Entdeckungsreise mit dem Computer:
Dem Rätsel der Supernovae auf der Spur


Hans-Thomas Janka, Konstantinos Kifonidis und Ewald Müller
Max-Planck-Institut für Astrophysik
Karl-Schwarzschild-Str. 1, 85741 Garching


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Computermodelle sind aus der modernen Astrophysik nicht mehr wegzudenken. Die extremen Bedingungen in astrophysikalischen Objekten sind für die irdische Laborphysik nur in sehr seltenen Fällen zugänglich. Das direkte Experiment an kosmischen Objekten ist nicht möglich. Daher müssen modernste Superrechner helfen, die komplizierten Vorgänge durch Anwendung bekannter physikalischer Gesetze nachzuvollziehen und der menschlichen Anschauung zugänglich zu machen. Manchmal kommt es dabei sogar zu unerwarteten Entdeckungen.

Am Max-Planck-Institut für Astrophysik wird versucht, die Geheimnisse explodierender Sterne mit aufwendigen Computersimulationen zu lüften. Trotz einer Flut von Beobachtungsdaten durch das Jahrhundertereignis der Supernova 1987A sind die genauen Prozesse, die beim Gravitationskollaps und der Explosion massereicher Sterne ablaufen, nach wie vor nicht zufriedenstellend geklärt.


1. Vergebliche Versuche

Als Jim Wilson an einem Montagmorgen des Jahres 1982 nach dem Wochenende wieder zurück an seinen Computer kam, erwartete ihn dort eine große Überraschung. Jim war Forscher am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien, nicht weit von San Francisco entfernt. Er war einer jener Pioniere der Computerphysik, die es verstanden, mit cleveren Tricks und pfiffigen Näherungen selbst komplizierteste Prozesse auch auf den damaligen Rechnern zu simulieren. Im Nationalen Laboratorium konnte er stets über die besten und schnellsten Computer verfügen, denn die Aufgabe des Labors bestand auch darin, die Entwicklung von Atombomben zu betreiben. Seit über zehn Jahren jedoch hatte Wilson sein Wissen und sein Geschick auf eine astrophysikalische Frage konzentriert: Wie explodieren massereiche Sterne? Woher kommt die Energie für den gewaltigen Lichtausbruch, der den Stern für Wochen so hell wie eine ganze Galaxie erstrahlen läßt? An jenem Montagmorgen schien er der Lösung dieses Rätsels durch Zufall einen großen Schritt nähergekommen.

Bereits wenige Jahre nach der Entdeckung des Neutrons sagten Fritz Zwicky und Walter Baade 1934 die Existenz von Neutronensternen voraus und äußerten die geniale Idee, daß die gewaltige Energie, die beim Gravitationskollaps eines stellaren Kerns zu einem Neutronenstern frei wird, den Stern in einer Explosion zerreißen könnte. In den 50er und Anfang der 60er Jahren präzisierten Geoffrey und Margaret Burbridge, Willy Fowler und Fred Hoyle die kernphysikalischen Prozesse, durch die der Eisenkern eines massereichen Sterns instabil wird und in sich zusammenstürzt, weil die Druckkräfte seiner eigenen Gravitation nicht mehr Paroli bieten können. Der Kollaps wird erst wieder gestoppt, wenn die Dichte von Atomkernmaterie erreicht ist und die Materie schlagartig inkompressibel wird. Dieser Moment markiert den Beginn der Geburt eines Neutronensterns.

Mitte der 60er Jahre dann übertrugen Stirling Colgate und Richard White numerische Methoden, die während des zweiten Weltkriegs für militärische Zwecke entwickelt worden waren, auf das Studium von Supernovae. Mit einem der allerersten Computermodelle zeigten sie, wie eine gewaltige Druckwelle in der einfallenden Materie, die mit großer Wucht auf den entstehenden Neutronenstern prallt, sich zu einer Stoßfront aufsteilt, ganz ähnlich der Bugstoßwelle eines mit überschallgeschwindigkeit durch die Atmosphäre sausenden Düsenjets. Diese Stoßfront beginnt nach außen zu laufen, schafft es aber nicht, den Stern direkt zu zerreißen. Colgate und White erkannten dies und lenkten ihre Aufmerksamkeit deshalb auf die Neutrinos, geisterhafte, ungeladene Elementarteilchen, die in riesiger Zahl während des stellaren Kollapses erzeugt werden, wenn sich Protonen und Elektronen in die Neutronen des späteren Neutronensterns verwandeln. Die entstehenden Neutrinos tragen die freiwerdende gravitative Bindungsenergie aus dem Stern, da sie von allen bekannten Teilchen am seltensten mit Materie wechselwirken. Von einer Milliarde Neutrinos, die durch die Erde fliegen, kollidiert im Durchschnitt nur ein einziges mit einem Atom.

