Wie explodieren massereiche Sterne? |
english |
Ein einfaches, analytisches Modell, das am Max-Planck-Institut für Astrophysik entwickelt wurde, erlaubt es, die komplizierten Prozesse zu untersuchen, die zur Supernovaexplosion massereicher Sterne führen. Das Modell ermöglicht es, die Rolle von Neutrinos bei der Explosion besser zu verstehen. Es ergänzt dadurch genauere, aber auch weniger leicht zu durchschauende Computersimulationen.
Sterne mit einer Masse von mehr als zehn Sonnenmassen beenden ihr Leben in einer Supernovaexplosion, begleitet von einem grandiosen kosmischen Feuerwerk, das für mehrere Wochen die Helligkeit einer ganzen Galaxie erreichen kann. Die Trümmer des explodierenden Sterns werden mit einem Zehntel der Lichtgeschwindigkeit in den zirkumstellaren Raum geschleudert. Die ausgeworfenen Sterngase reichern das interstellare Medium mit schweren Elementen an, die der Stern über Jahrmillionen erbrütet hat, und mit radioaktiven Atomkernen, die während der ersten Sekunden der Explosion entstanden sind.
So beeindruckend die beobachtbare Supernova auch ist, sie ist dennoch nur ein schwacher Abglanz eines noch viel gewaltigeren Ereignisses: Der Eisenkern des massereichen Sterns kollabiert zu einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch, einem kompakten Überrest von nur etwa 20 Kilometern Größe, der im Zentrum der auseinander rasenden Gaswolke des zerstörten Sterns übrig bleibt. Zehntausend mal mehr Energie als im Supernovalicht wird dabei über Neutrinos freigesetzt. Dies sind Elementarteilchen, die in riesiger Zahl bei den extremen Bedingungen in einem heißen Neutronenstern entstehen.
Abbildung 1: Der Supernovastoß im Gegenspiel der Effekte: Einerseits fällt Materie des kollabierenden Sterns mit hoher Geschwindigkeit auf den Stoß und dämpft seine Expansion, andererseits heizen und kühlen Neutrinos die Gasschichten zwischen dem Neutronenstern und der Stoßfront. Hinreichend starkes Neutrinoheizen kann die Explosion des Sterns auslösen. |
Obwohl diese Neutrinos nur sehr selten mit dem stellaren Gas um den dichten Neutronenstern wechselwirken, können sie dennoch genug Energie in einem Volumen von wenigen hundert Kilometern Durchmesser freisetzen, um die Explosion des Sterns auszulösen. Die extrem komplexen Prozesse, die dabei eine Rolle spielen, sind jedoch nicht zufriedenstellend geklärt. Selbst die aufwendigsten hydrodynamischen Simulationen auf modernsten Supercomputern liefern kein klares Bild, wie und wodurch der Stern zu explodieren beginnt. Es ist von großer Bedeutung, ein tieferes Verständnis für den Mechanismus der Explosion zu entwickeln, denn zentrale Fragen sind direkt an ihn geknüpft, z.B. ob in der Supernova ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch gebildet wird, oder wieviel radioaktives Material während der Explosion erzeugt wird.
Am Max-Planck-Institut für Astrophysik wurde deshalb ein analytisches Modell entwickelt, mit dem sich grundlegende Einsichten in den Ablauf der Explosion gewinnen lassen. Kurz nach seiner Entstehung wird der Supernovastoß von rivalisierenden Effekten beeinflußt: Einerseits fällt auf ihn Materie des kollabierenden Sterns, andererseits wird das Gas hinter dem Stoß durch die Wechselwirkung mit Neutrinos geheizt und gekühlt (Abb. 1). Damit wird das Schicksal des Stoßes sowohl durch die Struktur des kollabierenden Sterns bestimmt, als auch durch die Neutrinoemission aus dem entstehenden Neutronenstern. Nur bei geeigneten Bedingungen kann der Stoß weiter expandieren und erhält genug Energie von den Neutrinos, um die Sternexplosion zu treiben (Abb. 2).
|
||
Abbildung 2: Linkes Bild: Phasendiagramm für Explosion oder Kollaps des Sterns zu einem Schwarzen Loch in Abhängigkeit von der Rate, mit der stellares Gas auf den Stoß fällt, und von der Neutrinoleuchtkraft des entstehenden Neutronensterns. Als Masse des Neutronensterns wurde das 1.25-fache der Sonnenmasse angenommen. Rechtes Bild: Stoßposition als Funktion der Zeit für verschiedene Werte der Neutrinoleuchtkraft des Neutronensterns (gemäß Beschriftung der Linien) und fixem Wert für die Rate, mit der Gas auf den Stoß fällt (markiert durch die Position der gestrichelten Linie im linken Bild). Für Werte über der kritischen Neutrinoleuchtkraft (Schnittpunkt der gestrichelten und durchgezogenen Linien im linken Bild) sind Explosionen möglich. |
Insbesondere ist dafür eine ausreichend große Neutrinoleuchtkraft des Neutronensterns notwendig. Dadurch wird nicht nur der Energieübertrag in der Heizregion verstärkt, sondern auch der Energieverlust aus der Kühlregion gedrosselt. Der zweite Effekt scheint sogar bedeutender zu sein, da er verhindert, daß das stellare Gas sehr schnell auf den Neutronenstern fällt, noch bevor es Zeit hatte, in der Heizschicht effizient Energie von den Neutrinos zu absorbieren. Die analytische Diskussion zeigt auch, daß die Energie neutrinogetriebener Explosionen auf einen Wert um 1051 erg begrenzt ist, was durchaus der Beobachtung bei einer typischen Sternexplosion entspricht. Der Grund hierfür ist, daß die Nukleonen sich sofort aus der Heizregion wegbewegen, wenn sie von den Neutrinos soviel Energie erhalten haben, daß sie der Gravitationsanziehung des Neutronensterns entkommen können.
Das analytische Modell kann also die Bedingungen eingrenzen, wo hydrodynamische Modelle Explosionen finden sollten. Darüberhinaus ermöglicht es allgemeine Aussagen über grundsätzliche Eigenschaften neutrinogetriebener Explosionen.
H.-Thomas Janka
Weitere Informationen:
MPA-Home |