Ein gemeinsames Modell für die Entwicklung von Galaxien, aktiven Galaxienkernen und supermassiven schwarzen Löchern

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In den Zentren beinahe aller Galaxien befinden sich supermassive schwarze Löcher mit Massen von bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen. Diese supermassiven schwarzen Löcher spielen mit großer Wahrscheinlichkeit eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Entwicklung von Galaxien. Im Juni diesen Jahres wurde auf der Sommerversammlung der amerikanischen astronomischen Gesellschaft über eine neue sehr enge Korrelation zwischen der Masse supermassiver schwarzer Löcher und der stellaren Geschwindigkeitsdispersion der Galaxien, in deren Zentrum sich die schwarzen Löcher befinden, berichtet. Forscher am MPA konnten zeigen, daß ihr Modell für die Entwicklung von Galaxien und der supermassiven schwarzen Löchern in ihrem Zentrum diese neue Korrelation gut reproduziert (s. Abbildung 1). Die wesentlichen Punkte des Modells sind im folgenden beschrieben.

Abb. 1: Masse des supermassiven schwarzen Loches vs. Geschwindigkeitsdispersion der Galaxie für benachbarte Galaxien. Die roten und blauen Datenpunkte sind aus Ferrarese & Merritt und Gebhardt et al.

Wenn supermassive schwarze Löcher Material aus ihrer Umgebung akkretieren, wird ein erheblicher Teil der Ruheenergie der einfallenden Materie freigesetzt und abgestrahlt. Der Kern der Galaxie erreicht eine enorme Leuchtkraft und wird als sogenannter AGN, oder aktiver Galaxienkern bezeichnet .

Vieles von dem, was wir über die Entwicklung supermassive schwarze Löcher über kosmologische Zeitskalen hinweg wissen, verdanken wir dem Studium der Entwicklung solcher aktiver Galaxienkerne. Die Anzahldichte von QSOs, der wichtigsten Klasse von AGN, weist einen charakteristischen Anstieg und Abfall mit einem Maximum bei Rotverschiebung 2 auf. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Universum etwa ein Fünftel seines heutigen Alters. Das Maximum der Aktivität in Galaxienkernen fällt dabei mit der Phase des Universums zusammen, in der der Großteil der Sterne in Galaxien entstanden ist.

Die beobachtete lineare Korrelation zwischen der Masse eines schwarzen Loches und der Masse des sphärischen Teils der Galaxie, in dem es sich befindet, ist ein weiterer wichtiger Hinweis darauf, wie das Wachstum von supermassiven schwarzen Löcher mit der Entstehung von Galaxien zusammenhängt. Im Mittel sind etwa 0.3 Prozent der Gesamtmasse des sphärischen Teils der Galaxie im schwarzen Loch in dessen Zentrum enthalten. Die Korrelation deutet auf einen engen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Sternen in elliptischen Galaxien und der Entstehung supermassiver schwarzer Löcher hin. Die neu entdeckte, viel engere Korrelation zwischen Masse des schwarzen Loches und stellarer Geschwindigkeitsdispersion der beherbergenden Galaxie unterstützt diese Hypothese.

Welcher Prozess könnte sowohl für die Entstehung elliptischer Galaxien als auch für das Wachstum von schwarzen Löchern verantwortlich sein? Viele Astronomen glauben, daß die Kollision und das anschließende Verschmelzen von Galaxien dafür verantwortlich sind. Gemäß dem weithin akzeptierten Standardmodell für die Entstehung großflächigen Strukturen im Universum sind Quantenfluktuationen im frühen Universum die Ursache für kleine Dichtefluktuationen in der dunklen Materie. Diese anfänglich kleinen Dichtefluktuationen wachsen dann durch die Wirkung der Gravitationskraft in der weiteren Entwicklung des Universums zu den Strukturen die wir heute beobachten.