Colgate und White war aber klar, daß in dem extrem dichten Innern des sterbenden Sterns die Verhältnisse anders sind. Dort können die produzierten Neutrinos nicht ungehindert entweichen, sondern müssen ab und zu mit der Sternmaterie reagieren. Colgate und White nahmen in ihren Modellen an, daß dabei genug Energie an das Sterngas vor dem Supernovastoß übertragen wird, um die Sternexplosion auszulösen. Jim Wilson hingegen wollte sich mit dieser bloßen Annahme nicht begnügen. Im Gegensatz zu Colgate und White versuchte er, die komplizierten Prozesse genau zu berechnen, die den Weg der Neutrinos aus dem Stern behindern. Er hatte dabei sogar den Ehrgeiz, die gerade entdeckten, neuen Neutrinoreaktionen zu berücksichtigen, die Ende der 60er Jahre von S. Weinberg und A. Salam in ihrer revolutionären und mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Theorie der Wechselwirkung von Elementarteilchen vorhergesagt worden waren.

Jim Wilsons Ehrgeiz wurde jedoch nicht belohnt. Je genauer die Computermodelle die bekannte Physik enthielten, desto unwahrscheinlicher wurde die Explosion des Sterns. Statt den Stern zu zersprengen, blieb die Stoßfront nahe dem Sternzentrum stecken und bekam nicht genug Unterstützung durch die Neutrinos. Im extrem dichten Innern des heißen Neutronensterns gefangen, konnten diese nur langsam über einen Zeitraum von vielen Sekunden entweichen. Eine derart gedrosselte Neutrinoabstrahlung reichte nicht aus, um dem Stern genug Energie für eine Explosion zu liefern. Im Gegenteil, bei genauerem Hinsehen erwies sich der Energieverlust des kollabierten stellaren Eisenkerns durch die Neutrinoemission sogar als zusätzliche Schwächung für den Stoß unmittelbar nach seiner Entstehung. Viele Forscher neigten daher dazu, die Idee von Colgate und White zu verwerfen. Jim Wilson, ebenso wie einige andere Astrophysiker, unternahmen über zehn Jahre hinweg ungezählte Fehlversuche, Supernovaexplosionen im Computer nachzuvollziehen. Immer wieder konnte nur die Meldung verbreitet werden, daß die Modelle die in der Natur beobachteten Explosionen nicht liefern.

2. Endlich der Erfolg

Dies war die deprimierende Situation bis zu jenem Montagmorgen im Jahre 1982. Jim Wilson hatte versehentlich eine seiner Simulationen nicht angehalten, bevor er am Freitag das Institut verlassen hatte. Der Computer hatte also das gesamte Wochenende hindurch emsig und stet das Modell Zeitschritt um Zeitschritt weiterentwickelt, weiter als jemals zuvor eine Simulation getrieben worden war. Hoffnungslos und ausgeschlossen war es erschienen, auf eine Explosion in einer solch späten Entwicklungsphase zu warten. Doch Wilsons unbeabsichtigte "Dauerläufer-Rechnung" zeigte genau dieses Unerwartete! Knapp eine Sekunde nach Beginn des stellaren Kollapses, eine ungeheuer lange Zeit für die Simulation, war dem Stoß neues Leben eingehaucht worden, und der Stern war im Begriff zu explodieren! Was war geschehen?

Die Neutrinos, die die Stoßpropagation zunächst dämpften, hatten ihre Rolle nur Bruchteile einer Sekunde später verändert. Der Stoß war zu einem größeren Radius expandiert und die Temperatur im Medium hinter ihm hatte abgenommen. Neutrinos, die in riesiger Zahl den heißen Neutronenstern verlassen, begannen nun, diese Schicht zu heizen. In Wilsons Simulation wurde dabei so viel Energie ins stellare Plasma gepumpt, daß der Stoß schließlich nach außen getrieben wurde und der Stern explodierte. Was Wilson entdeckt hatte, bekam den Namen "`verzögerte"' Explosion, im Gegensatz zur "`prompten"' Explosion, falls der Supernovastoß auf direktem Wege den stellaren Kern verlassen hätte. Letztendlich hatten die Neutrinos die Supernova verursacht, wie Colgate und White es in ihrem visionären Szenario beschrieben hatten. Die Prozesse im einzelnen waren aber viel komplizierter und die Entwicklung zur Explosion verlief anders als ursprünglich vermutet.

