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  Blick ins Herz einer Sternexplosion

Blick ins Herz einer Sternexplosion

Der erste Nachweis von Cobalt-Gammalinien bei einer Typ Ia Supernova (SN2014J) mit INTEGRAL

Die außergewöhnliche Helligkeit und regelmäßigen Lichtkurven im Optischen machen Supernova-Explosionen vom Typ Ia (SNIa) zu wertvollen "Standardkerzen" in der modernen Kosmologie. Allerdings konnten SNIa noch nie direkt bei Gammastrahlung nachgewiesen werden; die Analyse beschränkte sich bisher auf wiederaufbereitete Emissionen und die äußeren Schichten des Materials, das bei der Sternexplosion ausgeworfen wird. Dieses Jahr explodierte nun eine neue Supernova in der nahen Spiralgalaxie M82. SN2014J, wie die Supernova genannt wurde, war nahe genug, so dass Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) zum ersten Mal der Nachweis von Gammalinien gelang - diese Daten lieferten außerdem den eindeutigen Beweis für das theoretische Konzept der SNIa.

Abb. 1: Die Zerfallskette 56Ni -> 56Co -> 56Fe setzt große Energiemengen in Form von Gammastrahlen-Photonen und Positronen frei (oben). Vorhersage für das Spektrum der abgegebenen Gammastrahlung. Anfangs wird die meiste Energie aus der Nickel-Zerfallskette im expandierenden Material, das bei der Supernova ausgestoßen wurde, wiederaufbereitet, was zu einer starken optischen Emission führt. Im Laufe der Zeit wird das ausgestoßene Material durchsichtig genug, so dass ein Großteil der Gammastrahlen direkt entweichen kann und charakteristische spektrale Merkmale aufweist (hier 75 Tage nach der Explosion gezeigt) (unten).

Abb. 2: Spektrum der Typ II-Supernova SN1987A in der Großen Magellanschen Wolke, das vor 27 Jahren mit Röntgendetektoren auf der Weltraumstation MIR aufgenommen wurde. (Sunyaev et al., 1987). Eine detaillierte Analyse des beobachteten Spektrums zeigte, dass es sich ursprünglich um Gammalinien des radioaktiven Zerfalls von Kobalt handelte, die in dem optisch dichten Mantel mehrfach gestreut wurden, und schließlich in dem Bereich von 20-200 keV nachgewiesen werden konnten.

Abb. 3: Das von INTEGRAL beobachtete Spektrum der Typ Ia-Supernova SN2014J, 50 bis 100 Tage nach der Explosion (Churazov et al., 2014). Rote und blaue Punkte zeigen Daten der beiden Instrumente SPI und ISGRI/IBIS. Die schwarze Kurve zeigt ein Vergleichsmodell für ein Supernova-Spektrum am Tag 75 nach der Explosion. Die obere Reihe zeigt Aufnahmen in den drei hochenergetischen spektralen Bändern von INTEGRAL. In allen Bildern kann man deutlich eine Gammastrahlen-Quelle bei der (optischen) Position von SN2014J erkennen.

Abb. 4: Gammalinien des Zerfalls von 56Co in dem expandierenden Material, verbreitert durch den Dopplereffekt.

Eine Typ-Ia-Supernova (SNIa) ist wahrscheinlich die thermonukleare Explosion eines weißen Zwergsterns - des Überrests eines normalen Sterns wie unserer Sonne, nachdem der Stern seinen Wasserstoffvorrat aufgebraucht hat. Ein derartiger Weißer Zwerg besteht hauptsächlich aus Kohlenstoff und Sauerstoff - der Asche des Wasserstoff- und Heliumbrennens - und im Verlauf der Supernova-Explosion werden riesige Mengen eines radioaktiven Isotops von Nickel (56Ni) erzeugt. Die anschließende Zerfallskette von Nickel zu Kobalt und schließlich zu Eisen (siehe Fig. 1) liefert große Mengen an Energie in Form von hochenergetischen Gammastrahlen. Diese werden im expandierenden Material, das durch die Explosion ausgestoßen wurde, wieder aufbereitet. So sendet eine Supernova starke optische Emissionen aus, die als Entfernungsanzeiger in kosmologischen Studien ein unschätzbar wertvolles Werkzeug darstellen.

Trotz einer langen Reihe von Beobachtungen und Simulationen bleiben die detaillierte Physik einer SNIa-Explosion und der evolutionäre Weg, den das kompakte Objekt auf seinem Web zur Explosion folgt, umstritten. Die Mehrzahl der Modelle sagt voraus, dass das ausgeworfene Material in den ersten 10-20 Tagen nach der Explosion für Gammalinien undurchsichtig ist. Später kann dann aber ein Großteil der Gammastrahlen entkommen, da das ausgestoßene Material zunehmend transparent wird.

Bisher konnte allerdings noch nie Gammastrahlung von einer SNIa direkt beobachtet werden - vor allem weil die Objekte zu weit weg waren. Der Nachweis von harter Röntgenstrahlung und Gammastrahlung von der Supernova SN 1987A in der Großen Magellanschen Wolke glückte zwar vor 27 Jahren; dies war aber eine Kernkollaps-Supernova (ein Typ II), die nächstgelegene Supernova in der jüngeren Geschichte. Obwohl Typ-Ia-Supernovae intrinsisch heller sind, treten sie nur selten auf und der Nachweis von Gammastrahlen blieb bis jetzt erfolglos.