Abb. 2: Eine spektakuläre Mehrfach-Kollision von Galaxien aufgenommen mit der NICMOS Kamera an Bord des Hubble Weltraum-Teleskops.
Ab einem gewissen Punkt hört das Material in den überdichten Regionen auf, sich auszudehnen, und beginnt, sich unter dem Einfluß der Gravitationskraft wieder zusammenzuziehen. Dabei enstehen zuerst kleinere Objekte, die sich dann später zu immer größeren Objekten und Strukturen verbinden. Galaxien enstehen dabei in Gebieten, in denen die Materiedichte hoch genug ist, daß das Gas kühlen und sich zu Sternen verdichten kann. Dieser Prozess wird oft auch als hierarchische Strukturentstehung bezeichnet.

Detaillierte numerische Simulationen der Verschmelzung zweier Spiralgalaxien haben gezeigt, daß das Endprodukt beobachteten elliptischen Galaxien sehr ähnlich ist. Während der Verschmelzung treiben Gezeitenkräfte Gas zum neuen Zentrum. Aus dem verdichteten Gas enstehen neue Sterne und ein Teil des Gases wird von dem supermassiven schwarzen Loch im Zentrum akkretiert. Abbildung 2 zeigt eine spektakuläre Mehrfach-Kollision von Galaxien im echten Universum aufgenommen mit der NICMOS Kamera an Bord des Hubble Weltraum-Teleskops.

In vielen solcher verschmelzender Galaxien liegen die Sternentstehungsraten bei mehreren hundert Sonnemassen pro Jahr. Sie zeigen häufig Anzeichen eines aktiven Galaxienkernes, was darauf hindeutet, daß die Kollision auch die Akkretion von Materie auf das schwarze Loch ermöglicht hat.

Abb. 3: V Band Leuchtkraft der Galaxie vs. B Band Leuchtkraft des QSO bei zwei verschiedenen Rotverschiebungen.

Im letzten Jahr haben Wissenschaftler am MPA ein Modell für die Entwicklung von Galaxien, aktiven Galaxienkernen und supermassiven schwarzen Löchern entwickelt, das auf den oben beschriebenen Ideen basiert. Das Modell berücksichtigt die Entwicklung der räumlichen Verteilung der dunklen Materie ebenso, wie die Entstehung und Verschmelzung von Galaxien in den von der dunklen Materie gebildeten "Potentialtöpfen". Der wesentliche neue Punkt des Modells ist die Annahme, daß die Masse supermassiver schwarze Löcher während derselben Galaxienkollisionen anwächst, die auch für die Entstehung von elliptischen Galaxien verantwortlich sind. Die Forscher des MPA konnten zeigen, daß ihr neues Modell viele Aspekte der Entwicklung von Galaxien wie z.B. die zeitliche Entwicklung der globalen Sternentstehungsrate und den starken Anstieg und Abfall der Anzahldichte von AGN erklären kann. Das Modell macht auch neue, durch Beobachtungen testbare Vorhersagen für die Beziehung zwischen der Masse des supermassiven schwarzen Loches und den Eigenschaften der es beherbergenden Galaxie, sowie für die Beziehung zwischen der Leuchtkraft von AGN und der Leuchtkraft des sphärischen Teils der Galaxie. Da in hierarchischen Strukturentstehungsmodellen die massereicheren Galaxien später entstehen, sollten sich QSOs mit einer bestimmten Leuchtkraft bei hoher Rotverschiebung in masseärmeren Galaxien befinden als bei niedriger Rotverschiebung. Außerdem sollten jüngere Galaxien masseärmere schwarze Löcher enthalten. Die erste dieser Vorhersagen wurde bereits durch Beobachtungen bestätigt (s. Abbildung 3), und es gibt auch bereits Hinweise darauf, daß die Masse von supermassiven schwarzen Löchern tatsächlich mit dem Alter der Galaxie korreliert. Zukünftige Beobachtungen sollten zur weiteren Klärung dieser Fragen beitragen .

Für weitere Informationen siehe hier.


Martin Haehnelt und Guinevere Kauffmann




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