Wilsons verzögerter Mechanismus wird heute als Erklärung für die Explosion massereicher Sterne favorisiert. Das Modell ist aber keineswegs unproblematisch und daher nicht allgemein akzeptiert. Es sind sehr genaue Simulationen notwendig, insbesondere was die Wechselwirkung der Neutrinos mit den Teilchen des stellaren Gases angeht. Denn die Neutrinos übertragen nur einen winzigen Bruchteil ihrer gesamten Energie an das stellare Medium. Bereits ein Prozent der in Neutrinos abgestrahlten Bindungsenergie des Neutronensterns reicht aus, um eine starke Explosion zu verursachen. Daher scheinen die Ergebnisse der Simulationen von der Beschreibung der Materie im Neutronenstern und der Neutrinoreaktionen abzuhängen. Die Mikrophysik bei diesen Bedingungen ist leider nur unzureichend verstanden. Obwohl Wilson in den Jahren nach seiner Entdeckung immer wieder erfolgreiche Rechnungen verkünden konnte, ist es bisher anderen Forschergruppen nicht gelungen, seine Ergebnisse in unabhängigen Versuchen nachzuvollziehen. Hierzu muß man wissen, daß Jim Wilson bisweilen sehr eigenwillige und umstrittene Ansätze benutzt, um die komplexen Prozesse im Innern des Neutronensterns zu modellieren.

Es gibt jedoch numerische und analytische Untersuchungen, die die prinzipielle Möglichkeit neutrinogetriebener Explosionen bestätigen. Ein unzweifelhafter Beweis, eine konkrete Beobachtung dazu existiert aber nicht. Unglücklicherweise ist es kaum möglich, direkte Informationen von den infernalischen Vorgängen im Zentrum explodierender Sterne zu erhalten. Dazu sind lediglich zwei Wege bekannt: Der Nachweis von Gravitationswellen und die Messung von Neutrinos.

3. Das Jahrhundertereignis

So unwahrscheinlich eine solche Messung erscheint, für Neutrinos ist sie tatsächlich bereits gelungen. Vor 14 Jahren, genau am 23. Februar 1987, kam es zu diesem ungeheuren Glücksfall. Supernova 1987A war entdeckt worden und brachte Kunde vom Tod eines blauen Riesensterns in der Großen Magellanschen Wolke, so nah, daß das Aufleuchten des sterbenden Sterns selbst mit bloßem Auge zu sehen war. In 170.000 Lichtjahren Entfernung war das Ereignis an der Grenze der Nachweisbarkeit für die damaligen Neutrinoexperimente. Dennoch gelang es, in zwei riesigen Wassertanks, die tief im Innern von Gebirgsmassiven vor störender kosmischer Strahlung versteckt waren, rund 20 von 1058 abgestrahlten Neutrinos einzufangen. Sie sind ein eindeutiger Beweis für die grundsätzliche Richtigkeit unseres Bildes vom Kollaps des stellaren Eisenkerns und der Entstehung eines Neutronensterns. Aber ihre Zahl reicht nicht aus, um zu lernen, was genau in den Abgründen des Sterns die Explosion ausgelöst hat. Dennoch, diese historische Messung von Neutrinos markiert den Anfang der extragalaktischen Neutrinoastronomie.

Als Supernova 1987A die Astrophysiker und Astronomen in ihren Bann riß, hatte ich gerade mit meiner Doktorarbeit begonnen. Wie es der Zufall wollte, hatte ich für meine Diplomarbeit ein neues Werkzeug, ein Computerprogramm, entwickelt, das es ermöglichte, in einer bis dahin nicht erreichten Genauigkeit zu untersuchen, wie Neutrinos ihren Weg aus dem kollabierten stellaren Eisenkern finden. Es ist wohl nicht nötig zu erwähnen, daß die Supernova 1987A zu einem Schlüsselerlebnis für mich geworden ist, das nicht nur den weiteren Verlauf meiner Doktorandenzeit, sondern meine Laufbahn insgesamt entscheidend beeinflußt hat. Vielleicht verdanke ich es diesem Ereignis sogar, daß ich meinen Jugendtraum erfüllen konnte und heute als Wissenschaftler den Wundern und Rätseln des Universums nachspüren darf.

