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Glühen in der Kälte - Neue Theorie für rätselhaftes Leuchten in Galaxienhaufen


Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben eine neue Erklärung für das Radioglühen in den Zentren auskühlender Galaxienhaufen vorgeschlagen. Verantwortlich sind hochenergetische Reaktionen lichtschneller Protonen mit den dichten Gasmassen in den Zentren der Galaxienhaufen, die radioleuchtende Elektronen erzeugen. Die gleichzeitig entstehende Gammastrahlung sollte mit zukünftigen Teleskopen nachgewiesen und somit als Test für das vorgeschlagene Modell dienen können.


Perseus Galaxienhaufen

Abbildung 1: Das kalte Zentrum des Perseus Galaxienhaufen. In der Vergrößerung (rechts) ist das verdichtete Gas zu sehen. Sichtbar wird es durch seine Röntgenemission. (Linke Aufnahme: ROSAT- Röntgensatellit, rechte Aufnahme: Chandra-Röntgensatellit; mit freundlicher Genehmigung von NASA / IoA / A. Fabian u.a.)


Perseus Radio Mini-Halo

Abbildung 2: Eine ausgedehnte diffuse Radioquelle (engl.: radio mini-halo) im Perseus Galaxienhaufen mit einem Durchmesser von ungefähr 500.000 Lichtjahren. Dieses Bild zeigt farbkodiert die Radiostrahlung bei 1,4 GHz, welche am amerikanischen VLA-Teleskop aufgenommen wurde; mit freundlicher Genehmigung von Pedlar u.a. (1990).


Hochenergetische Teilchenreaktion

Abbildung 3: Die Zeichnung zeigt die hochenergetische Teilchenreaktion in dem vorgeschlagenen Szenario. Ein lichtschnelles Proton (engl.: cosmic ray proton (CRp)) kollidiert mit einem Proton (p) des Gases im Galaxienhaufen und produziert ein elektrisch geladenes Pion (π+). Dieses Pion zerfällt nacheinander in ein Myon (μ), Neutrinos (ν) und letztendlich in ein Elektron bzw. Positron (e), abhängig von der Ladung des Pions. Dieses Elektron/Positron bewegt sich auf einer spiralförmigen Bahn um die Magnetfeldlinien im Galaxienhaufen und erzeugt Radiostrahlung, die sich auf der Erde von Radioteleskopen wie dem VLA beobachten lässt. Ebenso häufig wird ein neutrales Pion (π0) erzeugt. Es zerfällt in zwei hochenergetische Photonen. Diese Gammastrahlung kann durch Cerenkov-Teleskope und in zukünftigen Satellitenmissionen wie GLAST nachgewiesen werden. Die Bilder werden mit freundlicher Genehmigung von GLAST / Spectrum Astro und NRAO / AUI / NSF gezeigt.


Profil der Radiohelligkeit

Abbildung 4: Die Helligkeit der Radiostrahlung des Perseus Galaxienhaufens als Funktion des Abstands vom Zentrum des Haufens (logarithmische Darstellung). Der Vergleich von beobachteten Radiodaten (blaue Kreuze, von Pedlar u.a. (1990)) mit dem neuen theoretischen Modell zeigt eine sehr gute Übereinstimmung.


Galaxienhaufen sind die größten gravitativ gebundenen Objekte des Universums, bestehend aus Hunderten von Galaxien und heißem Wasserstoffgas, das Röntgenstrahlung abgibt. Sie entstehen, indem sich Galaxiengruppen und kleinere Galaxienhaufen in teils gewaltigen Kollisionen zusammenschließen. Während der Zusammenstöße werden riesige Energiemengen freigesetzt, die zu einer Vielzahl von ausgedehnten Radiophänomenen wie beispielsweise der Entstehung von Radiohalos und Radiorelikten führen (siehe Radiogeister in Kollisionen von Galaxienhaufen). In den folgenden Hunderten von Jahrmillionen kommt der Galaxienhaufen wieder zur Ruhe. Die vom Zusammenstoß erhitzten Gasmassen im Zentrum dieser Haufen kühlen aus und verdichten sich; sie bilden sogenannte kalte Zentren, wie zum Beispiel im Perseus Galaxienhaufen (Siehe Abb. 1). Nun sollte man meinen, dass es in diesen ruhigen Haufen, die seit hunderten Millionen von Jahren keine Energiezufuhr mehr erfahren, keinerlei ausgedehnte Radiophänomene mehr zu beobachten gibt. Dennoch detektieren Radioteleskope in solchen Objekten mitunter diffuses Leuchten, so auch im Perseus Galaxienhaufen (siehe Abb. 2). Woher nehmen die kalten Haufen die Energie zum Glühen?

In dem von Christoph Pfrommer und Torsten Enßlin vorgeschlagenen Szenario dienen lichtschnelle Protonen als Energiespeicher. In dem relativ dünnen Gas der Galaxienhaufen konservieren diese Teilchen einen Teil der einst bei den Zusammenstößen der kleineren Galaxienhaufen freigesetzte Energie über Milliarden von Jahren. Abgegeben wird diese Energie erst dann, wenn die schnellen Protonen mit Gasteilchen zusammenstoßen. Je dichter das Gas in den Zentren der Galaxienhaufen wird, um so häufiger kollidieren die Teilchen. Dabei erzeugen sie vor allem so genannte Pionen. Viele von ihnen zerfallen in Elektronen und Positronen, die dann um die Magnetfeldlinien des Galaxienhaufens kreisen. Durch die rasante Kreisbewegung strahlen die Elektronen ihre Energie ab, welche nach einer langen kosmischen Reise von Radioteleskopen aufgefangen werden kann (siehe Abb. 3).

Berechnungen zeigen, dass verhältnismäßig wenige lichtschnelle Protonen benötigt werden, um das beobachtete Radioleuchten zu erzeugen. Außerdem ergibt sich eine erstaunlich gute Übereinstimmung zwischen der mit diesem Modell vorhergesagten Helligkeitsverteilung und den gemessenen Radiodaten (siehe Abb. 4).

Bei der beschriebenen Teilchenreaktion müsste auch hochenergetische Gammastrahlung freigesetzt werden, die auf der Erde durch so genannte Cerenkov-Teleskope nachgewiesen werden kann. Die vor kurzem von einem solchen Teleskop (HEGRA) beobachtete Gammastrahlung aus dem Virgo-Haufen könnte schon ein erstes Indiz für die Richtigkeit dieses Szenarios sein. Endgültigen Aufschluss über dieses Modell erwarten die Wissenschaftler von der zukünftige Satellitenmission GLAST (Starttermin 2006).

Christoph Pfrommer & Torsten Enßlin

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  Last modified: Thu Aug 28 14:58:45 CEST 2003     •     Comments to: info@mpa-garching.mpg.de