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Die Physik der Typ Ia Supernova-Explosionen: Ein neues europäisches Forschungs- und Ausbildungsnetzwerk


Europäische Astronomen und Astrophysiker und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik haben haben sich in einem von der Europäischen Union geförderten "Research and Training Network (RTN)" zusammengeschlossen, um nahe Type Ia Supernovae systematisch und detailliert zu beobachten. Ziel des Projektes ist es herauszufinden, ob diese Explosionen in der Tat als "Maßstäbe" zur Vermessung der Struktur des Universums geeignet sind.


Supernova SN 2002bo

Abbildung 1: Supernova SN 2002bo in der Galaxie NGC 3190. Diese Supernova wurde am 9. Maerz 2002 entdeckt und ist als heller Punkt auf dem aequatorialen Staubring der Galaxie zu erkennen. Die Galaxie ist eine normale Spiralgalaxie im Abstand von ungefähr 20 Millionen Lichtjahre, die man fast genau von der Seite her sieht. Diese Supernova wurde sehr früh entdeckt, bereits 16 Tage for ihrem Maximum. Sie wurde seit ihrer Entdeckung über mehrere Wochen hin in jeder Nacht beobachtet. Das Bild in den Filtern V, R, und I wurde mit dem Asiago-Teleskop am 12. März aufgenommen.



Spektrum der Supernova 2002bo

Abbildung 2: Spektrum der Supernova 2002bo in optischen Wellenlängen. Auch dieses Spektrum wurde mit dem Asiago-Teleskop erhalten. Verschiedene Linien sind mit den Elementnamen versehen, die die Absorption verursachen. Die stärksten Linien gehören zu den einfach-ionisierten Elementen Eisen (Fe II), Kalzium (Ca II) und Schwefel (S II). Aus ihrer Position im Spektrum und ihrer Tiefe und Form kann man auf die Geschwindigkeit und die Häufigkeiten dieser Elemente in der Supernova schließen.



Lichtkurven der Supernova SN 2002er

Abbildung 3: Lichtkurven der Supernova SN 2002er in verschiedenen Wellenlängen (Farben). Gezeigt wird die Helligkeit dieser Supernova in den Bändern U, B, V, R und I (die von violett und blau bis zu roten Farben reichen) vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung bis 6 Tage nach dem Maximum. Zum Vergleich ist gestrichelt der Verlauf für die bisher am besten beobachtete Supernova SN 1994D unseren Daten hinzugefügt. Die Lichtkurven wurden mit dem 2,2-Meter Teleskop auf dem Calar Alto in Spanien aufgenommen.


Einige Sterne beenden ihr Leben in einer gigantischen Explosion, die sie unter Umständen vollständig zerstört. Eine solche Explosion ist immer von einer dramatischen Erhöhung der Helligkeit des Sterns begleitet. Findet sie in unserer Milchstraße statt, so kann man den explodierten Stern in der Regel am Taghimmel mit bloßem Auge beobachten. In der Vergangenheit waren solche Ereignisse allerdings sehr selten, und sie wurden von den Astronomen dann "Novae" (neue Sterne) genannt.

Wir unterscheiden heute zwischen relativ schwachen Explosionen auf der Oberfläche von kompakten Sternen (klassische Novae) und den viel helleren Explosionen, in denen ein Stern plötzlich sein Leben beendet und die Supernova genannt werden. Diesen Namen verdienen sie in der Tat, denn für einige Wochen erscheint eine Supernova fast so hell wie eine ganze Galaxie mit Milliarden von Sternen. (Siehe auch Abbildung 1)

Schaut man sich Supernovae genauer an, so sind sie nicht alle gleich. Vielmehr hängen ihre Eigenschaften davon ab, welcher Stern explodiert ist. Gemeinsam haben sie, daß ihr Licht (und damit ihre Helligkeit) überwiegend aus dem Zerfall radioaktiver Atomkerne stammt. Während der Explosion werden immer große Mengen radioaktiven 56Ni erbrütet, das danach über 56Co zu 56Fe zerfällt. Beim radioaktiven Zefall entstehen zunächst Gamma-Strahlen, die letztlich aber zu sichtbarem Licht werden.

Es ist ein glücklicher Umstand, dass die hellsten Supernovae auch untereinander am ähnlichsten sind: Man nennt sie Typ Ia. Ihre Lichtkuven unterscheiden sich nicht wesentlich, und auch ihre Spektren sind zu allen Zeiten vergleichbar. Ihre Spektren (Abbildung 2) sehen wir starke Eisenlinien, die bestätigen, dass in Supernovae in der Tat große Mengen 56Ni entstehen. Daneben gibt es charakteristische Linien von mittelschweren Elementen wie Silizium oder Kalzium, während die leichtesten Elemente Helium und Wasserstoff, die sonst fast immer in Sternen vorhanden sind, völlig fehlen. Diese sehr ungewöhnliche Eigenschaft wird deshalb auch benuzt, Typ Ia Supernovae zu definieren.

Die natürliche Deutung der Spektren ist, dass Typ Ia Supernovae explodierende Weiße Zwerge sind, also Sterne, die ihre Wasserstoffhülle bereits vollständig verloren haben. Es sind also die Kerne von Sternen niedriger Masse, die nach Ausschöpfung ihres nuklearen Energievorrats langsam abkühlen. Explodieren könnten sie nur, wenn sie von einem Begleitstern die dazu benötigte zusätzliche Masse erhalten.