Auch für die Forschung konnte die Supernova 1987A mit weiteren Überraschungen aufwarten. Schon Monate, und nicht wie vermutet erst Jahre, nach dem ersten Aufleuchten wurde Röntgen- und Gammastrahlung aus radioaktiven Zerfällen gemessen. Wie konnte das sein, wo doch radioaktives Nickel nur im tiefsten Innern, in unmittelbarer Umgebung des entstehenden Neutronensterns, erzeugt wird? Die Eigenschaften, Menge und räumliche Verteilung, des erzeugten Nickels geben indirekt Auskunft über den Verlauf der Explosion in der allerersten Sekunde. Die Strahlung aus dem radioaktiven Zerfall zu Kobalt und weiter zu Eisen sollte erst sichtbar werden, wenn die auseinander rasende Gaswolke des zerstörten Sterns sich so weit verdünnt hatte, daß sie den Blick zum Zentrum freigab. Die frühe Beobachtung von radioaktiver Strahlung ließ sich nur erklären, wenn Nickel bei der Explosion nach außen bis in die Wasserstoffhülle des Sterns verfrachtet worden war! Spektrale Beobachtungen zeigten in der Tat, daß Nickel und Eisen in Klumpen mit mehreren Tausend Kilometern pro Sekunde durch den expandierenden Stern flogen. Solche Geschwindigkeiten waren mit kugelsymmetrischen Simulationen nur für die Wasserstoffhülle vorhergesagt worden, aber Nickel sollte sich im Innern des explodierenden Sterns viel langsamer bewegen.

Dies alles konnte nur bedeuten, daß die wohlgeordnete "Zwiebelschalenstruktur", die der Stern kurz vor seinem Kollaps besessen hatte   (Abbildung 1), zerstört worden war! Großskaliges Mischen mußte während der Explosion stattgefunden haben, wobei Materie aus Schichten nahe dem Zentrum bis in die Hülle des Sterns gebracht wurde. Es bedeutete aber auch, daß kugelsymmetrische Modelle nicht das richtige Bild vermitteln. Damit war klar: Um Supernova 1987A zu verstehen, sind mehrdimensionale Modelle notwendig!

4. Drehbuch einer Supernova

Was im Einzelnen passiert, kann uns wieder nur der Computer zeigen. Er ist gleichsam das "Teleskop", durch das wir den Ablauf der Explosion in allen Schritten betrachten können. Am Max-Planck-Institut hatten wir uns zum Ziel gesetzt, die weltweit erste, zweidimensionale Simulation durchzuführen, bei der eine Supernovaexplosion vom Augenblick der Stoßentstehung bis zum Moment des Ausbruchs des Stoßes aus der Sternoberfläche verfolgt wird. Zweidimensional, das heißt unter Annahme von Rotationssymmetrie um eine gewählte Achse. Damit ist man der realen, dreidimensionalen Welt zwar nur teilweise, trotzdem aber ein gutes Stück näher gekommen, denn Mischphänomene werden bei der Simulation berücksichtigt.

Eine solche Rechnung setzt nicht nur voraus, daß man die Physik des Problems versteht und durch geeignete Methoden beschreibt, man benötigt zudem hocheffiziente und hochgenaue numerische Verfahren, um die dynamischen Vorgänge im Stern zu verfolgen.   Einerseits müssen räumliche Strukturen von wenigen 100 Metern bis hin zum Sternradius von 30 Millionen Kilometern aufgelöst werden (Abbildung 2). Andererseits laufen die schnellsten Prozesse in Bruchteilen von Millisekunden ab, während der Stoß dagegen Stunden benötigt, bis er die Sternoberfläche erreicht. Um ein derartiges Problem anzugehen, braucht man spezielle Verfahren, die Rechenzeit und Genauigkeit nicht dort verschwenden, wo im Stern nichts Entscheidendes passiert. Bei einer Simulation mit einer effektiven Auflösung von 3000x1000 Gitterzonen kann der Aufwand damit um bis zu einem Faktor 100 reduziert werden. Dennoch muß man an die Grenze der Leistungsfähigkeit modernster Supercomputer zu gehen. Eine Rechnung mit mehreren 100.000 Zeitschritten benötigt rund 1017 Operationen, was einen Supercomputer für einen gesamten Monat beschäftigt.

Die Ergebnisse zeichnen ein faszinierendes Drehbuch vom Ablauf einer Supernova. Ganz im Zentrum, in einem Gebiet von nur etwa 100 Kilometern Radius, heizen Neutrinos aus dem Neutronenstern das stellare Gas.  Wenige hundertstel Sekunden nach der Entstehung des Supernovastoßes setzen dadurch wie in einem Kochtopf auf einer Herdplatte konvektive Strömungen ein, welche Energie aus dem Heizgebiet nach außen tragen, direkt hinter die Stoßfront (Abbildung 3). Heiß  es Sterngas steigt in pilzartigen Strukturen auf, während kälteres Gas nach innen, näher zur Heizregion sinkt (Abbildung 4). Dadurch verstärkt sich der Energieübertrag durch die Neutrinos, die Stoßausbreitung wird beschleunigt, die Supernovaexplosion wird stärker. Nur Bruchteile einer Sekunde später hat sich der Stoß bereits auf über 10.000 Kilometer vom Neutronenstern entfernt. Hinter ihm expandiert eine Schicht, in der die hohen Temperaturen zur Erzeugung von Nickel geführt haben (Abbildung 8). Diese Schicht ist keine Kugelschale, sondern zeigt klumpige Verdichtungen und starke Anisotropien.