"Im August 1987 hatten wir sehr viel Glück," erinnert sich MPA Direktor Rashid Sunyaev, "als wir - zusammen mit der Gruppe von Prof. Joachim Trümper am Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik - sehr ungewöhnliche, harte Röntgenstrahlung (Abb. 2) von der Typ II Supernova SN1987A nachweisen konnten. Für diese Beobachtung konnten wir die Röntgeninstrumente an Bord der MIR-Weltraumstation nutzen. Und dieses Jahr hatten wir wieder Glück: drei Millionen Sekunden Beobachtungszeit mit dem INTEGRAL-Weltraumobservatorium erlaubten es uns eine Typ Ia-Supernova nachzuweisen, mit einer enorm großen Leuchtkraft in zwei Gammalinien."

Am 15. Januar 2014, explodierte in der Spiralgalaxie M82 eine SNIa, die nur wenige Tage später von S.J. Fossey und einem Team von Studenten des University College London entdeckt wurde. In einer Entfernung von etwas mehr als 10 Millionen Lichtjahren, ist dies die nahegelegenste SNIa seit mindestens vier Jahrzehnten. Die relative Nähe dieser Supernova, genannt SN2014J, löste viele Folgebeobachtungen aus, unter anderem auch mit dem Gammastrahlen-Observatorium INTEGRAL der ESA. Die Daten, die von INTEGRAL zwischen 50 und 100 Tage nach der Explosion aufgenommen wurden, zeigen deutlich die beiden hellsten Gammalinien von Kobalt bei 847 und 1238 keV (siehe Abb. 3). Außerdem stimmt auch der Fluss bei niedrigeren Energien (200-400 keV) mit den theoretischen Vorhersagen überein.

"Die Linienflüsse deuten darauf hin, dass eine riesige Menge an radioaktivem Nickel bei der Explosion synthetisiert wurde, mehr als die Hälfte der Masse unserer Sonne", erklärt Eugene Churazov, der Hauptautor der Studie. "Beide beobachteten Gammalinien werden durch den Dopplereffekt eindeutig verbreitert." Dies deutet darauf hin, dass die Wolke aus radioaktivem Material sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 10000 km/s ausbreitet. Anfangs ist das Material noch so dicht, dass die Gammastrahlen, die vom radioaktiven Zerfall von Nickel zu Kobalt (mit einer typischen Zeitskala von 9 Tagen) stammen, einen Großteil ihrer Energie aufgrund von Compton-Streuung und des Rückstoßeffektes verlieren. Der anschließende Zerfall von Kobalt zu Eisen dauert viel länger, etwa 111 Tage. Während dieser Zeit wird das ausgestoßene Material zunehmend transparenter, so dass die Gammastrahlen schließlich entweichen können, und damit SNIa zu einer langfristigen Quelle von Gammastrahlen machen.

Weitere Vergleiche mit mehreren gängigen theoretischen Modellen, die auf detaillierten Berechnungen der Nukleosynthese-Prozesse bei der Explosion beruhen, zeigen eine gute Übereinstimmung der SN2014J-Daten mit "kanonischen" Modellen für SNIa-Explosionen, bei denen ein Weißer Zwerg die kritische Chandrasekhar-Masse erreicht und detoniert. Modelle, bei denen die Masse deutlich unterhalb der Chandrasekhar-Masse bleibt, sowie reine Detonationsmodelle können durch diese Beobachtungen bereits ausgeschlossen werden.

Die insgesamt gute Übereinstimmung mit den "kanonischen"-Modellen zeigt, dass SN2014J im Gammastrahlenbereich wie ein proto-typische SNIa aussieht, auch wenn die starke und komplexe Absorption im optischen Spektralbereich die Analyse schwierig macht. "Die INTEGRAL-Daten liefern einen eindeutigen Beweis dafür, dass SN2014J und damit Typ-Ia-Supernovae allgemein eine thermonukleare Explosion sind", schließt Eugene Churazov. "Die Daten passen zu der Explosion eines Weißen Zwergs, der gerade genug Masse besitzt um durch den Gravitationskollaps instabil zu sein. Fusionsszenarien, die vergleichbare Mengen an Nickel produzieren, können aber nicht ausgeschlossen werden."


E.Churazov, R.Sunyaev, J.Isern, J.Knödlseder, P.Jean, F.Lebrun, N.Chugai, S.Grebenev, E.Bravo, S.Sazonov, M.Renaud

Kontakt:
Dr. Eugene Churazov
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
Telefon: +49 98 30000-2219
E-Mail: echurazovmpa-garching.mpg.de



Original publications:

E.Churazov, R.Sunyaev, J.Isern, J.Knödlseder, P.Jean, F.Lebrun, N.Chugai, S.Grebenev, E.Bravo, S.Sazonov, M.Renaud 56CO gamma-ray emission lines from the type Ia supernova SN 2014J, linkPfeilExtern.gifNature, Aug 28th, 2014

R. Sunyaev, A. Kaniovsky, V. Efremov, M. Gilfanov, E. Churazov, S. Grebenev, A.  Kuznetsov, A. Melioranskiy, N. Yamburenko, S. Yunin, D. Stepanov, I. Chulkov, N.  Pappe, M. Boyarskiy, E. Gavrilova, V. Loznikov, A. Prudkoglyad, V. Rodin, C.  Reppin, W. Pietsch, J. Engelhauser, J. Trümper, W. Voges, E. Kendziorra, M.  Bezler, R. Staubert, A. C. Brinkman, J. Heise, W. A. Mels, R. Jager, G. K.  Skinner, O. Al-Emam, T. G. Patterson & A. P. Willmore.Discovery of hard X-ray emission from supernova 1987A, Nature 330, 227 - 229 (19 November 1987)


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Letzte Änderung: 26.8.2014