Es ist offensichtlich, dass wir Typ Ia Supernovae als Entfernungsmesser benutzen könnten, wenn sie alle gleich hell wären. Dann wäre die gemessene scheinbare Helligkeit am Ort der Erde ein vorzügliches Maß für ihren Abstand zu uns. Weil sie andererseits sehr hell sind, können wir sie auch in sehr großen Abständen noch sehen und damit das gesamte lokale Universum vermessen. Ja, es wäre in Prinzip sogar möglich, auch die Geometrie und andere globale Eigenschaften des Universums zu bestimmen.

Leider ist das aber doch nicht so einfach; denn die Typ Ia Supernovae sind nicht alle gleich, und es gibt signifikante Helligkeitsunterschiede. Man muss deshalb versuchen, diese Unterschiede zu korrigieren, was im Prinzip auch möglich zu sein scheint; denn die Lichtkurven der helleren Supernovae fallen langsamer ab als die der lichtschwächeren. Auf diese Weise ist es vor kurzem gelungen, die Entfernung von Supernovae zu bestimmen, die explodierten, als das Universum nur etwa halb so alt war wie heute, also bei eine Rotverschiebung von bis zu 1.

Das überraschende Ergebnis war, dass das heutige Universum beschleunigt expandiert, im Gegensatz zum vorher favorisierten kosmologischen Modell. Die beschleunigte Expansion könnte durch eine "kosmologische Konstante" hervorgerufen sein, die Einstein einst eingeführte, um in seinen Gleichungen ein statisches Universum zu erlauben, die er später aber als seine "größte Eselei" bezeichnet haben soll. Alternativ könnte das Universum mit einer neuen Form "dunkler Energie" gefüllt sein, die einen negativen Druck ausübt und die sich sonst nur in ihrer Schwerkraft manifestiert.

Heute sind unsere immer noch beschränkten Kenntnisse der Physik der Supernova-Explosionen das schwächste Glied in dieser Kette von Argumenten. Die Supernovae, die man für die Kosmologie braucht, explodierten, als unser Sonnensystem gerade entstand oder noch früher. Es gibt deshalb keine Garantie, dass es die gleichen Explosionen sind wie die, für die wir die Lichtkurven geeicht haben. Um mögliche systematische Unterschiede ausschließen zu können, müssen wir deshalb die Explosionen sehr gut verstehen.

Um hier Fortschritte zu erzielen, sowohl in Bezug auf die Beobachtungen als auch auf theoretische Modelle, hat sich unter der Leitung von Wolfgang Hillebrandt vom Max-Planck-Institut für Astrophysik eine Gruppe von europäischen Astronomen und Astrophysikern gebildet ("European Supernova Collaboration", ESC), mit dem Ziel, durch detaillierte Beobachtungen einer möglichst großen Zahl relativ naher Typ Ia Supernovae sowie durch genaue theoretische Modelle ihre Natur zu verstehen. Damit ließen sich mögliche systematische Unterschiede, die ihren Nutzen als "Standardkerzen" in Frage stellen würden, ermitteln und kontrolieren. Förderung für das Projekt wurde bei der Europäischen Union beantragt und auch bewilligt.

Das Netzwerk, dem Gruppen aus Deutschland, England, Italien, Frankreich, Spanien und Schweden angehören, hat vor kurzem seine Arbeit aufgenommen und schon erste Resultate erzielt. Das koordinierte Beobachtungsprogramm wurde dabei an allen größeren europäischen Observatorien durchgeführt. So hat die ESC-Kollaboration bereits sehr genaue Daten für zwei nahe Typ Ia Supernovae, SN 2002bo (Abbildung 1) und SN 2002er, gesammelt. Beide Supernovae scheinen weitgehend typisch zu sein. Ein Spektrum der SN 2002bo in der Nähe des Maximums ihrer Helligkeit ist in Abbildung 2 zu sehen. Es ist möglich, viele atomare Linien im Spektrum zu identifizieren, wie etwa Eisen-, Silizium-, Schwefel- und Kalziumlinien. Die Photometrie der SN 2002er (Abbildung 3) ist die wahrscheinlich beste und genaueste, die je für eine solche Supernova gemacht wurde.

Noch sind nicht alle Daten ausgewertet, doch wir hoffen, aus solchen und ähnlichen Beobachtungsserien viel über die Physik der Explosionen lernen können. Hierzu wird beitragen, dass, während sich die Supernova entwickelt, wir immer tiefer in sie hinein sehen können. Die Spekten werden uns deshalb die Geschwindigkeiten und die chemische Zusammensetzung der Sternmaterie in unterschiedlichen Tiefen enthüllen, und wir werden herausfinden können, wodurch die Unterschiede in den Lichtkurven individueller Supernovae stammen, etwas worüber wir bisher nur vage Vorstellungen haben.

Gleichzeitig werden die mehrdimensionalen Modelle thermonuklearer Explosionen Weißer Zwerge (die am MPA entwickelt wurden, siehe auch das Highlight vom Juni 2000), zusammen mit neuen Methoden zur Berechnung des Strahlungstransports und von Lichtkurven und Spektren die physikalisch Interpretation der Beobachtungsdaten erst ermöglichen. So besteht die Hoffnung, dass wir in wenigen Jahren wissen, was genau Typ Ia Supernovae sind und ob die physikalischen und kosmologischen Konsequenzen, die mit ihren Beobachyungen verknüpft werden, wirklich zu ziehen sind.

Paolo Mazzali, Wolfgang Hillebrandt

Weitere Informationen:
Das SNIa Research Training Network
Thermonukleare Flammen in Typ Ia Supernovaexplosionen - Mikroskopische Betrachtung
Simulation von Typ Ia Supernovae



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  Last modified: Tue Dec 3 10:53:08 CET 2002     •     Comments to: info@mpa-garching.mpg.de