  Nur drei Sekunden später hat der Stoß die Silizium- und Sauerstoffschichten des Sterns hinter sich gelassen und rast durch die Heliumschale (Abbildung 5). Die anfänglichen Inhomogenitäten wurden zu einer dichten Schale zusammengedrückt, aus der nach einer Minute neue, pilzförmige Störungen wachsen. Solche Mischvorgänge setzen ein, wenn eine schwere, dichte Flüssigkeit über einer leichteren geschichtet ist, und die instabile Situation in einen energetisch günstigeren Zustand übergehen will. An den Grenzen zwischen den Schalen unterschiedlicher chemischer Komposition im Stern geschieht das, nachdem der Stoß diese Gebiete passiert hat. Schon nach fünf Minuten haben sich langgezogene, verästelte "`Finger"'    entwickelt, die Millionen Kilometer tief in die Heliumschale eindringen (Abbildung 6) und (Abbildung 7). Nach knapp drei Stunden bricht der Stoß aus dem Stern aus und die Mischvorgänge haben die gesamte Heliumschale bis zur unteren Grenze der Wasserstoffhülle erfaßt.

In den dichten Strukturen werden schwere Elemente aus dem Zentrum des explodierenden Sterns bis in die expandierende Heliumschale verfrachtet.  Helium und Wasserstoff werden andererseits tief ins Innere gemischt. Nickel findet sich schließlich hoch konzentriert in schnell fliegenden Klumpen und Knoten entlang der ausgedehnten Filamente aus verdichtetem Gas, die auch mit Sauerstoff, Kohlenstoff und Silizium angereichert sind (Abbildung 8) und (Abbildung 9). Die schnellsten dieser Nickelklumpen bewegen sich mit Geschwindigkeiten von mehreren tausend Kilometern pro Sekunde.

  Diese Ergebnisse sind in guter übereinstimmung mit Beobachtungen bei einer Reihe von Supernovae. Anisotropien und Inhomogenitäten auf großen Skalen scheinen in der Tat ein generelles Phänomen bei solchen Sternexplosionen zu sein. Auch Röntgenaufnahmen der diffusen, gasförmigen überreste von Supernovae, die vor Hunderten oder Tausenden von Jahren explodierten, liefern Hinweise dafür. Auf beeindruckenden Bildern des Vela Überrests durch den Röntgensatelliten ROSAT erkennt man dichte Sterntrümmer, die den ins zirkumstellare Medium jagenden Supernovastoß bereits überholt haben. Durch ihre überschallschnelle Bewegung formen sich Machkegel aus (Abbildung 10). Ihre Bewegungsrichtungen deuten auf einen gemeinsamen Ursprung nahe dem Zentrum der Explosion.  Wunderbare Aufnahmen des Cassiopeia A überrests durch das Chandra Röntgenobservatorium der NASA, das gleichzeitig spektrale Informationen in drei verschiedenen Wellenlängenbereichen liefert, offenbaren räumlich getrennte Gebiete mit dominantem Anteil von Eisen, Kalzium, Silizium oder Schwefel (Abbildung 11). Die eisenreichen Strukturen scheinen am äußeren Rand des überrests zu liegen. Das könnte bedeuten, daß Material, das bei der Explosion am weitesten innen entstand, später mit den höchsten Geschwindigkeiten expandierte.

Solche Beobachtungen stehen im krassen Widerspruch zu kugelsymmetrischen Modellen, die das genaue Gegenteil erwarten lassen. Mehrdimensionale Modelle zeigen, daß konvektive Prozesse und Umwälzbewegungen schon in der ersten Sekunde der Explosion einer Supernova auftreten. Will man verstehen, warum Supernovae explodieren, wie radioaktive Elemente im Höllenfeuer der Explosion erzeugt und wie sie in den zirkumstellaren Raum geschleudert werden, sind mehrdimensionale Simulationen notwendig. Supernova~1987A und andere Supernovae führen uns vor, daß die reale Welt dreidimensional ist. Sterne bersten nicht als Kugeln, sondern werden wie Splitterbomben zerfetzt.