel wie die gewöhnliche sichtbare Materie aus der
wir bestehen. Entsprechend einiger moderner Theorien wäre es möglich,
dass sich "Dunkle Materie"-Teilchen in sehr seltenen Fällen gegenseitig
vernichten. In derartigen Annihilationsprozessen könnten dann neben anderen
Teilchen auch Photonen und Positronen entstehen.
Da also verschiedene mögliche Quellen zur Positronenerzeugung
existieren, bleibt zu klären, welche Prozesse jeweils die wichtigsten
Beiträge leisten. Wissenschaftler des MPA suchen deshalb mittels des
INTEGRAL-Gammastrahlenobservatoriums nach charakteristischen Signaturen
der Positronenproduktion im Zentrum unserer Galaxie. INTEGRAL ist ein
Raumfahrtprojekt der Europäischen Raumfahrtagentur ESA unter Beteilung von
Russland und den USA. Im Mittelpunkt stehen Bildaufnahmen und
Ultrafeinspektrospkopie im Gammastrahlungsbereich des
elektromagnetischen Spektrums. Die Kollision eines Positrons mit einem
Elektron kann zur Annihilation eines solchen
Teilchen-Antiteilchen-Paares führen, wobei gleichzeitig ein
Photonenblitz im Gammastrahlungsbereich entstände, der sich mit
INTEGRAL detektieren ließe. Das im Rahmen der INTEGRAL-Studien
verwendete Spektrometer SPI wurde gemeinsam von CESR (Toulouse) und
MPE (Garching) entwickelt und ist für derartige Aufgaben besonders geeignet. In Zusammenarbeit mit russischen
Forschungsgruppen wurde nun ein großer Teil der Beobachtungszeit dazu
verwendet, den Zentralbereich der Milchstraße zu studieren, da
dieser die stärkste Quelle für Annihilationstrahlung in unserer
Galaxie darstellt. Allein im Verlauf des ersten Jahres hat INTEGRAL
bereits mehr als 200000 Photonen aus Annihilationsprozessen
detektiert. Diese Messungen haben die bisher genaueste Bestimmung des
Annihilationsspektrums ermöglicht. Verschiedene Gruppen
in Europa, Rußland und den USA beschäftigen sich gegenwärtig
mit der weiteren Auswertung der bisherigen Meßdaten.
In den meisten Szenarien entstehen sogenannte "heiße" Positronen, deren
kinetische Energie zumindest mit ihrer Ruhemasse vergleichbar ist. Da jedoch
der Wechselwirkungsquerschnitt für die Annihiliation heißer Positronen
sehr klein ist, erfolgt üblicherweise zuerst eine Abkühlung (Verringerung
der kinetischen Energie) der Positronen durch Stöße mit gewöhnlichen
Materieteilchen. Hat sich die kinetische Energie der Postronen auf einen Wert
unterhalb von 100 eV reduziert, so beginnt die gegenseitige Anziehung zwischen
Positronen und Elektronen zu dominieren, und es kommt zur Bildung sogenannter
Positroniumatome. Ein Positroniumatom entspricht einem Wasserstoffatom, bei
dem das Proton durch ein Positron ersetzt wurde. Da Positroniumatome aus
Teilchen und Antiteilchen besteht, leben sie in der Regel nicht länger als
10-7 Sekunden — danach kommt es zur gegenseitigen Vernichtung von
Elektron und Positron unter Aussendung eines
Gammastrahlungsblitzes. Positronium kann in zwei verschiedenen Formen
auftreten, die als Para- und Orthopositronium bezeichnet werden. Etwa
75% aller Postroniumatome liegen in der Form von Orthopositronium vor. Die
verbleibenden 25% entsprechen Parapositronium, welches bereits nach
10-10 Sekunden zerfällt. Bei der Annihilation von Parapositronium
entstehen zwei Photonen mit einer Energie von jeweils 511 keV (dies entspricht
der Ruhemasse eines Elektrons bzw. Positrons). Letztere lassen sich im
Teleskop in Form einer scharfen Gammastrahlungslinie beobachten. Im Gegensatz
dazu zerfällt Orthopositronium in drei Photonen, und anstelle einer einzelnen
Spektrallinie ergibt sich in diesem Fall ein breites Kontinuumspektrum. Wie in
Abb. 1 gezeigt, sind dies genau die Signale, die INTEGRAL aus
dem Zentralbereich der Milchstraße empfängt. Für die im ersten
Betriebsjahr von INTEGRAL aufgenommenen Daten beträgt die relative
Abweichung des Zentrum der Positron-Annihilationslinie von der Elektron-
bzw. Positronruhemasse weniger als 1/10000. Ferner sind sowohl die
Linienbreite als auch die gemessenen Flußraten von Annihilationslinie
und Kontiuumspektrum mit der Annahme konsistent, dass die Annihilation der
Positronen in einem warmen (T ≈ 8000K), schwach ionisierten Gas
stattfindet, welches ein großes Volumen in der Milchstraßenscheibe
einnimmt.
Die bisherigen Meßergebnisse von INTEGRAL zeigen also, dass in unserer
Galaxie sekündlich eine große Anzahl von Positronen in warmer, teilweise
ionisierter Materie annihiliert. Die Frage nach dem Ursprung dieser Positronen
soll mittels zukünftiger INTEGRAL-Beobachtungen beantwortet werden. Ein
großer Anteil der Positronen annihiliert in den innersten Bereichen der
Milchstraße. Typ-I-Supernovae — die "Standardkandidaten" für
Positronenproduktion — könnten eine primäre Quelle darstellen, allerdings
müßten dann die nachgewiesenen galaktischen Positronen zuvor den sehr
dichten Supernovaüberresten entkommen. Dunkle Materie als mögliche
Produktionsstätte für Positronen bleibt daher eine attraktive Alternative.
Ein entscheidender Test besteht darin, die exakte Morphologie der
Annihilationslinienintensitäten mit der Verteilung potentieller
Positronenquellen zu vergleichen, wobei sowohl kompakte Quellen, als auch
Überreste von Supernovae sowie Dunkle Materie einzubeziehen sind. Mit
INTEGRAL wird gegenwärtig eine genaue Kartierung der Annihilationsstrahlung
erstellt, um dieses Problem möglichst endgültig zu lösen.
E. Churazov, R. Sunyaev, S. Sazonov, M. Revnivtsev
Weitere Informationen:
E. Churazov, R. Sunyaev, S. Sazonov, M. Revnivtsev, D. Varshalovich,
Positron annihilation spectrum from the Galactic Centre region
observed by SPI/INTEGRAL, 2005, MNRAS, 357, 1377
INTEGRAL WEB page:
http://www.rssd.esa.int/Integral
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