Kugelsternhaufen - Die Überlebenden eines Massakers vor 13 Milliarden Jahren

Rund um unsere Milchstraße befinden sich etwa 200 kompakte Sterngruppen, die aus je bis zu einer Million Sternen bestehen. Mit einem Alter von 13 Milliarden Jahren sind diese Kugelsternhaufen fast so alt wie das Universum selbst und enstanden als sich die ersten Sterne und Galaxien gebildet haben. Ein Astronomenteam aus Deutschland und den Niederlanden hat nun ihre Geburt neu am Computer simuliert. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass diese riesigen Sternhaufen die einzigen Überlebenden eines Massakers vor 13 Milliarden Jahren sind, das die meisten ihrer kleineren Geschwister zerstört hat. Diese Ergebnisse, die unter der Leitung von Dr. Diederik Kruijssen am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching entstanden sind, werden in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht.

Abb. 1: linkPfeil.gifAnimation zweier kollidierender Galaxien in der neuen Simulation, die 3,3 Milliarden Jahre umfasst. Am Ende verschmelzen die Galaxien und zerstören dabei viele der Sternhaufen (hier als Punkte dargestellt). linkPfeil.gifHöhere Auflösungen
Bildnachweis: D. Kruijssen, MPA

Abb. 2: Dieses Bild der Antennen-Galaxie zeigt eine Vielzahl von hellen, jungen Sternhaufen. Diese Gruppen von Sternen treten meist nahe bei Regionen mit intensiver Sternentstehung auf.
Bildnachweis: NASA, ESA und das Hubble Heritage Team linkPfeilExtern.gif (STScI/AURA)-ESA/Hubble Collaboration

Abb. 3: Der Galaktische Kugelsternhaufen M80 im Sternbild Skorpion enthält mehrere hunderttausend Sterne.
Bildnachweis: HST/NASA/ESA

Kugelsternhaufen haben eine bemerkenswerte Eigenschaft: die typische Sternzahl in diesen Haufen scheint im ganzen Universum etwa gleich zu sein. Ganz im Gegensatz zu viel jüngeren Sternhaufen, die nahezu eine beliebige Anzahl von Sternen enthalten können, von weniger als 100 bis zu vielen Tausend. Die Wissenschaftler erklären diesen Unterschied nun durch die Bedingungen, unter denen sich Kugelsternhaufen früh in der Entwicklung ihrer Galaxien gebildet haben.

Die Forscher führten Simulationen von isolierten und kollidierenden Galaxien durch, in denen auch ein Modell für die Entstehung und Zerstörung von Sternhaufen enthalten war. Bei einer Galaxienkollision gibt es oft spektakuläre Aktivitäten der Sternentstehung ("Starburst") und es entsteht eine Fülle von hellen, jungen Sternhaufen in ganz unterschiedlichen Größen. Deshalb dachte man, dass sich die Gesamtzahl der Sternhaufen während eines Starbursts erhöht. Das deutsch-niederländische Team fand nun aber mit seinen Simulationen heraus, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

Während die hellsten und größten Haufen aufgrund ihrer eigenen Anziehungskraft tatsächlich in der Lage sind eine Galaxienkollision zu überleben, werden die zahlreichen kleineren Haufen durch die sich rasch ändernden Gravitationskräfte bei Starbursts mit Gas, Staub und Sternen in konstanter Bewegung zerstört. Diese Phase des Starbursts fand nach etwa zwei Milliarden Jahren ein Ende und die Forscher waren überrascht zu sehen, dass nur Haufen mit einer hohen Sternzahl überlebt hatten. Die Eigenschaften dieser Haufen waren außerdem genau jene, die man für junge Kugelsternhaufen vor etwa 11 Milliarden Jahren erwarten würde.

Dr. Kruijssen kommentiert: "Es ist wirklich eine Ironie des Schicksals zu sehen, dass Starbursts zum einen viele junge Sternhaufen entstehen lassen, die Mehrheit von ihnen aber gleichzeitig auch wieder zerstören. Dies passiert nicht nur in Galaxienkollisionen, sondern ist bei jedem Starburst zu erwarten. Im frühen Universum waren Starbursts an der Tagesordnung - es macht daher absolut Sinn, dass alle Kugelsternhaufen in etwa die gleiche große Anzahl von Sternen haben. Ihre kleineren Brüder und Schwestern, die nicht so viele Sterne enthielten, waren dazu verdammt zerstört zu werden."

In den Simulationen werden die meisten Sternhaufen schon kurz nach ihrer Entstehung zerstört, im lebensfeindlichen Umfeld der jungen Galaxie. Nach dem Ende dieses Abschnitts leben die übrig gebliebenen Kugelsternhaufen ruhig bis zum heutigen Tag weiter.

Um ihre Ideen zu testen, schlagen die Forscher neue Beobachtungen vor. Dr. Kruijssen erklärt: "In unserer kosmischen Nachbarschaft gibt es mehrere Galaxien, die vor kurzem große Ausbrüche von Sternentstehung durchlaufen haben. Es sollte daher möglich sein, die schnelle Zerstörung der kleineren Sternhaufen direkt in Aktion zu sehen. Sollte man dies bei den neuen Beobachtungen tatsächlich finden, so ist unsere Theorie für die Entstehung der Kugelsternhaufen bestätigt."

Den Simulationen zu Folge werden die meisten Eigenschaften der Kugelsternhaufen durch die Bedingungen bei ihrer Entstehung festgelegt. Die Tatsache, dass Kugelsternhaufen heute alle sehr ähnlich sind, deutet damit darauf hin, dass sie sich in der gleichen Umgebung (wenn auch in unterschiedlichen Galaxien) gebildet haben. In diesem Fall können sie laut Dr. Kruijssen wie fossile Zeitzeugen eingesetzt werden, um mehr über die Bedingungen zu erfahren, unter denen einst die ersten Sterne und Galaxien geboren wurden.

Originalveröffentlichung:

Kruijssen et al, "Formation versus destruction: the evolution of the star cluster population in galaxy mergers", Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, im Druck. linkPfeilExtern.gifhttp://arxiv.org/abs/1112.1065


Science Contact:

Dr. Diederik Kruijssen
Max-Planck-Institut für Astrophysik
Garching, Deutschland
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E-mail: kruijssenmpa-garching.mpg.de

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Pressesprecher
Max-Planck-Institut für Astrophysik
Garching, Deutschland
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E-mail: prmpa-garching.mpg.de