Hysterese bei Übergängen zwischen spektralen Zuständen akkretierender Schwarzer Löcher

Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik beschreiben einen neuen Schritt im Verständnis der Akkretion von Materie auf Objekte sehr hoher Massenkonzentration, sog. "Schwarze Löcher". Bei ihnen wird die Schwerkraft so gross, dass alle Materie und Strahlung hineinfallen, wenn sie nahe genug kommen.

Abb. 1: Schematische Darstellung der Akkretionströmung im harten und im weichen Spektralzustand.

Abb. 2: Schematische Lichtkurve eines Röntgennova-Ausbruchs

Abb. 3: Verdampfung von Gas aus der Akkretionsscheibe bei harter und weicher Zustrahlung aus dem innersten Bereich, in Abhängigkeit vom Abstand vom Schwarzen Loch (gemessen in Einheiten von Eddington Akktretionsrate und Schwarzschild Radius)

Die Forscher interessiert sehr, wie die Materie auf ein solches Schwarzes Loch zuströmt (Schwarze Löcher mit der Masse von Sternen oder supermassereiche Löcher in der Zentren von Galaxien). Aufgrund seines Drehimpulses spiralt das einfallende Gas nach innen. Nahe dem kompakten Objekt geschieht dies entweder in Form einer dünnen "Akkretionsscheibe" oder als eine sehr heisse Strömung. Weiter draussen ist immer das erste der Fall (Abb. 1).

Hier geht es insbesondere um gut beobachtete Röntgen-Doppelsterne in denen ein gewöhnlicher Stern Masse auf ein Schwarzes Loch (oder einen Neutronenstern) überträgt und die freiwerdende Energie als Röntgenlicht ausgesandt wird. Das Spektrum dieser Strahlung ist sehr verschieden in beiden Fällen: (1) harte Photonen (bis zu 100keV) von den energiereichen Teilchen der harten Strömung oder weiche Photonen (wenige keV) abgestrahlt von der viel weniger heissen dünnen Akkretionsscheibe. Im Spektrum dominiert dabei immer die Strahlung vom innersten Bereich um das Schwarze Loch.

Eine besondere Eigenschaft der beobachteten Spektren ist der Wechsel zwischen den beiden Typen. Während einer langanhaltenden Ruhephase geringer Akkretion auf das zentrale Objekt ist das Spektrum hart. Das bedeutet, dass die Strömung die Form einer dünnen Scheibe dann schon weit draussen bei einem bestimmten Abstand vom Schwarzen Loch in die heisse "koronale" Form übergeht (das Wort "koronal" stammt von der Sonnenkorona, deren heisses Gas während einer Sonnenfinsternis als Strahlenkranz um die Sonne sichtbar ist). Aus der Wechselwirkung zwischen Akkretionsscheibe und darüberliegender Korona im übergang der Strömungsformen lässt sich ableiten, wieviel Gas aus der dünnen kühlen Scheibe in die heisse koronale Strömung verdampft und ab welchem Abstand vom Schwarzen Loch alle Materie in Form der heissen strömung nach innen fliesst.

Dieser Abstand hängt von der Stärke der Akkretionsströmung in der Scheibe ab. Je geringer sie ist umso weiter draussen hört die Scheibe auf und die heisse koronale Strömung beginnt. Die koronale Verdampfung erreicht ein Maximum bei einem bestimmten Abstand vom Schwarzen Loch. Wenn der Massenfluss in der Scheibe grösser als dieses Maximum ist, kann die Scheibe nicht mehr vollständig verdampfen und setzt sich statt dessen bis nach inner fort. Nun kommt die Strahlung von der kühlen Oberfläche der inneren Scheibe und das Spektrum wird weich. Daher ändert sich das Spektrum bei einem Anstieg und Wiederabfall des Massenflusses, wie es bei einem Röntgennova-Ausbruch geschieht.Es ändert sich der Modus der Akkretion und damit zugleich das Spektrum von hart zu weich und wieder zurück nach hart (Abb. 2).

Verfolgt man nun während eines Ausbruchs die Lichtkurve dann stellt sich heraus, dass der Wechsel von hart nach weich und wieder zurück von weich nach hart nicht, wie man erwartet hätte, bei der gleichen Leuchtkraft bzw. Massenakkretionsrate erfolgen. Statt dessen erfolgt der übergang zurück in der harten Zustand erst bei einer etwa drei- bis fünfmal kleineren Leuchtkraft. Woher kommt dieses seltsame "Hysterese" Verhalten?

Jetzt ist die Lösung gefunden: Die Verdampfungsrate wird von der Zustrahlung aus dem inneren Bereich beeinflusst und zwar verschieden je nachdem ob die Zustrahlung hart oder weich ist. Sie ist hart beim übergang von koronaler Akkretionsströmung zu Scheibenakkretion und weich bei der entgegengesetzten änderung des Akkretionsmodus. Das ist in Abbildung 3 dargestellt.


F. Meyer, E. Meyer-Hofmeister, B.F. Liu

Weitere Informationen:

E. Meyer-Hofmeister, F. Meyer, B.F. Liu, Astronomy & Astrophysics, March 2005, volume 432, Issue 1, pp.181-187 (linkPfeilExtern.gifastro-ph/0411145)